Coverstory

Sie ist der Boss

mit

Rosie Huntington-Whiteley

Coverstory: Rosie Huntington-Whiteley

Sie ist bereits den Weg von der „Katalogkönigin“ zum High-Fashion-Supermodel und sogar zur Designerin gegangen, aber ROSIE HUNTINGTON-WHITELEY ist noch lange nicht am Ziel angekommen. Nachdem sie während ihres Mutterschutzes ihr eigenes Beauty-Unternehmen gegründet hat, erzählt sie JENNIFER DICKINSON, warum sie die Kontrolle übernimmt

Foto Zoey GrossmanStyling Alison Edmond
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Rosie Huntington-Whiteley betritt an einem Donnerstagmorgen kurz nach 10 Uhr das Soho House in Los Angeles. Und selbst in der Stadt der Engel, ein Ort, an dem es so viele schöne Menschen gibt wie Avocados, sticht sie heraus. Das figurbetonte Midikleid, das sie anhat, trägt zu ihrer glamourösen Aura bei. Ihre Sandalen sind mindestens sieben Zentimeter hoch, ihr honigfarbenes Haar umrahmt ihr Gesicht kunstvoll, während die goldenen Ohrringe funkelnde Akzente setzen. Ihr Auftritt könnte einschüchtern, aber die Tatsache, dass sie sich für das heutige Interview bei ihrem Outfit Mühe gegeben hat, wirkt vielmehr so, als würde sie beeindrucken wollen, nervös sein oder ihre Kleidung als Rüstung tragen. Man merkt, dass sie eine von uns ist, trotz des himmlischen Erscheinungsbildes.

Diese Vermutung wird auch sofort bestätigt, als sie sich über ihre Akneprobleme nach der Schwangerschaft beklagt. „Meine Haut war nie perfekt, aber während der Schwangerschaft hätte sie nicht besser sein können“, sagt sie wehmütig. „Man sagt, Jungs bringen deine Schönheit hervor und Mädchen stehlen sie!“ Sohn Jack, ihr erstes Kind mit ihrem langjährigen Lebenspartner Jason Statham, wurde im Juni letzten Jahres geboren. „Sechs Monate nach der Geburt bekam ich Akne. Es ist irgendwie deprimierend. Ich folge Dr. Lancers (Dermatologe) Rat und arbeite daran.“

Es ist schon ein paar Tage her, dass das Supermodel/CEO für die hier gezeigten Bilder posiert hat. Sie genoss das Foto-Shooting, aber am Set zu sein, hat für sie heute nicht mehr den gleichen Reiz wie in der Vergangenheit. „Fotografiert zu werden ist derjenige Teil meiner Arbeit, der mich am wenigsten erfüllt, weil ich es jahrelang gemacht habe“, sagt sie, während sie mit geradem Rücken auf einem blauen Sofa sitzt. Wenn man bei Fotoshootings nicht zusammenarbeitet, dann interessieren sie mich auch nicht, weil ich mich nicht wie in den ersten 10 Jahren meiner Karriere fühlen will. Früher habe ich zu viel mit mir machen lassen.“

Die gebürtige Britin ist 31, wurde aber schon im Alter von 16 Jahren von einer Modelagentur unter Vertrag genommen. Sie spricht also aus Erfahrung. Sie wuchs zusammen mit ihrem Bruder, ihrer Schwester und ihren Eltern auf einem Bauernhof in der ländlichen Grafschaft Devon auf. Bilder von Gisele Bündchen, Natalia Vodianova, Gemma Ward, Lily Coles und Kate Moss zierten die Wände ihres Schlafzimmers. „Ich wollte einfach in London sein. Wenn man auf dem Land aufwächst, ist man so abgeschieden, dass man nicht die Möglichkeit hat, seiner wahren Leidenschaft nachzugehen. Ich wollte die Welt sehen. Für mich war London das Zentrum. Ich schrieb an all diese Modeunternehmen und sammelte Arbeitserfahrung in einer Modelagentur. Ich war so aufgeregt darüber, dass ich zu den Shows gehen und bei Fotoshootings dabei sein konnte. Ich ging jeweils in dieses kleine Büro in Soho und verbrachte die gesamte Woche damit, Aschenbecher auszuleeren, Wein einzuschenken und herumzurennen, um Faxe zu versenden.“

Obwohl sie schnell unter Vertrag genommen wurde, waren die ersten Aufträge für Huntington-Whiteley keineswegs eine Eintrittskarte in die Modewelt, die sie sich erträumt hatte. „Ich habe viele Jahre als Katalogmodel verbracht“, sagt sie und deutet damit auf die Herausforderung, die viele High-School-Schönheiten treffen kann. „Ich habe sehr oft für Kataloge und Highstreet-Brands gemodelt; Marken aus aller Welt, die eher mainstream waren. Ich habe jahrelang keinen Job in der Luxusbranche bekommen.“

Mantel und Top von Calvin Klein 205W39NYC.
Hemd und Hose von Monse.

„Wenn man nicht ZUSAMMENARBEITET, dann habe ich kein Interesse… Ich will mich nicht wie in den ersten 10 Jahren meiner Karriere FÜHLEN. Früher habe ich zu viel mit mir MACHEN lassen“

Burberry veränderte jedoch ihre Zukunft, als der Kreativdirektor Christopher Bailey sie für die H/W08-Kampagne der Marke engagierte und sie zum Gesicht des neuen Parfums „Burberry Body“ machte. Innerhalb von zwei Jahren lief sie für Victoria’s Secret, posierte für den Pirelli-Kalender, landete auf dem Cover von Vogue, Harper’s Bazaar und ELLE und wurde im Model-Business zur neuen Ikone der Weiblichkeit erklärt. „Es kam dieser Wendepunkt in der Branche. Aber nicht nur für mich, sondern auch für viele andere kommerzielle Models. Etwa zur Zeit als Social Media ein Teil des täglichen Lebens wurde, begannen Redakteure, Marken und Magazine zu realisieren, dass kommerzielle, sexy und klassisch aussehende Mädchen tatsächlich die waren, die für Verkaufszahlen sorgten und moderne Frauen ansprachen.

Damals schien es, als sei Huntington-Whiteley wie aus dem Nichts gekommen und zum Star geworden, den jeder fotografieren wollte. Die Frauen an der Spitze der Magazine, die Redakteure, Kreativdirektoren und Modeleitungen hießen sie mit offenen Armen willkommen, als hätte sie nur auf die Zustimmung der Branche gewartet. „Bei Victoria’s Secret wurde man als Frau für seinen Körper, seine Femininität und Persönlichkeit gefeiert. Wir lachten und waren zugänglich. Als Teenager ging ich zu Castings und mein Agent sagte mir: ‚Sie denken, dass du zu viel Persönlichkeit hast. Du bist zu fröhlich und gesund.‘ Und ich erwiderte einfach: ‚Was? Sch*** drauf, ich will sowieso nicht mit denen arbeiten.‘ Später war es jedoch toll, endlich angekommen zu sein und für Unternehmen wie Victoria’s Secret, Marks & Spencer und Burberry arbeiten zu können.“

Marks & Spencer, eine Ikone unter den britischen Kaufhausketten, engagierte Rosie als erstes für die Kreation einer gemeinsamen Lingerie-Linie. Grund dafür war nicht nur ihre Schönheit, sondern auch ihre Intelligenz. Die Kollektion war ein Erfolg und verhalf der traditionsreichen Firma nach eigenen Angaben mit nahezu 400.000 verkauften Artikeln innerhalb von drei Monaten aus den roten Zahlen – gefolgt von einer Beauty-Linie im Jahr 2015.

„Ich ging zu CASTINGS und mein Agent sagte mir: ‚Sie denken, dass du zu viel PERSÖNLICHKEIT hast…‘ Und ich erwiderte EINFACH: ‚Sch*** drauf‘“

Mantel und Hose von The Row. Höschen von Dolce & Gabbana.
Hemd von Alexander McQueen. Pyjama-Shorts von Skin.

Die Marke Rosie ist zum großen Business herangewachsen. Letztes Jahr belegte das Supermodel bei Forbes den fünften Platz unter den weltweit bestverdienenden Models, knapp hinter Adriana Lima, Chrissy Teigen, Gisel Bündchen und Kendall Jenner. Und das, obwohl sie mit Jack im Schwangerschaftsurlaub war. Anfang dieses Jahres lancierte sie Rose Inc, ein Beauty-Forum, in dem Frauen wie in einem digitalen Badezimmer zusammenkommen. Die Art von Plattform, die inspiriert, Fragen beantwortet und auf der man sich mit Make-up- und Beauty-Freunden austauschen kann. Die Webseite verfügt über eine Affiliate-Funktion, die es einem ermöglicht, Produkte über den Blog zu kaufen, aber Huntington-Whiteley hat noch viel größere Pläne für ihr Online-Projekt. „Ich werde sicherlich nicht meine Vorhaben für die nächsten fünf Jahre verraten, aber ich denke es ist offensichtlich, dass ich ambitioniert bin und mir Ziele gesetzt habe. Ich habe eine klare Vorstellung von dem, was ich erschaffen möchte“, sagt sie. „Es ist wirklich beängstigend, aber ich weiß, dass ich nicht mehr die gleiche Arbeit wie damals (vor der Gründung einer Familie) machen kann. Allein schon, weil ich früher alle zwei Wochen im Flieger saß. So sehr ich es liebe zu arbeiten, die Prioritäten ändern sich.“

Blazer und Hose von Roland Mouret. Tanktop von Proenza Schouler.
Ohrringe von Monica Vinader.

„Ich habe mich nie WOHL dabei gefühlt, einfach nur rumzusitzen und darauf zu warten, dass andere Leute ENTSCHEIDUNGEN für mich treffen. Ich wollte immer die KONTROLLE über die Entwicklung meines Lebens haben“

Jacke von Balenciaga.

Wenn es nur darum ginge, etwas zu finden, dass sich mit den Kindern vereinbaren ließe, gäbe es sicher einfachere Wege, als eine Firma vom Küchentisch aus zu starten, während man ein Neugeborenes stillt. Sie scheut sich nicht davor zuzugeben, dass sie motiviert ist. „Wenn man Model oder Schauspielerin ist, wartet man oft darauf, dass das Telefon klingelt. Im Grunde sitzt man herum und wartet darauf, dass Leute Dinge für einen entscheiden. Ich habe mich nie wohl dabei gefühlt, einfach nur rumzusitzen und darauf zu warten, dass andere Leute Entscheidungen für mich treffen“, sagt sie lachend. „Ich wollte immer die Kontrolle über die Entwicklung meines Lebens haben.“

Es ist dieser Mut und die Courage, sagt sie, die sie vor der gefährlichen Seite der Modelindustrie schützten. Eine Seite, deren Ausmaß sie erst erkannte, als im letzten Jahr zahlreiche Missbrauchsereignisse an die Öffentlichkeit gelangten. Es regte sie dazu an, ihre Erfahrungen von einem anderen Blickwinkel aus zu betrachten. „Ich denke nicht, dass junge Models ausreichend Schutz bekommen. Man wird immer dazu ermutigt, frei und wild zu sein, denn umso relaxter man ist, desto mehr Jobs bekommt man. Ich blicke zurück und bin sehr froh, dass ich keine schrecklichen Erfahrungen gemacht habe. Es gab Dinge, die einfach nicht okay waren – Kommentare, die gemacht wurden oder Erwartungen, die erfüllt werden sollten und über die professionelle Ebene hinausgingen.“ Die Situationen, die sie beschreibt, klingen nur allzu vertraut. „Es gab oft Unterhaltungen wie: ‚Nun, er möchte ein paar Fotos von dir in seinem Haus machen und es kann vielleicht ein bisschen sexy werden. Also, wenn du damit einverstanden bist…‘ Wer besonders locker oder besonders Rock 'n' Roll war, nahm diese Dinge eben einfach so hin. Rückblickend gab es viele Momente, in denen man einfach ungeschützt war und das fängt bei den Agenten an, die von jungen Frauen eine riesige Provision erhalten. Ich fasse mir manchmal an den Kopf und frage mich, was sie eigentlich da machen.“ Schuld trifft an dieser Stelle alle Beteiligten, aber natürlich hat sie recht. Wir müssen alle daran arbeiten, dass die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, beschützt werden. Temperamentvoll oder nicht, niemand sollte sich im Job unsicher fühlen.

Es ist gerade noch genug Zeit, um ein paar abschließende Fragen zu stellen. Was würde man noch gern über Rosie erfahren? Vielleicht, dass ihre Schwäche die britische Reality-TV-Show Love Island ist? „Ich habe mir nur dafür die Hulu-App heruntergeladen. Ich bin ganz verrückt nach (dem Fernsehpaar) Jack und Dani.“ Oder, dass sie und Statham die Hausarbeit ziemlich gerecht aufteilen? Der Schauspieler kümmert sich für gewöhnlich am frühen Morgen um Sohn Jack, während sie ihn zu Bett bringt. Das Supermodel selbst denkt, dass die meisten Leute positiv überrascht sind, wenn sie sie treffen. „Vielleicht verwechselt man den Schutz meines Privatlebens oder meine Nervosität damit, dass ich unnahbar wirken möchte. Die meisten Menschen sagen jedoch, dass sie über meine Wärme und Herzlichkeit überrascht sind.“ Sie lacht. „Leute haben geringe Erwartungen, aber das ist total okay für mich.“

WER REGIERT DIE WELT?

Von der Gründung ihres eigenen Unternehmens bis hin zur Rollenverteilung im Hause Huntington-Whiteley/Statham, unser Coverstar verrät im Video, wer die Hosen anhat…

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