Im Hier und Jetzt
mit
Natalie Portman

Nur wenige Kinderstars halten sich so lange im Scheinwerferlicht wie NATALIE PORTMAN, doch die selbstbewusste amerikanische Schauspielerin – und Wahlpariserin – besitzt ein außergewöhnliches Savoir-faire, welches sich in ihrer beeindruckenden 32-jährigen Hollywoodkarriere bewährt hat. Mit MONICA AINLEY spricht Portman über ihre Rolle in Guy Ritchies neuem Film Fountain of Youth, über das Erwachsenwerden im Rampenlicht, Diskretion und Selbstakzeptanz
Natalie Portman gehört zu den womöglich bekanntesten Hollywoodstars – doch als sie mir in einem kleinen Café im Süden von Paris in einem rosafarbenen Kaschmir-Rollkragenpullover gegenübersitzt, wird schnell deutlich, wie sehr sie sich in dieser Stadt wohlfühlt, die für sie und ihre Kinder inzwischen zur Heimat geworden ist. „Selbst wenn es kalt und grau ist, gibt es immer irgendeine tolle spannende Ausstellung oder ein Konzert oder eine Dinnerparty oder Autoren in der Stadt. Es passiert immer irgendetwas Faszinierendes und Aufregendes… und die häufigen Ferienzeiten sind sowas von ‚clutch‘“, schwärmt sie, wobei ihre Wortwahl verrät, dass sie in den 90er-Jahren in Long Island, New York, aufgewachsen ist.
Portman, die wie ich in die französische Hauptstadt gezogen ist, hält das Klischee der Pariser Unfreundlichkeit ebenfalls für einen Mythos. „Ich finde, die Menschen hier sind unglaublich freundlich. Man muss nur wissen, wie man mit ihnen umgeht, damit wir nicht diejenigen sind, die als unhöflich abgestempelt werden. Wenn ich jetzt in die USA reise, denke ich: Oh, ich würde in einen Laden gehen und nicht jeden dort grüßen? Total eigenartig.“
„Wir neigen dazu, alle westlichen Kulturen in einen Topf zu werfen – und dass sie dann durch die ganze POPKULTUR, die jeder KONSUMIERT, irgendwie zum EINHEITSBREI werden. Das stimmt nicht“
Die Schauspielerin schätzt es sehr, dass ihre beiden Kinder Aleph (13) und Amalia (8) in Paris aufwachsen und bewundert besonders die französische Haltung zur Kindererziehung. „Alle Kinder, die zu mir nach Hause kommen, sagen ‚Bonjour Madame‘ und geben mir la bise (Begrüßungsküsschen auf die Wangen). Und bevor sie gehen, sagen sie ‚Merci, dass ich hier sein durfte‘ – und wenn ich nicht in der Nähe bin, kommen sie zu mir, um sich persönlich zu verabschieden.“ Kulturelle Unterschiede, so Portman, seien nicht mit Unhöflichkeit gleichzusetzen. „Ich glaube, wir neigen dazu, alle westlichen Kulturen in einen Topf zu werfen – und dass sie dann durch die ganze Popkultur, die jeder konsumiert, irgendwie zum Einheitsbrei werden. Das stimmt nicht: Es ist hier sehr spezifisch, und die Kultur ist sowohl in ihren tiefen Wurzeln als auch an der Oberfläche sehr unterschiedlich.“
Die Oscar-, Bafta- und zweifache Golden-Globe-Preisträgerin (die außerdem einen Harvard-Abschluss in Psychologie besitzt und sechs Sprachen beherrscht) hat 32 ihrer 43 Lebensjahre als Schauspielerin verbracht, wobei ihre Rollen von einer intergalaktischen Königin bis hin zu Amerikas berühmtester First Lady reichen. Zuletzt verkörperte sie in Guy Ritchies abenteuerlichem Streifen Fountain of Youth die Rolle der Charlotte Purdue, der intellektuellen Schwester eines charmanten Kunstdiebs (gespielt von John Krasinski). Die Dreharbeiten hätten ihr großen Spaß bereitet, erzählt sie mir. „Das Skript ist wahnsinnig unterhaltsam und hat alles, was man braucht: Abenteuer! Humor! Mysterien!“ mit fantastischen Drehorten, darunter Bangkok, Wien und Kairo.
„Wissen Sie, ich hatte wirklich GLÜCK in meiner KARRIERE. Für mich war die Schauspielerei als Kind eine GROSSARTIGE Erfahrung und ich kann mich glücklich schätzen, dass ich keinerlei Schaden davongetragen habe“
„Wir durften bei den Pyramiden drehen, da wollte ich schon immer unbedingt mal hin. Außerdem habe ich mich in Wien verliebt. Ich bin verrückt nach Wiener Kunst und Design, und all die Schiele- und Klimt-Gemälde zu sehen… Es gibt etwa acht Museen voller Wiener Expressionismus!“, schwärmt sie, während sich ihre Augen vor Begeisterung weiten. Eines dieser Museen, die Österreichische Nationalbibliothek, diente Ritchie und der Schauspielcrew als Kulisse für einige hochkarätige Szenen. „Wir waren tatsächlich in der Bibliothek.“ Auch für die Kampfszenen? „Ja, ich hatte richtig Bammel!“
Die Rolle stellt einen deutlichen Kontrast zu Portmans jüngsten Projekten dar – dem düsteren Film May December (2023) sowie der TV-Serie Lady in the Lake (2024). Beide wurden von der Produktionsfirma MountainA realisiert, welche Portman 2021 gemeinsam mit ihrer Freundin, der in Paris lebenden Autorin und Produzentin Sophie Mas, gegründet hatte. In May December verkörpert Portman die fiktive Schauspielerin Elizabeth Berry, die sich auf die Verfilmung der Lebensgeschichte von Gracie Atherton-Yoo (Julianne Moore) vorbereitet. Während die Dreharbeiten reibungslos verliefen („Julie und ich hatten einen tollen, unkomplizierten Dreh; es ist einfach schön, wenn deine Helden genauso wundervoll sind, wie du sie dir vorgestellt hast“), wirft die Geschichte ein beunruhigendes Licht auf Beziehungen mit Altersunterschied sowie Berrys Vorgehensweise im Zuge der Vorbereitung auf die Rolle der Atherton-Yoo – einer Frau, die für ihre jahrzehntelange Liebesbeziehung mit Joe (Charles Melton) berüchtigt ist, die begann, als er 13 und sie 36 war.
Portmans Darstellung zeigt den Abstieg der Protagonistin von der neugierigen Schauspielerin zur manipulativen Drahtzieherin. Barry vertieft sich komplett in die Welt von Atherton-Yoo und lässt die Grenzen zwischen bloßer Beobachtung und Nachahmung zunehmend verschwimmen, bis sie Joe schließlich verführt – womit sie die ethischen Aspekte des Storytellings selbst in Frage stellt. Diese Art von Dilemma in der Filmkunst ist Portman nicht fremd: Als sie gerade einmal 13 Jahre alt war, löste ihre Rolle der Mathilda in Luc Bessons Léon – Der Profi (1994) eine anhaltende moralische Debatte aus. Der Film enthält Szenen, in denen Mathilda mit einem erwachsenen Auftragskiller (Jean Reno) flirtet. Kritiker warfen Besson vor, die Grenzen zwischen Kind und Erwachsenem auf unangemessene Weise zu verwischen, was wiederum Bedenken hinsichtlich der Zustimmungsfähigkeit von Kinderdarstellern und der Verantwortung von Regisseuren auslöste.
„Wissen Sie, ich hatte wirklich Glück in meiner Karriere. Für mich war die Schauspielerei als Kind eine großartige Erfahrung und ich kann mich sehr glücklich schätzen, dass ich keinerlei Schaden davongetragen habe“, meint Portman. „[Aber] so vielen Kindern geht es da anders. Und es gibt Aspekte, wenn man als Kind in der Öffentlichkeit steht und bekannt ist… die einen in gewisser Weise zu einem Erwachsenen machen. Man wird in den Augen der Leute zu einer Frau, wenn man auf der Leinwand zu sehen ist.“
„Wenn man als FRAU versucht, alles zu schaffen, ist man oft einfach nur müde und überfordert und hat keine ZEIT für sich selbst. Also muss man diese Zeit für sich einfordern – und sie sich auch selbst ZUGESTEHEN.“
Mit einem über drei Jahrzehnte währenden Erfahrungsschatz in Hollywood und der Tatsache, dass sie im Rampenlicht großgeworden ist, kann sich Portman ein gutes Bild davon machen, wie es heute im Vergleich dazu aussieht. Hat sie das Gefühl, dass sich viel verändert hat, insbesondere seit dem Beginn der „Me Too“-Bewegung? „Ja“, sagt sie kurz und seufzt, „es ändert sich, aber es ist ein Prozess… Wissen Sie, Dinge ändern sich nicht über Nacht, und es gibt Gegenwind, es gibt Rückschläge, alles Mögliche. Wenn überhaupt, dann zeigt uns das aktuelle politische Geschehen, dass Fortschritt nicht geradlinig passiert.“ In Anspielung auf meine persönliche Lieblingsrolle von Portman frage ich mich laut, was wohl Jackie Kennedy von der kürzlichen Veröffentlichung der Akten des Kennedy-Attentats durch die Trump-Regierung gehalten hätte. „Ha! Viel Lärm um nichts. Es ist einfach nur Chaos. Man wirft mit viel Unsinn um sich und verwirrt alle, und niemand weiß, wo er überhaupt hinschauen soll. Fast wie eine Art Lähmung durch Schwachsinn.“
Portman empfindet Paris als weit angenehmer, wenn man in der Öffentlichkeit steht. „Hier ist man sehr auf Privatsphäre bedacht. Ich glaube, das größte Kompliment ist ‚elle est très discrète‘ [‚sie ist sehr diskret‘].“ Dieser Sinn für Diskretion hält die Leute zweifellos davon ab, sie wie Rihanna im vergangenen Jahr vor einer Fashion-Show anzusprechen, als Portmans Scheidung von dem französischen Choreographen Benjamin Millepied für Schlagzeilen sorgte, und ihr kurzerhand mitzuteilen, dass sie „auf ewig eine der heißesten Frauen in Hollywood“ sei. Ich kann allerdings bestätigen, dass diese Meinung auch von den Einheimischen geteilt wird, die stolz darauf sind, dass sie hier auf französischem Boden zuhause ist.
Der Rihanna-Moment ging in den sozialen Medien viral und war, wie Portman später Jimmy Fallon erzählte, genau das, was sie in jenem Augenblick gebraucht hatte. Wir unterhalten uns darüber, wie sie zwischen Karriere und Mutterrolle das Gleichgewicht in ihrem Leben behält, und sie verrät mir die beiden Lebensweisheiten, die sie stets befolgt. „Meine Cousine und ich zitieren uns gegenseitig immer Ali Wong: ‚Ich will mich nicht anlehnen, ich will mich hinlegen!‘“, lacht sie. „Du musst dich hinlegen, du musst alles abwerfen, was du nicht tun musst, und dann etwas Schönes für dich tun. Ob das nun bedeutet, ein Nickerchen zu machen – im wahrsten Sinne des Wortes – oder was auch immer es sein mag. Wenn man als Frau versucht, alles zu schaffen, ist man oft einfach nur müde und überfordert und hat keine Zeit für sich selbst. Also muss man diese Zeit für sich einfordern – und sie sich auch selbst zugestehen.“
Als zweiten Tipp gibt sie mir auf den Weg, sich mit dem Gefühl der Imperfektion anzufreunden. „Wenn du dermaßen darauf versessen bist, eine perfekte Mutter, die perfekte Ehefrau, die perfekte Freundin oder perfekt in deinem Job zu sein, wirst du daran zugrunde gehen“, sagt sie. „Um eine erfolgreiche, glückliche Frau zu sein, die alles schafft, muss man vor allem gelassen damit umgehen können, dass man in allem irgendwie auch eine Niete ist.“ Bestärkt durch diese Aussage hole ich eine Liste mit schlagkräftigen, nicht belegten Zitaten hervor, welche Portman auf ihrer IMDB-Seite zugeschrieben werden. Einige davon bringen sie zum Lachen, an andere kann sie sich nicht erinnern. Hat sie wirklich gesagt: „Der Moment, in dem du denkst, dass du besser bist als alle anderen, ist der Moment, in dem du eine Ohrfeige brauchst?“ Sie hält inne. „Nun, dem kann ich zumindest nicht widersprechen.“
„Wenn ich GEFRAGT werde, wie es ist, ÄLTER zu werden, dann antworte ich einfach, dass es richtig COOL ist“
Wer Portmans schimpfwortgeladenen Rap aus der Comedyshow Saturday Night Live gesehen hat, weiß nur zu gut, dass die Schauspielerin in gleichem Maße albern und unbekümmert als auch seriös und clever ist. „Neulich war ich bei einem Osteopathen, der meinte, dass der Lieblingsfilm seines Bruders Your Highness sei“, lacht sie. „Falls du ihn dir ansiehst, mach dich auf was gefasst. Es ist eine Kifferkomödie, die im Mittelalter spielt.“ Sie ist ebenso begeistert, dass mein Mann ein riesiger Fan von No Strings Attached ist. „Das. Ist. Unglaublich. Ich meine, das ist das Schöne daran und auch die eigentliche Erkenntnis einer langen Karriere. Da sind Projekte, von denen man glaubt, dass sie niemand gesehen hat, und 15 Jahre später kommt dann jemand auf einen zu und erzählt, wie sehr sie ihn geprägt hätten.“
Beim Thema Älterwerden zeigt sie sich ebenso gelassen. „Wenn ich gefragt werde, wie es ist, älter zu werden, dann antworte ich einfach, dass es richtig cool ist.“ Diese positive Einstellung schreibt sie vor allem ihren langjährigen Freundschaften und der damit einhergehenden, gegenseitigen Fürsorge zu. „Das Beste am Älterwerden ist, dass man Freundschaften hat, die seit 20 oder 30 Jahren bestehen. Man ist füreinander da, man vertraut ihnen sein Leben an – und man weiß, wie man sich gegenseitig zum Lachen bringt, wie man einander in schwierigen Zeiten beisteht.“ Sie lächelt zufrieden. „Das ist das größte Glück.“