Coverstory

Gwyneth 2.0

mit

Gwyneth Paltrow

Als Schauspielerin feierte Gwyneth Paltrow große Erfolge, aber es ist ihre Rolle als Gründerin der Lifestyle-Website Goop, die sie rundum erfüllt. Mit SANJIV BHATTACHARYA spricht sie über eigene Fehler und warum sich ,Consciously Uncoupling‘ – bewusstes Entkoppeln – lohnt.

Foto Chris CollsStyling Tracy Taylor
Coverstorys
Playsuit von Madewell. Ohrringe von Jennifer Fisher. Armspange von Jemma Wynne.

Warum wird Gwyneth eigentlich so oft kritisiert? Dieser Frage gehen Frau Paltrow und ich in einem wunderschönen Strandhaus mit Meerblick in Malibu nach.

„Wahrscheinlich gibt es mehrere Gründe dafür“, erklärt sie. „Als Schauspielerin haben mich die Leute akzeptiert, aber mit Goop bin ich vielen wohl zu weit gegangen. Frauen erhalten generell viel Gegenwind, vor allem, wenn sie erfolgreich und attraktiv sind.“ Sie korrigiert sich sofort. „Ich sage nicht, dass ich attraktiv bin. Ich meine, wenn man als attraktiv wahrgenommen wird.“ Gwyneth lacht – sie sagt eben Dinge, die manchmal einfach nicht richtig rüberkommen.

Sie erinnern sich sicher an Statements wie: „Ich würde lieber Crack rauchen, als Käse aus der Dose zu essen.“ Oder: „Wir können ohne Vegenaise nicht leben.“ Aus dem Kontext gerissen und ohne den ironischen Unterton, der im persönlichen Gespräch mitschwingt, wirkt das natürlich ziemlich abgehoben. „Man gewöhnt sich daran“, sagt Gwyneth. „Es geht dabei nicht wirklich um mich als Person, sondern mehr um das, was ich verkörpere. Es wird eine Menge projiziert. Wenn ich mich von einem Kommentar persönlich angegriffen fühle, überlege ich, ob er mich verletzt, weil ich mich selbst so wahrnehme und versuche, daraus zu lernen.“

Die Kritik begann im Jahr 2008 als Gwyneth Goop.com gründete. Damals schrieb sie schlicht einen Newsletter mit Lifestyle-Tipps für Freunde – Restaurants, Shopping, Beauty. „Ich stellte eine kleine Datenbank zusammen, damit meine Freunde mich nicht ständig anrufen“, lacht sie.

Inzwischen beschäftigt sie 75 Mitarbeiter und hat Büros in Santa Monica und New York.Neben Rezepten und City-Guides umfasst Goop nun eine Shopping-Seite und eigene Produkte, es gibt Goop Fashion, Beauty und Wellness. Da bleibt keine Zeit fürs Filmen. Nicht einmal für ein Comeback als Pepper Potts in The Avengers? „Oh“, lächelt sie, „man weiß nie.“

Mit dem Schauspielern aufzuhören fiel ihr leicht. „Ich war ausgebrannt! Ich hatte einen Film nach dem anderen gedreht.“ Als sie dann mit ihrer Tochter Appel schwanger war (mit ihrem Ex-Mann, Coldplay-Frontmann Chris Martin, mit dem sie auch ihren 11-jährigen Sohn Moses hat), nahm sie sich eine lange kreative Pause. Ihr Newsletter wurde immer einflussreicher, und damit auch Gwyneth. Und die Kritiker wurden immer lauter. Es war der Anfang einer ernüchternden Lernkurve – sie hatte noch nie eine Firma geführt.

„Das Schauspielern war meine Identität“, sagt sie. „Wer bin ich, ohne es? Dann kam eine seltsame Zeit, in der ich weder Filme drehte, noch Unternehmerin war, ich fand ich mich irgendwie im Nichts.“

Undenkbar für Gwyneth. Als Schauspielerin hatte sie einen Hollywood-Erfolg nach dem anderen erlebt. Der Durchbruch gelang ihr mit einem Film ihres Paten Steven Spielberg. Mit 26 gewann sie einen Oscar und einen Emmy mit 39. Sie war mit Brad Pitt und Ben Affleck liiert und zählt Jay Z und Beyoncé zu ihren engen Freunden. So konnte sie sich ein starkes Teaman Business-Mentoren zusammenstellen – kein Problem für die Frau, die in ihrem Haus bereits eine Spendenaktion für Präsident Obama veranstaltete.

Hemd von The Great. Bikini-Oberteil von Eres. Armspange von Jemma Wynne. Ring von Chloé.

Ihre Herausforderungen waren vielmehr privater Natur. Zur Anfangszeit von Goops war Gwyneth mit Martin verheiratet und wohnte in London. Die Ehe begann zu kriseln und L.A. lockte.

„Als Chris und ich über unsere Trennung sprachen, fragte er, ob ich lieber nach Hause möchte. Ich glaube, er wollte auch eine Veränderung. Wir brauchten beide ein bisschen Sonne.“

Sie vermisst Londons „Mischung aus urban und ländlich“ sehr. Doch sie fühlt sich wohl in L.A., sie lebt in Brentwood, direkt am Meer. „Vor zwanzig Jahren drehte sich hier alles nur ums Showgeschäft. Jetzt gibt es die Tech-Branche, Kunst, Finanzen, Restaurants – L.A. erlebt eine regelrechte Renaissance.“

Sweater von Equipment. Ohrringe von Jennifer Fisher.
Kleid von Chloé.

Gwyneth führt das Leben einer berufstätigen Mutter: diszipliniert, pünktlich, routiniert. Ruhiger, weniger Reisen und weniger Tamtam. Sie ist das Gesicht von Goop und erscheint auf Instagram, Blog-Posts und Mode-Shootings der Marke, aber auch das wird in Zukunft weniger werden. „Damit Goop wachsen kann, muss es von meinem Namen unabhängig werden“, sagt sie. Inzwischen kann sie sich auch freier bewegen, ohne ständig von Paparazzi belästigt zu werden: „Seit ein paar Jahren gibt es ein Gesetz, dass Kinder nicht behelligt werden dürfen. Also nehme ich sie überall hin mit, wie ein Schutzschild! Sie sind also für etwas gut.“

Gwyneth spricht gerne über ihre Kinder. Apple ist schon 13. Doch sie hat keine Angst, dass ihr Mädchen ein Teenager wird und noch dazu ein berühmter. „Meine Kinder können damit umgehen“, sagt sie. „Sie wissen, dass ihr Leben außergewöhnlich ist. Mädchen stehen heute alle Türen offen. In Apples Freundeskreis sehe ich nicht die Unsicherheiten meiner Generation.“

Pyjama-Oberteil (Teil eines Sets) von Goop. Shorts von Madewell. Armspange von Foundrae.

An ihren eigenen Herausforderungen würde Gwyneth jedoch nichts ändern wollen: „Alles, was ich durchgemacht habe, hat mich hierher gebracht und das Hier und Jetzt ist fantastisch.“ Ihr Leben mag perfekt erscheinen, doch sie erlebte auch schwierige Zeiten. Der Tod ihres Vaters Regisseur und Produzent Bruce Paltrow war niederschmetternd. Sie nennt ihn „die wahre Liebe meines Lebens“. Und ihre Scheidung empfand sie als „unglaublich schwierig, schmerzhaft und traurig“. Sie kommt aus einer Familie mit stabilen Ehen und hätte sich nie vorstellen können, dass ihre eigene scheitern könnte.

„Mein Leben verlief in jeder Hinsicht außergewöhnlich, alles passierte im Extrem – Erfolge und Freude, Schmerz und Verlust“, erklärt sie. „Heute bin ich happy, weil ich aus jeder S*-Situation etwas Positives gemacht habe. Jeder Fehler hat als Sprungbrett für etwas Anderes gedient.“

Es war hart, sich von Chris Martin „bewusst zu entkoppeln“ – für diesen Ausdruck aus der offiziellen Mitteilung des Paares wurde sie heftig kritisiert. „Ich wollte meine Scheidung in etwas Positives verwandeln“, sagt Paltrow. „Wie wäre es, wenn ich die Schuld nicht beim Anderen, sondern bei mir suchen würde? Wenn ich eigene Bedürfnisse außen vor lasse und nur an die Kinder denke? Wenn ich mich an die Dinge erinnere, die ich an meinen Ex-Mann liebe? Das zu erreichen, war das Schwierigste, was ich je gemacht habe.“

Jetzt ist Gwyneth in einer Beziehung mit dem Regisseur/ Produzent Brad Falchuk. Sie und Martin kümmern sich beide um ihre Kinder. Vielleicht funktioniert „bewusstes Entkoppeln“ ja doch. „Es findet Akzeptanz“, freut sie sich. „Ich weiß, das klingt komisch, doch es lohnt sich. Ich werde immer erst beschimpft und später sagen die Leute: ,Hey, vielleicht ist das ja eine gute Idee.‘“

Die in diesem Artikel dargestellten Personen stehen nicht in Verbindung mit NET-A-PORTER und unterstützen weder die Inhalte noch die gezeigten Produkte.