Coverstory

Die Wegbereiter

mit

Alek Wek & Gemma Ward

Zwei der bekanntesten Gesichter der Branche, ALEK WEK und GEMMA WARD, haben in den späten 90ern und frühen 2000ern eine neue Ära des Modelns eingeläutet. Auch 20 Jahre später verkörpern sie dieses schwer fassbare Phänomen, das nur wenige Models auszeichnet: Relevanz. Hier modelt das Duo die F/S19-Essentials, die genauso zeitlos und cool sind, wie sie selbst

Foto Claudia KnoepfelStyling Helen Broadfoot
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Oben: Alek Wek trägt eine Bluse, einen Rock und einen Gürtel von Valentino. Gemma Ward trägt ein Kleid von Valentino, eine Tasche von Saint Laurent und ihren eigenen Ring. Dieses Foto: Alek trägt einen Bodysuit von Agolde, eine Hose von Nili Lotan, einen Gürtel von Anderson’s und Stiefel Chloé. Gemma trägt ein Top und eine Hose von Dries Van Noten, einen Gürtel von Anderson’s, Stiefel von The Row und eine Tasche von Bottega Veneta.

ALEK WEK, 41

Das sudanesische Model Alek Wek (41) begann ihre Karriere 1995 im Alter von 18 Jahren und veränderte die Branche und Ambitionen von Millionen von dunkelhäutigen Mädchen auf der ganzen Welt ­– darunter Lupita Nyong’o – die sich schließlich mit den Covers von Zeitschriften und Modeaufnahmen identifizieren konnten. Sie ist in den letzten 24 Jahren für Labels wie Chanel, Dries Van Noten, Oscar de la Renta und Marc Jacobs gelaufen, hat in Musikvideos für Tina Turner und Janet Jackson mitgewirkt und Ende letzten Jahres die Fashion Awards in London moderiert.

ICH BIN SEHR SELBSTSICHER. In meiner Familie feiern wir uns Frauen gegenseitig. Der Modebranche [Mitte der 90er] war es aber ziemlich fremd, etwas Außergewöhnliches zu sehen. Mir war es nicht nur wichtig, dass es um mich und die Repräsentanz von Frauen mit dunkler Hautfarbe ging, sondern auch um die Vielfalt. Die Mode lässt sich von der ganzen Welt und von verschiedenen Kulturen inspirieren, also sind wir ein Team. Dank Social Media sind wir heute so vernetzt, dass wir die Vielfalt nicht ignorieren können. Das war längt überfällig.

DIE LEUTE MOCHTEN MICH, WEIL sie wussten, dass ich Spaß mit der Mode haben wollte. Ich wollte diese Kleidung tragen, diese Silhouetten kreieren und mit dem Ergebnis vermitteln, dass meine Hautfarbe ein Teil von mir ist. Ich bin kein Gimmick und lasse mich nicht ausnutzen. Mit den Jahren konnte ich das sehr gut vermitteln und darüber bin ich wirklich froh. Ich hatte das Glück, mit Größen der Branche arbeiten zu können, darunter Yves Saint Laurent und Irving Penn. Ich bin froh mit Leuten zusammengearbeitet zu haben, die mein Talent förderten. Wenn man nämlich nicht gefördert wird, kann man nicht wachsen. Heute schaue ich mir Bilder von früher an und bin über die Alek im Alter von 18, 20, 21 Jahren erstaunt. Man wird richtig demütig, aber es ist die gleiche Frau.

SOCIAL MEDIA BELEUCHTET WICHTIGE THEMEN, sei es Mobbing in Unternehmen oder die #MeToo-Bewegung. Menschen, die sich schlecht benehmen, müssen mit entsprechenden Konsequenzen rechnen. Ich hatte lange das Gefühl, dass uns das in der Branche fehlte. Wenn man etwas publik macht, hat man eine soziale Verantwortung. Dessen muss man sich bewusst sein. Die jüngeren Generationen werden sonst denken, dass inakzeptables Handeln in Ordnung ist. Es ist wichtig, Gesichter und Geschichten zu zeigen, um sich gegenseitig zu stärken. Ich sage immer, wir kommen alle von verschiedenen Hintergründen, aber ein Kampf ist ein Kampf, Familie ist Familie, Werte sind Werte, Moral ist Moral und Freundschaft ist Freundschaft. Das ist universell, ob man auf der Straße oder in einem Fünf-Sterne-Hotel schläft – man weint, blutet und fühlt genau das Gleiche.

Jackett und Hose von The Row.

„Die Leute MOCHTEN mich, weil ich Spaß mit der Mode hatte und gleichzeitig vermitteln wollte, dass meine HAUTFARBE ein Teil von mir ist. Ich bin kein GIMMICK und lasse mich nicht ausnutzen“

ALEK WEK
Hemd und Rock von Peter Do. Sonnenbrille von Le Specs.

ES GEHT NICHT UM DAS GEWICHT, sondern um die Gesundheit. Alle haben einen unterschiedlichen Körperbau und manche Mädchen werden mit 14 Jahren entdeckt – da bin ich in die Pubertät gekommen. Gesund zu sein ist das, was zählt.

WENN ICH NICHT IN DER MODEBRANCHE ARBEITEN WÜRDE, hätte ich wahrscheinlich ganz viele Kinder, weil ich Kinder liebe. Jetzt will ich es definitiv mit Babys versuchen. Ich entwickle Muttergefühle – mental bin ich schon eine Mutter. Außerdem habe ich jetzt die Zeit, weil ich nicht herumrennen muss. Die Kinder meiner Schwester sind schon in ihren Zwanzigern. Das kann ich gar nicht glauben. Sie sind alle so stolz auf meine Karriere, lieben Mode und erkennen sich darin wieder. Ich könnte mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn sie sich nicht in den Modeaufnahmen sehen könnten.

MODE GAB MIR EINE PLATTFORM, UM WICHTIGE THEMEN ZU BELEUCHTEN wie zum Beispiel die Flüchtlingskrise. Ich bin im Südsudan geboren und während des Bürgerkriegs dort aufgewachsen. Wir hatten weder Strom noch sonst etwas. Wenn der UNHCR [Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen] – die weltweit größte Organisation für Flüchtlinge – nicht da gewesen wäre, um uns Lebensmittel, Unterkünfte und Wasser zu geben, würde ich hier heute vermutlich nicht sitzen und mit Ihnen sprechen. Deshalb denke ich, dass es wichtig ist, sich für andere Menschen einzusetzen.

Alek trägt ein Kleid von Ganni, eine Hose von The Row, eine Tasche von Bottega Veneta. Gemma trägt einen Blazer von Bottega Veneta, ein Hemd von Equipment, eine Hose von The Row und eine Sonnenbrille von Loewe.
Hemd von Givenchy.

GEMMA WARD, 31

Mit ihren Rehaugen und ihrer makellosen Schönheit war das australische Model Gemma Ward (31) eine Offenbarung, als sie 2003 im Alter von nur 16 Jahren exklusiv für Prada auf dem Laufsteg lief. Sie wurde zum Gesicht von Marken wie Chanel, Louis Vuitton und Valentino, bevor sie den Sprung nach Hollywood wagte, wo sie in Fluch der Karibik – Fremde Gezeiten und Der große Gatsby mitspielte. Aufgrund von persönlichen Gründen trat sie 2008 aus dem Licht der Öffentlichkeit. Sechs Jahre und zwei Kinder später kehrte Ward jedoch bei der F/S15-Show von Prada auf den Laufsteg zurück.

WENN MAN JUNG IST, FÜHLT MAN SICH UNBESIEGBAR und erkennt nicht, dass die Arbeit Körper und Geist stark belasten kann. Könnte ich in der Zeit zurückreisen, würde ich mir raten, es ruhiger anzugehen. Wahrscheinlich habe ich zu viel Wert auf gewisse Dinge gelegt und dachte, dass jeder Moment zu schnell vergeht, also musste ich alles sofort erledigen. Das ist aber nicht der richtige Ansatz, denn Karrieren halten lange an und es lohnt sich einfach nicht, die eigene Gesundheit dafür aufs Spiel zu setzen. Heute gehe ich meinen Job anders an und weiß die Arbeit mehr zu schätzen. Ich weiß jedoch auch, wenn ich einen Gang runterschalten muss.

NATALIA VODIANOVA WAR DAS ERSTE MODEL, DESSEN ARBEIT ICH WIRKLICH MOCHTE, besonders für Calvin Klein. Als ich mir zum ersten Mal Modeaufnahmen ansah, stach sie für mich heraus. Eine weitere Inspiration ist Lauren Hutton; ich schätze ihre Lebensratschläge und ihre Herangehensweise an die Modebranche.

ICH MERKE GERADE ERST, WIE SICH DIE MODEBRANCHE VERÄNDERT HAT, weil ich eine Pause gemacht habe. Ich habe gelernt, dass Social Media den Aufbau einer Karriere jetzt stark beeinflusst. Manche Dinge, die ich erlebt habe, würden heute nicht mehr passieren. Die Branche scheint jetzt sicherer und integrativer zu sein. Die #MeToo-Bewegung hat viel Positives bewirkt und war notwendig. Wenn es so lange keine Kontrollen und Regeln gibt, werden hilflose Menschen von anderen in Machtpositionen ausgenutzt oder in Situationen gebracht, in denen sie etwas tun müssen, um zu funktionieren. Die positive Entwicklung macht mich sehr glücklich. Das gilt besonders für eine Branche, die viele junge Mädchen beschäftigt – das sind Menschen, die beschützt werden müssen.

„Bestimmte Dinge sollten einem Model nicht gesagt werden. Es ist nicht okay, zu hören, man sei zu DICK. Das ist vernichtend und kann jemandem KÖRPERLICH und seelisch LANGE zu schaffen machen“

GEMMA WARD
Mantel von Marc Jacobs. Hose von Low Classic. Pumps von The Row.

BESTIMMTE DINGE SOLLTEN EINEM MODEL NIE GESAGT WERDEN. Es war einfach nicht okay mir mit 14 oder 15 Jahren zu sagen, ich sei zu dick. Das ist unglaublich vernichtend und kann jemandem körperlich und seelisch sehr lange zu schaffen machen und enorme Nachwirkungen haben.

DAS LEBEN IST SELTSAM. Ich bin immer wieder erstaunt und überrascht über meinen Lebensweg. Seit der Pubertät habe ich so viele unerwartete Richtungen eingeschlagen. Rückblickend hat sich für mich alles sehr positiv entwickelt. Persönliche Erfahrungen kann man als Lehren und Wahrheiten verstehen und manchmal erkennt man erst nicht, was man aus einer Situation lernen soll, bis man schließlich darauf zurückblickt. Jeder Moment bringt eine Lernmöglichkeit mit sich, die positiv oder negativ sein kann, also kann man am Ende ein gutes Resultat daraus ziehen. Man muss weitermachen und es überwinden, sonst bleibt man stecken und denkt stets: Was wäre, wenn?

ICH KANN MICH NICHT GENAU AN MEINE ERSTE ZUSAMMENARBEIT MIT KARL LAGERFELD ERINNERN, aber ich lief für ihn in vielen Shows. Er war immer sehr nett und wertschätzend und er machte lustige Witze, damit man sich wohlfühlte. Das macht viel aus, weil man sich schnell wie eine Anziehpuppe fühlen kann, ohne wahrgenommen zu werden. Er hat Wert darauf gelegt, den Mensch in der Kleidung zu sehen. Wenn wir zu Mittag aßen, bezog er einen immer in seine Gespräche mit ein. Ich erinnere mich, dass er nach Filmen fragte, in denen ich mitspielte. Er sagte: ‚Wie sind die Kostüme? Man produziert keinen Film, wenn die Kleidung nicht gut ist.‘

Alek trägt ein Kleid von Dries Van Noten und Loafers von Church’s. Gemma trägt einen Mantel von Peter Do, ein Hemd von Totême und Brogues von Church’s.

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