Studio 54 & Andy Warhol: 2 Ausstellungen zelebireren den der Glanz der 70er
Die Eröffnung zweier bedeutender Ausstellungen rund um Andy Warhol und Studio 54 in Museen auf unterschiedlichen Seiten des Atlantiks ist der Beweis, dass die goldenen Zeiten und Partynächte der 70er noch lange nicht vergessen sind, schreibt LAURA NEILSON
„In der Zukunft wird jeder 15 Minuten weltberühmt sein.“ So das berühmte Zitat von Andy Warhol, das erstmals 1968 abgedruckt wurde. Seither hat dieser Ausspruch zahlreiche Ausführungen, Kürzungen und minimale Änderungen im Wortlaut gesehen, die Bedeutung jedoch ist geblieben. Wenngleich die 15 Minuten im Vergleich zu Warhols Lebenswerk und andauernder Berühmtheit wohl eher geringfügig einzuschätzen sind.
In diesem Monat eröffnet in der Londoner Tate Modern die Ausstellung „Andy Warhol“, eine Retrospektive mit einigen der bekanntesten Bilder und Siebdrucke des Pop-Art-Superstars (darunter Campbell’s Soup Cans und Marilyn Monroe) neben vielen nie zuvor in Großbritannien ausgestellten Werken. Zur gleichen Zeit transportiert uns auch das Brooklyn Museum zurück in die Zeit von Warhol, genauer gesagt in die schillernden Zeiten von Studio 54, wo Warhol regelmäßig zu Gast war. Anhand von Fotografien, Filmen und Fashion beleuchtet die Ausstellung „Studio 54: Night Magic“ die Geschichte des legendären New Yorker Nachtclubs und dessen bleibenden Einfluss auf die Clubkultur, Mode und Design.
Das Timing dieser beiden bedeutenden Ausstellungen ist mehr als nur Zufall. Ob in der Popkultur, Kunst, Design oder auf dem Runway, unsere kollektive Nostalgie für die glamourösen, schillernden und partygezeichneten 70er Jahre scheint neuerdings keine Grenzen mehr zu kennen. Was aber ist es an dieser Ära, das uns heute noch so in den Bann zieht?
„In der Zukunft wird jeder 15 Minuten weltberühmt sein
“Andy Warhol, 1968
In vielerlei Hinsicht sind die 70er wirklich und wahrhaftig zurück. Amerika steht eine wichtige Wahl bevor, Großbritannien beschäftigt sich mit Brexit… Wir befinden uns in Zeiten soziopolitischer Aufruhr, Zeiten, die verdächtig an die Unruhen des besagten vergangenen Jahrzehnts erinnert. Alleine die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Frauenbewegung und Themen wie reproduktive Rechte bis hin zu #MeToo relevanter und dringlicher sind als je zuvor, ganz zu schweigen von mehr Rechten für die LGBT+-Community. In Zeiten der Ungewissheit tendieren Menschen dazu, sich dem Vertrauten zuzuwenden, so fragwürdig es auch sein mag. Es mag ein Trost sein, dass die Vergangenheit auch gezeigt hat, dass selbst diese Zeiten vorrübergehen.
„Sowohl Warhol als auch Studio 54 waren maßgebliche Symbole ihrer Zeit, sie waren gleichbedeutend mit einem Meer an Möglichkeiten
“
Sowohl Warhol als auch Studio 54 waren maßgebliche Symbole ihrer Zeit, sie waren gleichbedeutend mit einem Meer an Möglichkeiten, mit Träumen und Ambitionen, ganz gleich wie imaginär und unerreichbar. Warhol war der Inbegriff des amerikanischen Traums, der Vorstellung, dass ein Sohn von Einwanderern der Arbeiterklasse ein unverfrorener homosexueller Outsider sein konnte, der nicht nur ein Publikum finden, sondern auch durch seine Kunst und sein Auftreten Berühmtheit erlangen konnte (ganz dem Song „Le freak! C’est chic!”). In der Tate Modern ebenfalls zu sehen sind über zwei Dutzend Werke aus Warhols „Ladies and Gentlemen“-Reihe, eine Porträtsammlung schwarzer und Latinx-Dragqueens und Transfrauen. Selbst in den sonst so liberalen 70ern galten die provokativen Bilder aufgrund ihrer Randgruppen-Darstellung als progressiv. Die Anerkennung der Drag- und Transcommunity ist heute eine andere und doch dienen Warhols Werke im Kontext der Vergangenheit und Gegenwart gesehen als ernüchternde Erinnerung, dass die Inklusion aller Teilnehmer der Gesellschaft auch weiterhin ein relevantes und dringendes Anliegen ist.
Studio 54 derweil stand für fieberhafte Realitätsfluchen und Hedonismus ohne Ende. Hier ging es darum, das Leben zu spüren und den Lasten des Alltags auf möglichst glamouröse Weise zu entkommen. Der Nachtclub, der sich in einem mehrstöckigen ehemaligen Opernhaus befand, wurde durch sein berühmt-berüchtigtes Klientel und die wilden Partys so legendär, dass hinter der samtenen Kordel Scharen an Fans darauf hofften, ebenfalls hineingelassen zu werden, um auch etwas vom magischen Partykuchen abzubekommen, wenn auch nur für eine Nacht. Wie in der Ausstellung im Brooklyn Museum treffend impliziert wird, verweist „Night Magic“ auf die Träumerei, dass bis zum Anbruch des nächsten Tages alles möglich war.
Für viele mögen die beiden Ausstellungen die Sehnsucht nach einer Zeit befriedigen, die sie selbst nicht oder zumindest nicht aus erster Hand erlebt haben. Studio 54 war unter den ursprünglichen Eigentümern Ian Schrager und Steve Rubell nur drei Jahre in Betrieb. Eine kurze Zeit, doch die Legenden jener langen Nächte leben weiter. Und dann ist da die Sehnsucht nach einer Zeit, die nach uns kommt, manch einem als Anemoia bekannt. Wer noch zu jung ist, um die 70er erlebt zu haben, sich aber trotzdem nach einer rosigeren, erdachten Version jener Zeit sehnt, den können diese Ausstellungen zumindest ein klein weniger näher an den erträumten Glamour bringen, völlig ohne samtenes Absperrband.