The Good Fight
mit
Robin Wright

Rechtzeitig zum bevorstehenden TV-Finale von House of Cards spricht Schauspielerin ROBIN WRIGHT mit AJESH PATALAY über Claire Underwoods dramatischen Abgang, ihren Kampf, die Kultserie inmitten von Kontroversen am Leben zu erhalten sowie über ihr neues Fashion-Projekt
Nachdem ich Robin Wright in der skrupellosen Rolle der Claire Underwood in der Netflix-Serie House of Cards jahrelang folgte wie auch ihrer Darstellung „gequälter, gefühlvoller“ (ihre Worte) Frauen in Filmen wie State of Play – Stand der Dinge und Breaking and Entering – Einbruch & Diebstahl, hatte ich Angst, dass sie ernst, kratzbürstig und unnahbar ist. Sie hasst es, Interviews zu geben. Wer könnte ihr das auch verübeln? Als Ex-Frau von Sean Penn hat sie unter dem Druck der Medien gelitten. Außerdem ist sie durch ihre Rollen als Antiope in Wonder Woman und Lieutenant Joshi in Blade Runner 2049 zum Synonym für eine bestimmte Art von kämpferischer Heldin geworden. Was das bedeutet, liegt auf der Hand – mit dieser Frau ist nicht zu spaßen.
Sie können sich sicherlich vorstellen, dass ich erleichtert war, als mich die 52-jährige Schauspielerin mit Freude begrüßte. Sie lächelt. Ihre Augen funkeln. Sie strahlt förmlich. Wir treffen uns zum Tee auf der Terrasse ihres Hotels im Londoner Stadtteil Bloomsbury mit Blick ins Grüne. In ihrer Seiden-Bomberjacke, einer schwarzen Jeans, Plateau-Sneakers und der braun gerahmten Brille wirkt sie lässig, scheint entspannt und fröhlich. Aus gutem Grund. Nach zwei herrlichen Wochen in Paris ist sie jetzt für einige Meetings in London. „Ich wusste schon immer, dass ich einmal dort landen würde“, so Wright, die in Los Angeles lebt, aber zu Beginn ihrer Karriere Zeit in Paris verbrachte. „Ich arbeitete dort als Model nach der Highschool und habe mich in den altmodischen Charme der Stadt verliebt. Man steht auf, zieht sich an und geht in die nächste Boulangerie, um ein Croissant zu kaufen. Die meiste Zeit des Tages geht es darum, das nächste Essen zu planen. In der Natur zu sein und dem Zwitschern der Vögel zuzuhören.“ Über Clement Giraudet, den gut aussehenden Franzosen und VIP Relations Manager bei Saint Laurent, den sie vor kurzem in Südfrankreich geheiratet hat, verliert sie kein Wort.
„Ich möchte eine gute Diplomatin sein und arbeite daran. Zuhören und offen sein, nicht reaktionär handeln. Man kann direkt sein, seine Meinung vertreten und trotzdem nett bleiben“
Dasselbe gilt für ihre Arbeit (vor drei Wochen wurde die finale Staffel von House of Cards abgedreht). Derzeit hat Wright frei, abgesehen von den Dreharbeiten zu einer Flashback-Szene in Spanien mit Connie Nielsen für Wonder Woman 2 und den Vorbereitungen für ihr Regiedebüt (die Produktion beginnt im Januar). Sie will sich anderen Leidenschaften widmen wie zum Beispiel ihrer sozialbewussten Bekleidungslinie „Pour Les Femmes“. Die Geschichte hinter der Marke ist eindrucksvoll: Inspiriert von einer Reise in den Kongo vor über zehn Jahren, rief Wright das Unternehmen mit ihrer Freundin Karen Fowler ins Leben. Gemeinsam wollen sie Frauen in Konfliktgebieten weltweit wirtschaftliche Möglichkeiten und eine Arbeit im Bereich des Nähens bieten. Die Kollektion umfasst hauptsächlich Pyjamas, da beide Gründerinnen gerne schlafen. „Ich wünschte, ich könnte wie ein Teenager schlafen. Ich bin gerne im Bett zum Arbeiten oder Filme schauen, aber auch, weil Schlafanzüge für Komfort und Sicherheit stehen. Frauen in Kriegsgebieten haben das nur selten. Mit dem Kauf eines Pyjamas helfen Sie einer Frau dabei, ihr Leben neu zu beginnen, nachdem sie wiederholt vergewaltigt wurde“, sagt sie offen.
„Es ist ganz einfach.“ Sie erklärt, dass das Schicksal der Frauen mit unseren Entscheidungen als Konsumenten zusammenhänge. „Die Mineralien, die in Handys und anderen Elektrogeräten verwendet werden, stammen aus dem Kongo und den umliegenden Ländern. Die Mienenarbeit trägt zu den regionalen Konflikten bei. Wir als Verbraucher haben diesen Menschen unabsichtlich das Leben genommen.“ Bei dieser Art von Arbeit, sagt sie, werde sie am emotionalsten. „Man erlebt mit, wie diese Frauen wieder einen Sinn im Leben finden. Sie wollen kein Almosen, sie wollen ihr Leben zurück. Mit den Spenden haben wir vor kurzem eine Schule am Kiwusee in Zentralafrika gebaut. Die Kinder dort konnten es kaum erwarten, endlich etwas zu lernen. Jetzt können sie zur Schule gehen.“ Ihrer Stimme höre ich die Anteilnahme an. „Ich liebe es.“
„Wir haben vor kurzem [mit Pour Les Femmes] eine SCHULE gebaut. Die Kinder konnten es kaum erwarten, zu LERNEN. Jetzt können sie zur Schule gehen. Das LIEBE ich“
Freundlichkeit und Rücksichtnahme ist für sie in jedem Lebensbereich wichtig. „Ich möchte gerne eine gute Diplomatin sein und arbeite daran. Zuhören und offen sein, nicht reaktionär handeln. Man kann direkt sein, seine Meinung vertreten und trotzdem nett bleiben.“ Ihre Kinder Dylan (27) und Hopper (25) kommen ganz nach ihr. „Beide sind sehr umsichtig“, sagt sie. „Ich habe ihnen eingeprägt, dass sie an andere Leute denken sollen. Frustration ist kein schönes Gefühl. Ich mag Menschen und möchte auch gemocht werden.“
Ihr Gespür für Diplomatie und das Erreichen eines gemeinsamen Ziels half ihr auch bei der drohenden Absetzung von House of Cards, nachdem Wrights Kollege Kevin Spacey die Serie wegen sexueller Anschuldigungen verlassen musste. Einen Tag vor dem Interview brach die Schauspielerin ihr Schweigen über ihn in der US-amerikanischen Today Show. Sie gibt an, Spacey nur beruflich zu kennen und nicht einmal zu wissen, wie sie ihn kontaktieren könne, sofern sie es auch wollte. Einige Fragen bleiben dennoch ungeklärt.
Ich frage, wie es war, sich von der Show zu verabschieden. „Bittersüß. Ich liebte die Menschen, mit denen ich gearbeitet habe. Wir hatten eine sehr enge Verbindung zueinander. Sie waren meine Familie und es hat sich so angefühlt, als würde ich mein Zuhause verlassen – sehr emotional.“ Gab es Tränen? „Oh mein Gott, so viele Tränen. Tränen und Freudensprünge, weil wir die Serie abgedreht hatten und uns voll entfalten konnten.“ Wie nah stand die Show am Abgrund? „Sehr, sehr nah“, gibt sie zu. „Das lag zu der Zeit am Umfeld. Es herrschte dicke Luft wegen Harvey Weinstein. Die Leute sagten: ‚Wir müssen alles abbrechen, sonst sieht es so aus, als würden wir dieses schmutzige Verhalten tolerieren.‘“
„House of Cards ist nicht SCHMUTZIG. Ich dachte, wir sollten es zu Ende bringen. Warum AUFHÖREN? 2500 Menschen wären sonst arbeitslos. Das wäre nicht FAIR“
„Unsere Serie ist nicht schmutzig“, antwortete sie wütend. In den großen Meetings mit Netflix kämpfte sie für die Fortsetzung. „Ich dachte, wir sollten es zu Ende bringen. Ich dachte, wir haben eine Verpflichtung gegenüber den Zuschauern, die die Serie liebten. Weshalb sollten wir aufhören?“ Aber es ging auch um die Leute, die an der Show arbeiteten. „In den Medien stand, dass nur 600 Mitarbeiter arbeitslos wären, aber wenn man die Sicherheitskräfte und Polizisten bei den Dreharbeiten in Baltimore dazuzählt, wären 2500 Menschen ohne Arbeit. Das ist nicht fair; uns unsere Sicherheit zu nehmen, obwohl wir nichts getan haben.“ Wie war die Stimmung am Set? „Es herrschte Schock und Angst. Jeder war besorgt, seinen Job zu verlieren.“ Ich frage, ob sie sich als Executive Producer für das Team verantwortlich fühlte. „Uh-huh. Ein gutes, hart arbeitendes Team mit Kindern an der Universität, mit Kindern, die man ernähren muss, und Häusern, die kosten. Komm schon!“
„Ich denke, dass jeder Mensch die Fähigkeit hat, sich zu BESSERN. An eine zweite CHANCE oder wie man es nennen möchte, glaube ich. Das nennt man WACHSTUM“
Ich lenke das Gespräch in Richtung Spacey und obwohl sie sagt, dass sie nichts hinzuzufügen habe, hat sie es doch. Auf meine Frage, ob sie ihn gerne erreichen wolle, hält sie inne und überlegt. „Nein. Er meldet sich, wenn er bereit ist dafür. Da bin ich mir sicher. Ich denke, so sollte es laufen.“ Hat sie Mitleid mit ihm? Eine weitere Pause. „Mir tut jeder Leid, dessen Leben in der Öffentlichkeit debattiert wird. Es ist ein Albtraum. Können Sie sich das vorstellen? Wir machen einen Job und teilen unsere Darbietung mit den Zuschauern. Wieso muss unser Privatleben öffentlich sein? Ich hasse diesen Aspekt der Branche. Es macht einen sehr angreifbar. Jeder Mensch hat ein Recht auf seine Privatsphäre. Positiv, negativ, neutral, was auch immer – ich glaube nicht, dass das jeden etwas angeht. Dabei meine ich nicht diese (#MeToo)-Bewegung“, stellt sie klar, für den Fall, dass man denke, sie dulde das Verhalten von Spacey oder kritisiere diejenigen, die sich öffentlich gegen ihn ausgesprochen haben. „Ich spreche von den Medien. Das Anprangern. Es ist ein schreckliches Gefühl. Ein Fremder, der glaubt zu wissen, wer du bist und dann…“, sie weicht ab. „Ich meine, es ist kriminell. Das ist es wirklich.“
Für einen Moment sitzen wir schweigend zusammen, bevor ich eine abschließende Frage über Spacey stelle: Hat sie das Gefühl, dass man ihn begnadigen sollte? „Ich weiß nicht, wie ich darauf antworten soll“, beginnt sie. „Ich denke, dass jeder Mensch die Fähigkeit hat, sich zu bessern. An eine zweite Chance oder wie man es nennen möchte, glaube ich. Das nennt man inneres Wachstum.“
Weniger umstritten ist meine letzte Frage, die jeden brennend interessiert: Wie endet House of Cards? Sie lacht. „Es wird ziemlich wild. Ich meine, wir machen eine Oper. Und es wird so richtig opernhaft! Ich weiß nicht, wie viel mehr wir uns hätten übertreffen können. Du wirst überrascht sein.“ Ich erinnere mich an ihren Stolz auf Pour Les Femmes und suggeriere, dass sie wirklich stolz auf ihre Arbeit an House of Cards sein muss, besonders jetzt, wo es vorbei ist. Sie sagt ja, klingt aber unsicher. Wie kommt’s? „Ich denke, weil ich diese Worte nie über mich selbst gesagt habe: ‚Ich bin stolz auf meine Arbeit!‘“ Sie lächelt und nickt. „Aber das bin ich. Ich bin wirklich stolz.“
Erinnern Sie sich, als Sie zum ersten Mal…?
…einen Golden Globe gewannen? Im Oval Office des Weißen Hauses saßen? Als Regisseurin das Set betraten? Robin Wright enthüllt einige ihrer wichtigsten ersten Male. Machen Sie sich auf so einige überraschende Bekenntnisse gefasst…
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