Coverstory

Pretty Powerful

mit

Yara Shahidi

YARA SHAHIDI ist eine schöne, talentierte Schauspielerin. Sie ist auch eine engagierte Aktivistin, eine Geschichtsliebhaberin und unterstützt Jugendliche dabei, deren Zukunft zu gestalten. ELAINE WELTEROTH, die dynamische, ehemalige Redakteurin von Teen Vogue, gehört ebenfalls zu ihren Mentorinnen und sprach mit ihr über Freundschaft, Fashion und klare Intentionen.

Foto Yelena YemchukStyling Tracy Taylor
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Bild oben: Pullover und Hose von Kith x Champion. Sandalen von Christian Louboutin. Ohrringe von J.W.Anderson. Dieses Bild: Jacke, Shorts, Ohrringe und Armband von Versace. Top von Carven.

Ich erinnere mich nicht an meinen 18. Geburtstag. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass zur Wahl zu gehen das letzte war, woran ich in diesem Alter dachte. Die Schauspielerin und Aktivistin Yara Shahidi hingegen plant ihren Einzug in das Erwachsenenalter mit einer Wähler-Registrierungsparty im lebhaften Kulturzentrum Underground Museum in Los Angeles. Und das ist nicht alles, was auf dem Terminkalender des aufsteigenden Stars steht. Es ist 10 Uhr am Vorabend ihres 18. Geburtstages und Shahidi ist in einem wichtigen Telefonat und geht im New Yorker Baccarat Hotel Restaurant auf und ab. „Tut mir leid, ich habe gerade die letzten Details mit dem Produzenten besprochen“, flüstert sie, während sie mich in ihrer herzlichen Art umarmt. „Ich bin heute Abend bei der Late Show mit Stephen Colbert.“ Gestern stand die Ikone auf der Bühne des Apollo Theaters und schrieb Geschichte als jüngste Person, die jemals von Oprah interviewt wurde, für die Serie SuperSoul Sunday. Dies ist eine Ehre, die normalerweise nur den Weltführern und spirituellen Gurus vorbehalten ist, wie Joe Biden, Sheryl Sandberg und Deepak Chopra.

Vielleicht ist dies nicht völlig überraschend für ein Mädchen, das Michelle Obama dazu gebracht hat, ihr einen Zulassungsbrief für die Universität Harvard zu schreiben. Oder deren Leistung als älteste Tochter, Zoey Johnson, in ABCs Hit-Serie Black-ish jüngst dazu inspirierte, einen erfolgreichen Spin-Off der Serie namens Grown-ish zu produzieren. Die Serie beschäftigt sich unmissverständlich mit den Problemen, mit denen Kinder im Collegealter konfrontiert sind: Drogen, Dating, Sexualität, Rassismus, Geschlechtsidentität und Freundschaften in einer digitalen Welt.

„Ich freue mich darauf, mich MACHTVOLLER zu fühlen und etwas BEWIRKEN zu können. Meine Freunde haben immer gewitzelt, dass wenn ich einen gefälschten Ausweis hätte, dann würde ich diesen nutzen, um früher WÄHLEN gehen zu können.“

Shahidi ist jedoch viel mehr als nur ein TV-Starlet. Sie ist eine Aktivistin, eine Vordenkerin und verkörpert eine wichtige politische Stimme für ihre Generation. Sie nutzt ihre Plattform, um Mädchen in MINT-Fächern (Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Technik) zu fördern und legt ihnen in ihrer neu gegründeten „Eighteenx18“ -Initiative die Wichtigkeit des Wählens ans Herz. Und ist dazu auch auf dem roten Teppich schlichtweg atemberaubend.

Heute erscheint sie komplett ohne Make-up und trägt einen grauen Hoodie mit den Worten „You Matter“ (dt. „Du zählst“) auf der Brust. Die Schauspielerin, ihr Publizist und ihre Mutter, Keri (auf Instagram liebevoll @chocolatemommyluv genannt), sind leicht zu erkennen in dem Hotel in Midtown, das hauptsächlich von älteren, weißen, konservativ gekleideten Gästen besucht wird. Shahidis Truppe erscheint mit natürlich gelocktem Haar in schlichter Athleisure-Wear. Es ist sofort klar, dass dieser Teenager von einer ganzen Gruppe unterstützender starker Frauen umgeben ist, die sie ermutigen, sie selbst zu sein.

Jacke und Jeans von Push Button. Sandalen von Christian Louboutin. Ohrringe von Simone Rocha.

Elaine Welteroth: Wie fühlst du dich in diesen letzten Momenten deines 17. Lebensjahres? Du bist fast ein Erwachsener. Grown-ish…

Yara Shahidi: Es ist irgendwie unheimlich. 17 war mehr als gut für mich. Es ist das perfekte Alter, weil du die vollen Vorteile eines Teenagerdaseins genießt, ohne erwachsen zu sein. Aber die eine Sache, auf die ich mich freue ist, mich machtvoller zu fühlen, um etwas bewirken zu können. Meine Freunde haben immer gewitzelt, dass wenn ich einen gefälschten Ausweis bekäme, dann würde ich diesen nutzen, um früher wählen gehen zu können.

„Viele haben ANGST davor, dass Schauspieler sich politisch engagieren, als ob wir dazu keine BERECHTIGUNG hätten, obwohl ich denke, dass Medien immer von NATUR aus so politisch waren.“

Welteroth: Als wir uns das letzte Mal für das Coverstar-Interview der Teen Vogue trafen, warst du 16 und wir bereiteten uns auf unsere erste weibliche Präsidentin vor. Seitdem hat sich viel verändert.

Shahidi: Ich finde es seltsamerweise auch aufregend, weil ich nicht glaube, dass ich mich so sehr darauf freuen würde, zu wählen, wenn nicht so viel in der Zwischenzeit passiert wäre. Es geht im Leben nun weniger um das Individuum – die Gemeinschaft spielt eine größere Rolle. Und ich meine, das hat sich bei mir in einer Phase abgespielt, in der du versuchst, deine Gruppe an Freunden zu finden, in der du erkundest, wer du bist. So viele Menschen trafen eine Vereinbarung einander mit allem zu helfen, egal was passiert. Normalerweise gründet man keine Freundschaftsgruppe nach diesen Kriterien: „Hast du soziales Verantwortungsbewusstsein? Cool, großartig. Dann sind wir jetzt Freunde.“ Das ist wirklich etwas Besonderes.

Welteroth: Viele sehen dich auf deiner Plattform viel mehr als Vordenker, als nur als Star. Es scheint, dass du wirklich diesen Weg der Verantwortung gehen möchtest.

Shahidi: Ich erinnere mich, dass ich im Weißen Haus war und jemand fragte mich, was ich machen wollte. Ich sagte, dass ich eine Vordenkerin sein wollte und sie kicherte nur und sagte: „Du brauchst dafür eine Qualifikation.“ Es war wirklich abschreckend. Ich wurde immer so stark unterstützt. Ich komme aus dem Land, in dem es immer „natürlich“ heißt. Wie, natürlich wird das passieren, weil wenn wir den Willen dafür haben und wir unsere Arbeit machen, dann werden wir es ermöglichen.

Pullover von Tibi. Jeans von Prada. Pumps von Balenciaga. Ohrringe und Armband von Versace. Kette von Balmain.
Jacke und Ohrringe von Versace. Pullover von Carven.

„Wenn wir auf diesem roten Teppich stehen, WORÜBER werden wir reden? Wir werden sicherlich nicht einfach die Tatsache ignorieren, dass es UNRUHEN gibt und eine KKK-Kundgebung stattfindet.“

Welteroth: Was hast du dadurch gelernt, am Set von Black-ish aufzuwachsen?

Shahidi: Es ist ein verrückter Ort, um erwachsen zu werden, weil sie auf der einen Seite schätzen, dass du ein Kind bist, und dann gibt es Momente, in denen sie deine Meinung wie von einem gleichaltrigen Kollegen erfragen. Ich wurde immer gefragt, wie ich mich fühlte, sei es beim Abendessen oder bei der Arbeit, aber am meisten hat mir Black-ish gezeigt, welche Kraft darin liegt, sich für Projekte einzusetzen, an die man wirklich glaubt. Es ist ein Präzedenzfall. Es ist ein Privileg schon von Anfang an zu machen, was man gerne macht und dass sich so viele Möglichkeiten ergeben.

Welteroth: Warum glaubst du, ist das passiert?

Shahidi: Es entspringt meiner ursprünglichen Absichten. Schon mit sieben Jahren nannte ich meine Firma „Dharma Driven“.

Welteroth: Was bedeutet das?

Shahidi: Dharma ist ein Hindi-Wort und es bedeutet „Aufgabe“ oder „Zweck“ und dieser wird dir im Laufe der Zeit offenbart. Ich denke, das war der Auslöser. Ich erinnere mich sogar daran, wie ich mich mit 14 fragte: „Warum bin ich hier? Ich verstehe es nicht.“ Ich denke insgesamt an das Vermächtnis. Ein Vermächtnis hält 50 Jahre an und wenn diese Generation endet, was wäre dann meine Bedeutung? Ich glaube, ich verdanke diese Gedanken alle der dystopischen Literatur, die ich zu der Zeit gelesen habe. Schöne neue Welt und Fahrenheit 451 haben nicht gerade geholfen! Aber ich versuche nur, meine unterschiedlichen Interessen auf einen Nenner zu bringen. Ich wollte Historikerin werden und dann ein Vordenker und dann wollte ich in die Forschung gehen und inmitten dessen wollte ich ein professioneller Jet-Ski-Fahrer werden und noch für das FBI arbeiten. Früher hatte ich immer eine Most-Wanted-Liste des FBIs bei mir, nur für den Fall, dass ich eine Person davon auf der Straße erkennen würde.

Welteroth: Ein Spion! Wie würdest du jetzt deine Karriereabsichten beschreiben?

Shahidi: Ich denke, ich fange mal mit der Tatsache an, dass Hollywood extrem trivial erscheint. Medien an sich sind wichtig, aber die ganze Maschinerie rund um die Medien konzentriert sich nur auf rote Teppiche und diese Vorstellung von Berühmtheit. All diese Dinge haben auf lange Sicht keinen großen Einfluss.

Welteroth: Und sie sind dir nicht sehr wichtig?

Shahidi: Ich meine, es ist so, als ob das Universum Preisverleihungen zeitgleich mit großen gesellschaftlichen Krisen plant. Ich erinnere mich, dass ich bei den Teen Choice Awards war während Charlottesville passierte die Kundgebungen, bei denen ein Anti-Rassismus-Demonstrant überfahren wurde. Es ist der Widerspruch zwischen „die Welt bricht zusammen“ und „Ich bin hier und alles läuft großartig“.

Jacket and skirt Off-White; socks Balenciaga; pumps Tom Ford
T-Shirt, Tasche und Armband von Versace. Jeans von Goldsign. Pumps von Balenciaga.

Welteroth: Wie gehst du mit dieser Dualität um?

Shahidi: Nun, es stellt sich die Frage was wir außerhalb von Black-ish tun können, das uns einen Sinn gibt? Wenn wir auf diesem roten Teppich stehen, worüber werden wir reden? Wir werden sicherlich nicht einfach die Tatsache ignorieren, dass es Unruhen gibt und eine KKK-Kundgebung stattfindet. Und allein die Tatsache mit einem Team zusammenzuarbeiten, das das unterstützt ist etwas Besonderes. Viele haben Angst davor, dass Schauspieler sich politisch engagieren, als ob wir dazu keine Berechtigung hätten, obwohl ich denke, dass Medien immer von Natur aus so politisch waren. Wenn du Fotos von Martin Luther King Jr. betrachtest sind dort selbst bei dem Marsch nach Washington auch Sidney Poitier, Harry Belafonte, James Baldwin und all diese anderen Kreativen zu sehen. Ich denke, dass Medien sowohl progressiv als auch extrem orthodox und konservativ sind. Veränderungen finden erst in Filmen statt, bevor sie das wirkliche Leben erreichen. Als Sidney Poitier als Schwarzer einen Oscar gewann, war das einfach surreal und symbolisierte gleichzeitig eine Vorwärtsbewegung in der Gesellschaft.

Jacke von Balmain. Jeans von Goldsign. Pumps von Christian Louboutin. Taschen von The Volon.

„MODE ist mit einer IDEOLOGIE verbunden. Du könntest eine Baskenmütze tragen, aber wenn du sie seitlich platzierst, avanciert dein Look ganz schnell von Pariser Chic zu einem „Black PANTHER“-Statement-Style.“

Pullover von Hellessy. Ohrringe von Versace. Scrunchie von Balenciaga.

Welteroth: Du scheinst so in der Geschichte verwurzelt zu sein. Du kommst bei James Baldwin ins Schwärmen wie Teenager sich für eine Boyband begeistern. In welcher Hinsicht ist Geschichte relevant für das, was heute passiert?

Shahidi: Ich denke, für mich gibt es wirklich einen Zusammenhang: Die Gegenwart und die Zukunft sind so unsicher, doch durch die Geschichte werden uns immer die Konsequenzen unserer Fehler vor Augen geführt – sei es die Französische Revolution oder etwas so kraftvolles wie die Haitianische Revolution, oder sogar darüber nachzudenken in einem System der Jim-Crow-Gesetze zu leben. Aber auch in Bezug auf positivere Aspekte: Wenn ich Aktivisten sehe, die ich bewundere, fühle ich mich weniger einsam. In der Lage zu sein, sich der Vergangenheit zuzuwenden und zu sehen, was Leute getan haben, hilft zu erkennen, in welchen Parallelen die Zeit verläuft.

Welteroth: Du wurdest gerade von Oprah interviewt und musst mir alles erzählen! Welche Frage stellte sie dir als Erstes?

Shahidi: Es war eine allgemeine Frage: „Fühlst du Druck?“

Welteroth: Und, hast du Druck?

Shahidi: Ich erzähle dir am besten, was ich zu Oprah sagte. Es ist wirklich nett, dass ich so viel von meiner Unterstützung nur deshalb bekommen habe, weil ich Yara bin. Egal, ob es die Leute sind, die mich kennengelernt haben, weil du mir eine Plattform als Gast-Editor bei Teen Vogue gegeben hast oder wenn mich Leute so kennenlernen wollten. Ich habe das Gefühl, dass sie meine Realität kennenlernen möchten, anstatt mich lediglich in meiner Rolle in der Serie zu sehen. Sie erwarten also einen authentischen Menschen und das ist etwas, das ich ihnen bieten kann. Normalerweise bin ich nur ein Teenager in einem Hoodie, Jeans und einer Gürteltasche.

Welteroth: Es ist normalerweise eine Gürteltasche von Chanel, wenn man es genau nimmt! Wir müssen über Mode reden. Obwohl, ich natürlich zugeben muss, dass Mode so zweitrangig erscheint, bei allem anderen, über das wir reden…

Shahidi: Nein, es ist so wichtig. Deshalb trage ich eine Menge politischer T-Shirts, weil ich Dinge trage, die meine politischen Ansichten widerspiegeln. Mode ist mit einer Ideologie verbunden. Du könntest eine Baskenmütze tragen, aber wenn du sie seitlich platzierst, avanciert dein Look ganz schnell von Pariser Chic zu einem „Black Panther“-Statement-Style.

Welteroth: Es scheint so, als würdest du dich auch der Mode wie allem anderen in deinem Leben mit einer Art Plan nähern.

Shahidi: Ich denke, das Ziel ist es, sich nicht zu ernst zu nehmen. Ich habe alle Zeit der Welt, um einen tiefen V-Ausschnitt und all das zu tragen. Also warum soll ich nicht alles andere erst machen?

Grown-ish ist jetzt auf Freeform zu sehen.

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