Coverstory

Frauen-Power

mit

Zara Larsson, Teddy Quinlivan, Sherrie Silver, Lauren Simmons & Noor Tagouri

Wegbereiter, Preisträger, Pioniere: Die Erfolge dieser fünf Incredible Girls rütteln Generation Z auf. Doch ihre Beharrlichkeit, ihr Mut und ihre Stärke lassen jede Frau in jedem Alter trotz aller Widrigkeiten aufhorchen und zuhören

Foto Tiffany NicholsonStyling Alison Edmond
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Bild oben, von links: Zara Larsson: Jacke von Amiri. Jeans von SLVRLAKE. Lauren Simmons: Cardigan von Calvin Klein 205W39NYC. Jacke von Isabel Marant Étoile. Shorts von 3X1. Noor Tagouri: Hemd und Hose von Ganni. Sherrie Silver: Jacke von 3X1. Kleid von Mugler. Teddy Quinlivan: Jacke von Balenciaga. Tanktop von Calvin Klein 205W39NYC. Shorts von Versace. Dieses Bild: Jumpsuit von Isabel Marant. Hemd von Victoria, Victoria Beckham. Boots von Rag & Bone. Ohrringe von Jennifer Fisher. Ohrringe von Loren Stewart.

NOOR TAGOURI

Noor Tagouri, 25, ist Journalistin und hat Dokumentationen, die Vorurteile infrage stellen, sowie Podcasts zu Themen wie Menschenhandel und Ungerechtigkeit gegenüber Menschen mit geistiger Behinderung produziert. Tagouri wurde in den Vereinigten Staaten geboren und ist dort aufgewachsen. Sie ist Muslimin mit lybischen Wurzeln und trägt seit ihrem 15. Lebensjahr ein Kopftuch. Ihr Talent, ihre Hartnäckigkeit und ihre Fähigkeit, über und für Randgruppen zu schreiben, haben sie zum Aktivismus und öffentlichen Reden bewegt. Sie ist nicht selten in den vordersten Reihen bei Modenschauen zu sichten und tritt in zahlreichen Kampagnen für Marken wie Glossier auf.

Beschreiben Sie sich selbst in einem Satz.

Mein Name ist Noor Tagouri und ich bin Journalistin, weshalb es mir schwerfällt, meine Person in einem Satz zu beschreiben.

Als Sie zehn Jahre alt waren, was wollten Sie da mit Ihrem Leben machen?

Ich lebe für das Erzählen von Geschichten. Es gibt Videos von mir im Alter von acht Jahren, in denen ich die Nachrichten nachstelle. Im Fernsehen waren alle blond und blauäugig, also färbte ich mir die Haare blond und trug farbige Kontaktlinsen. So wurde es mir vorgelebt, also dachte ich, das wäre die Norm. Ich habe mir immer geschworen, dass ich nie den Hijab tragen würde. Erst als ich 15 Jahre alt war und mich verloren fühlte und versuchte, mich selbst zu finden, griff ich auf das Kopftuch zurück. Meine Eltern sprachen mit mir nie über das Tragen des Hijabs. Sie wussten, dass ich zum Fernsehen wollte, und da hatten wir noch nie jemanden mit einem Kopftuch gesehen. Als ich es dann trug, sagten meine Eltern: ‚Du kannst das. Du wirst die Erste sein.‘ Ich möchte etwas erreichen und genügend Leute zusammentrommeln, sodass man sich in 10 Jahren beim Anblick einer Frau mit Kopftuch im Fernsehen nicht wundert, weil es normal ist.

Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie sich stellen?

Wenn man einer Minderheit angehört, wird dein Identifikationsfaktor immer vor deiner Arbeit gesehen. Dagegen kämpfe ich an. Die Leute sagen: ‚Oh, Noor ist die Journalistin mit Kopftuch‘, anstatt: ‚Oh, sie ist die Journalistin, die über Menschenhandel berichtet hat.‘ Früher dachte ich, dass ich bestimmte Jobs nicht annehmen könnte, denn man würde mich als Journalistin abstempeln, die nur von ihrer Kultur erzählt. Diese Denkweise fechte ich an. Man sollte mich wie alle anderen Journalisten auch behandeln. Und ich sollte in der Lage sein, über alles berichten zu können.

Welchen Druck verspüren Sie?

In der Öffentlichkeit zu stehen bedeutet einen gewissen Druck. Und durch die eigene Identität wird man zur Vertreterin für die gesamte Gemeinschaft. Das ist hart, denn es gibt fast vier Millionen Muslime in den Vereinigten Staaten, also gibt es auch vier Millionen Möglichkeiten, das auszuleben. Es ist einfacher, alle über einen Kamm zu scheren. Aber wenn man Geschichten erzählt – das muss nicht zwangsläufig als Journalistin sein –, erkennt man schnell, dass jeder unterschiedliche Erfahrungen sammelt und letztlich ein Individuum ist. Und genau so sollten wir alle Menschen sehen, als Individuen. Denn nur so können wir authentische Perspektiven erhalten und ein Verständnis für andere entwickeln.

Was hilft, wenn wir uns machtlos fühlen?

Als Mensch muss man sich nicht um das Wohlergehen der ganzen Welt kümmern. Man ist für die eigenen Aufgaben verantwortlich. Das Ziel ist, die eigenen Fähigkeiten und Talente so zu nutzen, dass man sich selbst damit heilen kann. Wer nicht weiß, wie man damit beginnt, oder sich fühlt, als könne man Dinge nicht in die Tat umsetzen, sollte die Menschen in seinem Umfeld fragen, wie man helfen kann. Leisten Sie gemeinnützige Arbeit, hören Sie zu und seien Sie einfach für Menschen, die eine schwierige Phase durchleben, da. Wir alle besitzen die Fähigkeit, für andere Menschen da zu sein. Und wenn Sie sich mental nicht dazu in der Lage fühlen, trägt Ihre Unterstützung zum persönlichen Heilungsprozess bei – man kann schließlich nur geben, wenn das eigene Glas voll ist.

Woher nehmen Sie die Motivation für das, was Sie tun?

Zu hundert Prozent von meinem Glauben. Er gründet auf der Vorstellung, für etwas Größeres bestimmt zu sein und einen Dienst zu leisten. Ich habe einen Sinn darin gefunden. Die Menschen denken oft, es geht dabei ums Beten oder Fasten oder welche Leistung auch immer, aber es geht vielmehr um die einfachen Dinge. Im Islam gibt es ein Sprichwort, demzufolge ‚Lächeln als eine Form der Nächstenliebe‘ gilt. Wenn Sie also kein Geld geben oder keine Zeit investieren können, zählt es auch, jemandem ein Lächeln zu schenken. Diese Glaubensüberzeugung hat mir so viel Erfüllung und Motivation gegeben. So kann ich jeden Tag in dem Wissen aufwachen, dass ich für etwas Größeres als mich selbst lebe.

Was möchten Sie in Ihrer Biografie in 20 Jahren lesen?

‚Noor Tagouri, zu Ihren Diensten.‘

Interview von Jennifer Dickinson

SHERRIE SILVER

Sherrie Silver, 24, ist Tänzerin, Choreografin und Schauspielerin. Sie wurde in Ruanda geboren, zog im Alter von fünf Jahren allerdings nach Großbritannien. Heute arbeitet sie mit Superstars wie Childish Gambino (sie gewann mehrere Auszeichnungen für ihre Arbeit mit ihm an This Is America) und Marken wie Nike zusammen. Der Tanz ist ihre Art, afrikanische Kulturen zu vermitteln. Silver fungiert auch als IFAD-Vertreterin der UN, einem Fonds, der junge Menschen in ärmeren Gemeinden im ländlichen Raum unterstützt. In diesem Bereich hat sie Erfahrung, immerhin hat sie eine Wohltätigkeitsorganisation namens Wall Rebuilders gegründet, die obdachlose Kinder mit einer dauerhaften Unterkunft sowie einer Krankenversicherung versorgt. Sie betreibt auch Ausbildungszentren, in denen Kinder Zugang zu Bildungs- sowie Zahn- und Hygienekontrollprogrammen erhalten.

Beschreiben Sie sich selbst in einem Satz.

Ich bin eine Schauspielerin, Kreativdirektorin, Choreografin und Philanthropin, kurzum ich bin eine Frau, die ihr Talent dazu nutzen möchte, Jugendliche weltweit zu inspirieren.

Als Sie zehn Jahre alt waren, was wollten Sie da mit Ihrem Leben machen?

Ich wollte schon immer auftreten. Ich fand es toll, wie sich die Leute freuen würden, mich tanzen zu sehen oder singen zu hören. Mein Traum war es auch, Chirurgin zu werden, aber nur für kurze Zeit. 2010 bekam ich eine Rolle in einem Film, woraufhin ich entschied, dass ich doch keine Chirurgin werden wollte.

Wie hat Sie das Leben in Ruanda und London beeinflusst?

Das Leben zu Hause [in Ruanda] hat mir gezeigt, wie man sich durchkämpft und innovativ ist, ohne faul zu sein. Sogar der Weg zum Brunnen ließ mich erkennen: Wenn ich nicht zum Brunnen gehe, gibt es kein Wasser, also steh auf und geh los. Wohingegen ich in England einfach den Wasserhahn aufdrehe. Natürlich gibt es Wasser in Afrika, aber ich spreche hier von meiner eigenen Erfahrung. Zum Flughafen fahren, arbeiten und dann alles wieder von vorne? Dafür bin ich wie gemacht. Man hat mich zu einer Macherin erzogen.

Was ist Ihre jetzige Mission?

Mit meinem Talent kann ich Geld verdienen und es dafür nutzen, die Leben anderer Menschen zu verändern. Dazu gehört die Abschließung einer Krankenversicherung, um ins Krankenhaus gehen zu können; obdachlose Kinder von der Straße zu holen und ihnen ein neues Zuhause zu ermöglichen; Frauen und Ex-Prostituierten ein neues Leben zu eröffnen, indem ich Nähkurse in meinem Workshop anbiete. Für diese Dinge lebe ich.

Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie sich gestellt haben?

Es gibt eine Menge. Menschen mit dunkler Hautfarbe sagt man in der Branche tatsächlich: ‚Du weißt, dass du deine Haut irgendwann aufhellen musst, oder?‘ Das motivierte mich dazu, mich als dunkelhäutige Person noch mehr hervorzuheben. Ich möchte die Dunkelhäutige sein, die anderen Mädchen mit dunkler Hautfarbe zeigen wird, dass sie sich nicht für andere Leute ändern oder gar bleichen müssen. Ich bin wirklich verliebt in mich selbst. Ich schaue in den Spiegel und bewundere meine Haut und meinen Körper.

Wie betritt man einen Raum voller Selbstbewusstsein?

Am Set ist es nicht ungewöhnlich, dass einige der besten Videografen und Top-Regisseure wesentlich älter und erfahrener sind man selbst. Sie schauen einen an, als würden sie denken: ‚Hm, dieser Youngster.‘ Ich muss also all mein Selbstbewusstsein zusammennehmen und meine Stimme richtig einsetzen, denn wenn man nervös ist, neigt man dazu, schüchtern und unscheinbar zu sein. Wenn ich [allerdings] von einer Idee überzeugt bin und denke, dass sie aus einem langweiligen Werbespot ein hippes und cooles Projekt macht, dann bringe ich sie aktiv vor. Ich war noch nie so eingeschüchtert wie vor Kurzem, als ich beim IFAD-Gipfel der Vereinten Nationen sprach. Alle Anwesenden waren älter. Da sitzt dann plötzlich der Papst und der Präsident der Dominikanischen Republik im Raum. Und bevor ich auf die Bühne ging, wurde mir geraten: ‚Lass dich nicht unterkriegen, wenn niemand lächelt. Erwarte keine Rückmeldung und lass dich von deren Energie nicht runterziehen.‘ Worauf ich entgegnete: ‚Oh nein, ich lasse mich von niemandem unterkriegen, denn ich bin stark.‘ Dann ging ich auf die Bühne und weckte die Leute auf. Einmal reagierten sie sogar mit einem ‚Whoooo!‘.

Was war der bisher eindrücklichste Moment in Ihrem Leben?

Einer war, als ich obdachlosen Kindern ein Heim kaufen konnte. Das wollte ich mein ganzes Leben lang tun. Der andere war, als ich bei den MTV Video Music Awards und bei der Grammy-Verleihung gewann. Ich war sprachlos. Ein schwarzafrikanisches Mädchen, das traditionellen afrikanische Tanz tanzt? Wie, ich habe gewonnen?!

Was möchten Sie in Ihrer Biografie in 20 Jahren lesen?

‚Die Oscar-prämierte Schauspielerin und Grammy-Gewinnerin Sherrie Silver …‘

Interview von Fedora Abu

Jacke und Hose von Versace. Tanktop von Re/Done. Sandalen von Tibi. Ohrringe von Laura Lombardi.
Zara: Jumpsuit von Current/Elliott. Sherrie: Jacke, Top und Shorts von Alaïa. Sandalen von Jimmy Choo.

ZARA LARSSON

Zara Larsson, 21, ist eine schwedische Sängerin und Songwriterin. Sie gewann 2008 die Fernseh-Talentshow Talang in ihrem Heimatland und brachte es so im Alter von zehn Jahren zu nationalem Ruhm. Seitdem hat sie zwei Alben veröffentlicht und mit Künstlern wie Clean Bandit und David Guetta zusammengearbeitet. Ein drittes Album soll im Frühjahr dieses Jahres erscheinen. Zara ist nun seit zehn Jahren im Showbiz und weiß, ihre Karriere in einer von Männern dominierten Branche zu ihren eigenen Bedingungen nach vorne zu treiben.

Beschreiben Sie sich selbst in einem Satz.

Mein Name ist Zara, ich bin Sängerin, Songwriterin, Künstlerin und ein sehr glücklicher Mensch.

Was möchten Sie in Ihrer Biografie in 20 Jahren lesen?

Hm – also, vielleicht ‚Künstlerin‘ oder ‚glücklich‘. ‚Glückliche Künstlerin‘.

Als Sie zehn Jahre alt waren, was wollten Sie da mit Ihrem Leben machen?

Genau das Gleiche, was ich jetzt mache. Solange ich zurückdenken kann, wollte ich singen.

Was war die größte Herausforderung, die Sie bewältigen mussten?

Man kann die Liebe eines Menschen nicht erzwingen. Das Gleiche gilt für einen Künstler, wissen Sie, wie ich meine? Ich möchte, dass den Leuten meine Musik gefällt. Ich mache sie ja schließlich nicht nur für mich selbst, sondern auch für sie. Wenn ich Musik nur für mich machen würde, gäbe es keinen Grund, sie zu vermarkten. Man sagt: ‚So köstlich die Erdbeere auch sein mag, manche Menschen mögen einfach keine Erdbeeren.‘ Ich kann mich nicht verstellen. Dankbarerweise bin ich mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt, dass das, was mir gefällt, die Musik, die mir zusagt, und wie ich als Person bin, für mich ausreichen.

Welchen Druck verspüren Sie?

Als Frau verspürt man grundsätzlich den Druck, bestimmte Voraussetzungen erfüllen zu müssen. Der Haar-Stylist [beim Fotoshooting für Porter Edit] fragte mich: ‚Wenn man, so wie Sie, auf der Straße erkannt wird, geht man dann jemals ohne Make-up raus?‘ Ja, das tue ich. Um ehrlich zu sein, machte mir seine Frage allerdings deutlich, wie unwohl ich mich fühlen würde, wenn man mich ungeschminkt fotografieren würde. Das liegt daran, dass ich mit meiner Haut unzufrieden bin und niemanden mit meinem Aussehen auf einem Foto enttäuschen möchte. [Aber] das macht meiner Meinung nach ein gutes Vorbild aus; Fehler zuzugeben und nicht mit einem Filter zu retuschieren. So möchte ich sein, aber gleichzeitig bin ich auch eine ganz normale Frau. Trotz meiner Vorbildfunktion für manche meiner Follower lasse ich mich von den Erwartungen an das Aussehen einer Frau und ihr Tun beeinflussen.

Hat man es als junge Frau in der Musikindustrie schwer?

Ich habe das Glück, ein tolles Team um mich herum zu haben. Ich fühle mich mit meinen Kollegen sehr wohl, sodass ich ohne Hemmungen sprechen kann. Wenn ich komponiere, achten mein Manager und ich immer darauf, dass mindestens ein anderes Mädchen im Raum ist. Es ist nämlich seltsam, wenn nur Männer mittleren Alters dabei sind, die sagen: ‚Also, lass uns ein nettes Lied über die Liebe von Teenagern schreiben.‘ Damit kann ich mich nicht identifizieren.

Welche Ihrer Kolleginnen inspiriert Sie am meisten?

Yara Shahidi fällt mir als Erstes ein – sie ist so cool! Zendaya ist supercool, aber auch Dua Lipa, Bebe und Rexha … Ich habe das Gefühl, dass wir alle viel mehr zusammenarbeiten und uns gegenseitig helfen, anstatt zu konkurrieren. Wir sind Kolleginnen, keine Konkurrentinnen.

Was möchten Sie in Ihrer Biografie in 20 Jahren lesen?

Hoffentlich steht da, dass ich immer noch meiner Leidenschaft nachgehe, aber auf der großen Bühne. Ich möchte mein eigenes Plattenlabel haben und würde gerne lernen, wie man produziert, damit ich wirklich die Kontrolle übernehmen kann.

Interview von Noor Tagouri

Jacke von Golden Goose. Kleid von Cédric Charlier.

LAUREN SIMMONS

Lauren Simmons, 24, wurde im März 2017 die jüngste und einzige hauptberufliche Brokerin an der New York Stock Exchange. Anfang des Jahres wechselte sie in den Private-Equity-Sektor, um künftig mehr Zeit für motivierende Gespräche zu haben. Im Januar gab die Schauspielerin Kiersey Clemons bekannt, dass sie eine Filmbiografie über das bisherige Leben von Simmons produzieren und darin selbst mitspielen wolle.

Beschreiben Sie sich selbst in einem Satz.

Ich bin eine Weltveränderin.

Erzählen Sie uns von Ihrem Job. Was Sie erreicht haben, ist eine erstaunliche Leistung, aber fühlen Sie sich einsam?

Ich habe die Börse verlassen und bin jetzt im Bereich Private Equity tätig. Aber ich war zwei Jahre lang dort und liebte es. Die Jungs auf dem Börsenparkett waren wie eine Familie; sie haben mich unterstützt. Ich weiß, dass die Finanzindustrie als sehr wettbewerbsfähig gilt, [aber] ehrlich gesagt waren andere Frauen die einzige Konkurrenz für mich. Ich hoffe, das ändert sich.

Wie können Frauen zu Verbündeten werden?

Indem sie sich gegenseitig unterstützen und einander Fragen stellen. Ich glaube nicht, dass wir die gleichen Anstrengungen erleben müssen, die andere Frauen vor uns durchgestanden haben, um zu Erfolg zu gelangen. Es gibt einfachere Wege, das zu erreichen. Weibliche Vorbilder können uns am besten unterstützen, denn nur jemand Gleichgeschlechtig kann wissen, wie es sich in einem von Männern dominierten Umfeld anfühlt. Männer werden zwar immer Unterstützung leisten, aber nur eine andere Frau kann deine weibliche Perspektive verstehen.

Warum ist der Weg zur Gleichberechtigung Ihrer Ansicht nach noch so lang?

Ich war in 228 Jahren die zweite afroamerikanische Frau [an der Börse] – 226 Jahre, wenn man ab dem Zeitpunkt geht, als ich das Buch unterschrieb –, allerdings tummelten sich in der gleichen Zeit hunderttausend weiße Männer auf dem Handelsparkett. Wenn man eine Minderheit repräsentiert oder eine Frau ist und nicht von dem Job weiß, weiß man auch nicht, dass man sich bewerben kann. Und umgekehrt gilt für die Männer in der Branche, wenn man keine Bewerber aus Minderheiten oder Frauen für den Job anwirbt, dann lebt jeder weiterhin in seiner eigenen glücklichen Blase, ohne dass sich je etwas an den Gegebenheiten ändern würde.

Was war die größte Herausforderung, die Sie bewältigen mussten?

Frauen möchten sich zwar gegenseitig unterstützen, aber ich kenne weiße Frauen, die sagen, ich sei nicht die zweite Afroamerikanerin an der Börse gewesen, sondern dass es vor mir zwei oder drei andere gegeben hätte. Ich schaue sie dann an und sage: ‚Ich bin die zweite, aber was diskutieren wir hier eigentlich? Mit Sicherheit nicht einstellige Zahlen.‘ Es gab bisher zehntausende weiße Frauen, hunderttausende weiße Männer an der Börse, und wir debattieren wirklich über eine dritte, vierte oder fünfte Afroamerikanerin? Wissen Sie, was das eigentlich bedeutet? Merken Sie, in welche Richtung das geht?

Wie gehen Sie mit dieser Art von Kleinlichkeit um?

Man darf nie den Kopf verlieren. Ich habe die Namen recherchiert und es gibt neben mir nur eine andere Afroamerikanerin, nicht mehr. Aber die Botschaft ist ja nicht, dass man die zweite ist, sondern, dass sich Frauen der Norm widersetzen und in einem von Männern dominierten Umfeld beweisen und finanziell versiert sind.

Welchen Druck verspüren Sie?

Imposter-Syndrom. Sie wissen schon, dieser „Lauren“ gerecht werden zu müssen, die Geschichte geschrieben hat und zu der Leute aufblicken.

Kiersey Clemons produziert und spielt in einem Film über Ihre Geschichte. Wie fühlt sich das an?

Manchmal passieren Dinge und man fragt sich, ob das wirklich echt ist. Ich weiß nicht einmal, ob ich mir den Film anschauen kann. Ein paar Studios haben sich bei mir gemeldet, aber Kiersey sagte mir persönlich, dass sie mich spielten wollte. Und ich habe sie letztlich einem Studio vorgezogen. Sie wollte, dass die Geschichte meinem Leben so weit wie möglich entspricht; erstaunlicherweise ist sie mir als Person sehr ähnlich.

Woher kommt die Motivation für Ihre Tätigkeit?

Dahinter stecken definitiv meine Mutter und mein Bruder. Mein Zwillingsbruder leidet unter Zerebralparese und ist sehr extrovertiert. Menschen mit Behinderungen bekommen im Schulleben nicht die gleiche Unterstützung. Das Leben kann also viel anstrengender sein. Während ich zum College ging, hatte er nie die Möglichkeit dazu. Da wusste ich, dass ich mehr für meinen Bruder tun wollte. Er hat seine Behinderung nie als Entschuldigung für irgendetwas benutzt. Und so wollte ich mir als fähiger Mensch keine Ausrede suchen, denn wenn mein Bruder an meiner Stelle wäre, würde er sicher 150 Mal mehr geben als ich.

Wie stellen Sie sich die Zukunft vor?

Als CEO meines eigenen Unternehmens. Wahrscheinlich habe ich meinen eigenen Hedgefonds. Aber ich bin auch Teil der Millennial-Generation, deshalb … keine Ahnung, vielleicht bleib ich gar nicht im Finanzbereich, vielleicht gehe ich in die Politik. Wer weiß?

Interview von Noor Tagouri

Cardigan von Alanui. Kleid von GRLFRND. Ohrringe von Loren Stewart.
L-R: Zara: Jacke von Amiri. Jeans von SLVRLAKE. Sandalen von Miu Miu. Lauren: Cardigan von Calvin Klein 205W39NYC. Jacke von Isabel Marant Étoile. Shorts von 3X1. Sandalen von The Row. Noor: Hemd und Hose von Ganni. Sandalen von The Row. Sherrie: Jacke von 3X1. Kleid von Mugler. Sandalen von The Row. Teddy: Jacke von Balenciaga. Tanktop von Calvin Klein 205W39NYC. Shorts von Versace. Sandalen von 3.1 Phillip Lim.
Pullover von Preen by Thornton Bregazzi. Jumpsuit von Stella McCartney. Sandalen von 3.1 Phillip Lim.

TEDDY QUINLIVAN

Teddy Quinlivan, 24, stammt aus Boston in den USA und arbeitet als Model in der Modebranche. Sie lief auf dem Laufsteg für Labels wie Louis Vuitton, Gucci und Dries Van Noten. Quinlivian lebt derzeit in Paris und enthüllte im September 2017, dass sie Transgender ist. Sie erklärte, dass sie ihre Geschichte nicht länger geheim halten könne, wenn die Freiheit von Transgender-Menschen angegriffen würde. Seitdem hat sie die Modebranche durch ihre bloße Existenz und ihren anhaltenden Erfolg bewegt und inspiriert.

Beschreiben Sie sich selbst in einem Satz.

Eine echte Bitch!

Welches Wort ist Ihnen in diesem Zusammenhang am wichtigsten?

‚Echt‘. Ich glaube, mir ist es wichtig, dass ich mein Leben so authentisch und ehrlich wie möglich gestalte. Einen Großteil meiner Jungend habe ich damit verbracht, dem Ideal anderer gerecht zu werden. Mein öffentliches Outing als Transgender [im Jahr 2017] sah ich als die perfekte Chance, um für den Rest meines Lebens absolut offen und ehrlich zu sein, was meine Gefühle betrifft beziehungsweise darüber, wie man mich behandelt oder misshandelt.

Als Sie zehn Jahre alt waren, was wollten Sie da mit Ihrem Leben machen?

Ich wollte Spionin werden. Auf diese Weise könnte ich meinen echten Charakter durch verschiedene Identitäten ausleben. Als Transgender konnte ich nicht ich selbst sein. Deshalb fand ich es spannend, in verschiedene Rollen zu schlüpfen und als Spionin Persönlichkeiten inkognito anzunehmen.

Was würden Sie Ihrem zehnjährigen Ich sagen?

Als ich jünger war, verstand ich [das Transgender Sein] als eine Wahl. Mit zunehmendem Alter entwickelte ich jedoch einen persönlichen Stolz. Ich bin Teddy Quinlivan. Ich bin Model. Ich bin Aktivistin und auch Transgender. Als ich endlich die Tatsache akzeptierte, dass ich daran nichts ändern konnte, fragte ich mich, wieso ich diesen Zustand so sehr hasste und warum ich ihn nicht einfach ausleben konnte? Bis ich dann feststellte, dass nicht ich das Problem war, sondern die Einstellungen der anderen Menschen gegenüber Transsexuellen. Dann war es mir egal und ich entschied, ich selbst zu sein und nach meiner eigenen Fasson zu leben. Ich fühle mich gut, seitdem ich mich nicht mehr darauf fokussiere, ob andere mich mögen.

Was war die größte Herausforderung, die Sie bewältigt haben?

Zu verstehen, dass es Momente gibt, in denen manche Menschen nicht mehr für einen da sind. Als ich mit meiner sexuellen Nötigung an die Öffentlichkeit trat [im April 2018 veröffentlichte Quinlivan einen Enthüllungsbrief auf Instagram über die Belästigungen und Übergriffe, die sie während ihrer Karriere erlitten hatte], unternahm niemand etwas. Nicht einmal die Menschen, von denen ich sicher dachte, dass sie nur mein Bestes im Sinn hätten, wie zum Beispiel meine Agentur. Sie haben mir nie Lösungen vorgeschlagen oder in angemessener Weise etwas dagegen unternommen. Zu erkennen, dass sie nicht nur bewusst nichts taten, sondern mir auch die Hilfe verweigerten, war sicherlich die größte Herausforderung, die ich bewältigen musste.

Jetzt, mit 24 Jahren, lerne ich echte Lebenslektionen. Dazu gehört, wie ich mich bei der Arbeit richtig verhalte und, wenn nötig und angemessen, selbst behaupte. Wenn man so offen wie ich über Dinge spricht, selbst wirklich wichtige Themen, dann muss man auch dazu bereit sein, die Folgen dessen zu akzeptieren. Es kann nämlich sein, dass nicht alle Leute deine Meinung teilen.

Als ich [über die sexuelle Nötigung] öffentlich mit der Sprache rausrückte, tat ich das, weil ich mich allen zukünftigen Models gegenüber verpflichtet fühlte. Ich wollte ihnen sagen, dass es nicht okay ist. Wir als Branche müssen dafür sorgen, dass etwas dagegen unternommen wird. Mein Drang, diesen schrecklichen Machtmissbrauch stoppen zu müssen, ist nicht auf große Zustimmung gestoßen. Ich denke, viele Leute sind sich einig, dass etwas getan werden sollte, aber niemand ist bereit, Maßnahmen zu ergreifen. Ich war dazu bereit, aber ich litt unter den Auswirkungen des echten Lebens. Man entschied sich also, deswegen nicht mehr mit mir zu arbeiten. Die Leute dachten, ich lüge und dass ich zu kontrovers sei. Die Frage nach Gerechtigkeit ist wohl nie leicht zu beantworten …

Was möchten Sie in Ihrer Biografie in 20 Jahren lesen?

Dass ich ein ehrlicher Mensch bin. Dass ich für das, was richtig und was gerecht ist, gekämpft habe.

Interview von Noor Tagouri

Noor: Kleid von Calvin Klein 205W39NYC. Body von Helmut Lang. Ohrringe von Jennifer Fisher. Teddy: Kleid von Ellery. Jeans von Frame. Lauren: Jacke von GRLFRND. Playsuit von Stella McCartney.

FÜNF STERNE

Drücken Sie auf Play, werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen und sehen Sie sich exklusive Aufnahmen unseres Shootings an, mit Zara Larsson, Teddy Quinlivan, Sherrie Silver, Lauren Simmons und Noor Tagouri.

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