Sienna Superstar
mit
Sienna Miller

Jahrelang stand sie im Fokus der Medien, nicht zuletzt aufgrund ihres einzigartigen Stils. Jetzt hat es SIENNA MILLER bis an die Spitze geschafft und wird für ihre darstellerische Leistung mit den besten Kritiken ihrer Karriere belohnt. Die britische Schauspielerin hat mit ALISON PRATO über ihren persönlichen und beruflichen Durchbruch, ihre neue kontroverse TV-Serie und ihre Rolle als Mutter gesprochen
Sienna Miller ist erkältet. „Ich fühle mich schrecklich, tut mir leid“, sagt sie und lacht verlegen, während sie sich die Nase mit einer Serviette putzt. „So sieht eine Pressetour aus.“ Wir sitzen am hinteren Tisch eines französischen Restaurants im New Yorker West Village. Sienna Miller sieht trotz ihrer Beschwerden großartig aus. Sie trägt einen cremefarbenen Pullover, eine lockere Jeans und „Stan Smith“-Sneakers von Adidas. „Ich versuche nicht ins Mikrofon zu schniefen“, sagt sie. „Es ist widerlich. Bitte entschuldigen Sie.“
Die Erkältung hat sie sich nicht ohne Grund zugezogen. Die Schauspielerin befindet sich inmitten einer großangelegten Pressetour für gleich zwei große Projekte: American Woman, ein Dramafilm mit bisher herausragenden Kritiken sowie die siebenteilige Fernsehserie The Loudest Voice. In der Sendung dreht sich alles um den ehemaligen CEO des Nachrichtensenders Fox News Roger Ailes, der als Schlüsselfigur in der republikanischen Partei und Medienberater für Richard Nixon, Ronald Reagan und George H.W. Bush tätig war. Nachdem Vorwürfe sexueller Belästigung gegen Ailes bekannt wurden, war er 2016 dazu gezwungen, Fox zu verlassen. Miller spielt Ailes’ treuherzige Ehefrau Elizabeth, genannt Beth, an der Seite von Russell Crowe, der Roger mimt.
„Ich habe viel Zeit damit verbracht, mir Fox News anzusehen“, sagt Miller über ihre Vorbereitung auf die Serie, die inhaltlich von den Anfängen von Fox News im Jahr 1996 bis zu Rogers Tod im Jahr 2017 reicht. „Aber wissen Sie was? Schon bevor ich die Rolle bekam, habe ich oft zwischen den Sendern CNN und Fox News gewechselt, sobald sich etwas Spektakuläres ereignete, wie die Kavanaugh-Anhörungen. Da wird schnell klar, weshalb dieser Sender so viel Einfluss hat. Nachrichten werden mit solch einer Überzeugungskraft vermittelt mit Aussagen wie: ‚Das ist unsere Wahrheit, und dafür machen wir uns stark.‘ Man schaut 20 Minuten Fox und fragt sich am Ende, ob sie vielleicht sogar Recht haben.“
„Man hat mich ANGESCHRIEN, ich wurde unterbezahlt, abgewertet und scheiße behandelt. Es fühlt sich richtig an, dass sich FRAUEN für Frauen STARK machen“
Über ihre Rolle als Beth Ailes, eine ehemalige Führungskraft bei NBC News und Herausgeberin einer Lokalzeitung, sagt Miller: „Sie war nicht zu einem Treffen bereit, was ich nachvollziehen kann. Es ist ein heikles Thema, basierend auf ihrer persönlichen Geschichte. Ich fühle mich immer verantwortlich für die Frauen, die ich darstelle.“ Über die Ehe von Roger und Beth sagt sie: „Menschen fühlen sich von Macht angezogen. Ich glaube, sie hatten eine liebevolle Beziehung und dass beide als Partner sehr hingebungsvoll waren. Was auch immer hinter verschlossenen Türen geschah, die Ehe blieb davon größtenteils unberührt. Sie führten ein Doppelleben.”
Im wahren Leben kam der Ailes-Skandal zwischen 2015 und 2016 ans Licht. Mehrere Frauen beschuldigten ihn wegen sexueller Belästigung, darunter Gretchen Carlson und Megyn Kelly, die damaligen Moderatorinnen bei Fox News. Miller beobachtete das Geschehen von zuhause aus. „Es war ein wesentlicher Bestandteil der MeToo- und „Time’s-Up“-Bewegungen“, sagt sie. „Jede Frau ist in ihrem Leben wohl oder übel schon mal mit sexueller Belästigung in Kontakt gekommen. Glücklicherweise habe ich diese Erfahrung in meiner Branche noch nicht machen müssen. Man hat mich angeschrien, ich wurde unterbezahlt, abgewertet und scheiße behandelt, aber ich wurde zum Glück noch nie in dieser Form angegriffen. Es fühlt sich richtig an, dass Frauen ihre Stimme erheben und sich für sich selbst und für andere Frauen stark machen.“
„Zum ersten Mal in meinem LEBEN erhielt ich für einen meiner Filme eine RIESENSUMME. Da habe ich verstanden, wie es sich als MANN anfühlen muss“
Wie viele andere Frauen in Hollywood hat Miller seit MeToo und „Time’s Up“ eine erhöhung der Gehälter feststellen können. „Zum ersten Mal in meinem Leben erhielt ich für einen meiner Filme eine Riesensumme“, sagt sie. „Da habe ich verstanden, wie es sich als Mann anfühlen muss. Nicht ganz genau, aber immerhin habe ich deutlich mehr verdient als je zuvor.“
Für ihre Karriere bedeutet das einen Durchbruch, sowohl was die Kritiken als auch ihr Gehalt betrifft. Für ihre Leistung in American Woman erhielt sie herausragend positive Kritiken. Miller spielt darin eine 32-jährige Frau, deren Teenager-Tochter, gespielt von Sky Ferreira, verschwunden ist. „Es ist der erste Film, in dem ich in jeder einzelnen Szene zu sehen bin. Bei so viel Präsenz hat man die Gelegenheit, sich ausgiebig mit der Rolle auseinanderzusetzen“, sagt Miller. „Der kreative Prozess und der bleibende Eindruck sind deutlich umfangreicher verglichen zu kleineren Rollen. Seit der Geburt meiner Tochter hatte ich im Grunde nur solche kleineren Rollen angenommen. “
In ihrem nächsten Film 21 Bridges spielt sie an der Seite von Chadwick Boseman eine Drogendetektivin in Brooklyn. Den Schauspieler aus dem Film Black Panther begrüßte sie beim ersten Treffen mit einem überschwänglichen ‚Halloooo, Chad!‘. Auch diese Rolle setzt ein Zeichen der Befreiung für die Schauspielerin. „Je älter ich werde, desto mehr verstehe ich, wie die Branche funktioniert. Sie ist nicht so kompliziert, wie ich einst dachte. Das hat vor allem damit zu tun, dass man sich aufgrund von Geschlechterrollen weniger benachteiligt fühlt. Als Künstlerin probiere ich mich gerne aus, um zu verstehen, was am besten funktioniert. Man fühlt sich bestärkt und stellt sich die Frage: ‚Warum zum Teufel sollte ich das eigentlich nicht tun? Warum nicht?‘“
„Je älter ich werde, desto mehr VERSTEHE ich, wie die Branche funktioniert. Man fühlt sich BESTÄRKT und fragt sich: ‚Warum zum Teufel sollte ich das eigentlich nicht tun? Warum NICHT?‘“
Im Alter von 37 Jahren hat sich Miller von der Frau in den Boulevardzeitungen der frühen 2000er-Jahre weiterentwickelt. Heute lebt sie mit ihrer 6-jährigen Tochter Marlowe in New York. Das Kind stammt aus einer früheren Beziehung mit dem Schauspieler Tom Sturridge, der ebenfalls hier lebt und gerade mit Jake Gyllenhaal in der Broadway-Theaterproduktion Sea Wall/A Life zu sehen ist. „Ich liebe es“, schwärmt sie von der Tatsache, die Tochter in New York großziehen zu können, nachdem sie im Jahr 2016 aus London in die amerikanische Metropole zog. „Es macht die Kinder belastbar und gibt ihnen eine große Portion Mut und Stärke. Man kann sie nie vor allem schützen, was auch gut so ist. Marlowe liebt England, immer wenn wir hier sind und wir die Parks ohne Zementböden, sondern mit schönem Gras und Holz sehen, fragt sie: ‚Warum leben wir nicht hier? Es macht absolut keinen Sinn. Alles ist so schön hier.‘ Aber vorerst ist es besser, hier zu wohnen. Wahrscheinlich ziehen wir irgendwann wieder zurück. Nicht nach London, ich möchte eher aufs Land.“
In New York kennt sie sich bestens aus. „Wir gehen viel ins Theater, zu Kunstausstellungen und mit dem Hund ganz früh morgens in den Central Park, damit er ohne Leine laufen kann.“ Die Aufmerksamkeit der Paparazzi sei weniger geworden, sagt sie. „Ich würde nicht behaupten, dass man mich verfolgt. Sie sind da. Es ist frustrierend. Sie wissen, dass ich mein Kind jeden Morgen zu einer bestimmten Zeit zur Schule bringe. Früher standen sie vielleicht direkt vor mir, heute verstecken sie sich hinter Mülltonnen auf der anderen Straßenseite. Bis zu einem gewissen Punkt kann ich es ignorieren. Andererseits will ich mich morgens in aller Früh auch nicht für Fotos schminken oder stylen müssen. Ich habe wirklich Respekt vor Frauen, die sich für den Schulalltag schick machen. Aber ich weigere mich, da mitzumachen. Deshalb gibt es in der Klatschpresse all diese schrecklichen Bilder von mir auf dem Weg zur Schule, mit Cornflakes vom Frühstück im Haar.“
Wie aus dem Nichts zieht die Schauspielerin eine E-Zigarette von Juul hervor, zieht heimlich daran und lässt den Rauch in ihren Handinnenflächen verschwinden. „Das haben Sie bitte nicht gesehen“, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln.
„Die Aufmerksamkeit der PAPARAZZI ist weniger geworden. Ich würde nicht behaupten, dass ich VERFOLGT werde. Sie sind da. Es ist frustrierend. Doch ich WEIGERE mich, deswegen Make-up und schicke Outfits zu tragen“
Da es sich um Sienna Miller handelt, reden wir auch über Mode. Ich zeige ihr meine blaue Leder-Clutch, die ich im Jahr 2007 bei Twenty8Twelve gekauft habe. Die Linie lancierte sie damals mit ihrer Schwester Savannah. „Stopp!“, sagt sie luftschnappend. „Oh mein Gott! Das ist eine wirklich gute Tasche, ich liebe sie. Das war dieser Reißverschluss-Moment, ich hatte eine Phase, in der ich alles mit Reißverschlüssen versehen wollte. Wow, das ruft einige tolle Erinnerungen zurück.“ Schwärmend fügt sie hinzu: „In meinen frühen Zwanzigern war ich kreativer und mutiger mit meiner Kleidung. Bevor ich die Kinder hatte, habe ich mehr ausprobiert. Heute fehlt mir die Zeit dazu. Außerdem hat meine Garderobe in New York City in etwa die Größe dieses Tischs. Ich weiß gar nicht, was ich besitze und gehe auch kaum noch shoppen. Ich habe meine Basics, großartige Vintage-Styles von Levi’s und schöne T-Shirts. Ich trage meistens Jeans, T-Shirts und Pullover. Ich recycle so viel wie möglich.“
„Heute bin ich nicht mehr cool“, fährt sie fort. „Neulich tanzte ich die Straße hinunter. Meine Tochter und ich warteten auf die U-Bahn und ich tat dies (sie demonstriert die Tanzbewegung). Früher fand Marlowe das lustig. Heute sagt sie: ‚Shhh!‘ Das war das erste Mal und ein regelrechter Stich ins Herz“, scherzt sie.
„In meinen Zwanzigern war ich kreativer und MUTIGER mit meinem Styling. Heute habe ich meine Kinder und mir fehlt die ZEIT dazu. Ich gehe kaum noch shoppen… und ich bin auch nicht mehr COOL“
Miller ist eine bekennende Gegnerin von Social Media. Im Juni 2017 erstellte sie ihren Instagram-Account, veröffentlichte ein Bild und hörte anschließend wieder auf. „Ich habe nicht einmal mehr die App“, sagt sie und zeiht ihr Handy aus der Tasche. „Die Vorstellung ist utopisch. Jeder soll mit jedem vernetzt sein, aber in Wahrheit werden die Menschen immer ängstlicher, deprimierter und fühlen sich weniger miteinander verbunden als je zuvor. Wenn ich die App hätte, würde ich jede Autofahrt, jede freie Minute dazu nutzen, alles Verpasste aufzuholen. Stattdessen bin ich alleine und setze mich mit meinen Gefühlen auseinander. Man muss bereit dazu sein, seine Welt und sein Leben zu teilen, indem man sich anderen Menschen gegenüber vollkommen öffnet. Ich kann das einfach nicht vollkommen unbefangen, ohne dabei jede Menge Angst zu haben.“ Sie hält inne, dann lächelt sie. „Sobald ich mit jemandem zusammen bin, der die App hat, schnappe ich mir deren Smartphone und scrolle los, was das Zeug hält.“
The Loudest Voice wird ab dem 30. Juni beim Kabelsender Showtime ausgestrahlt. Bislang ist kein deutscher Starttermin bekannt. American Woman erscheint im Oktober in Großbritannien. Bislang ist kein deutscher Starttermin bekannt.
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