Alles auf Anfang
mit
Andreea Diaconu

Supermodel ANDREEA DIACONU trägt die schönsten Looks der F/S18 und erklärt, weshalb sie gegen Social Media ist und wie sie gelernt hat, Fotografen die Stirn zu bieten. Von JANE MULKERRINS
Andreea Diaconu erklärt mir ganz ernsthaft, warum sie keine BHs tragen kann. „Sie machen mich krank. Ehrlich, ich bekomme Sodbrennen“, betont sie. „Ich denke, es liegt daran, dass ich nicht wirklich Brüste habe.“ Sie greift nach ihrer Brust, um dies zu betonen. „Aber das bedeutet, dass ich keine Dessous-Shootings machen kann.“ Was für viele Models ein Problem darstellen könnte, beunruhigt Diaconu jedoch nicht im Geringsten. Zugegeben, es fehlt ihr nicht an Arbeit. Als eines der derzeit gefragtesten Models, ist die 26-jährige Rumänin bereits auf den Laufstegen von Dolce & Gabbana, Gucci, Lanvin, Tom Ford, Stella McCartney, John Galliano und Co gelaufen. Sie ist momentan das Gesicht von Victor & Rolf und hat kürzlich einen lukrativen Vertrag mit Michael Kors abgeschlossen. Außerdem bekommt man den Eindruck, dass sie, obwohl sie für ihren Erfolg dankbar ist, lieber auf einem Surfbrett stände, auf einem Fahrrad radelte oder in der Natur auf einer Decke läge, als auf irgendeinem Catwalk zu laufen. „Ich weiß nicht, warum ich in der Modeindustrie bin“, gibt sie schmunzelnd zu.
Sie scheint nicht einmal beunruhigt zu sein, die diesjährigen Fashion Weeks in London, Paris und Mailand auszulassen. Während sie auf die Ankunft ihrer US-Green-Card wartet, kann sie das Land nicht verlassen. „Aber ich kann durch die USA reisen“, betont sie eindrucksvoll optimistisch. „Ich kann nach Hawaii, Idaho, Alaska gehen – Alaska ist einer meiner Lieblingsstaaten. Oder ich kann in Maine und Wyoming campen gehen. Also könnte ich einfach Urlaub machen.“
Wir sind in einem höhlenartigen Studio in Greenpoint, Brooklyn, und Diaconu hat es sich auf einem Ledersofa neben mir gemütlich gemacht, ihre fohlenartigen Beine übereinander gekreuzt. Sie beschreibt ihren Freizeit-Stil als den „eines achtjährigen Jungen“, ein wirklich cooler achtjähriger Junge, der einen Prada-Pullover mit Raumschiffen besitzt. Diaconu, die in Karate einen schwarzen Gürtel hat und fünf Sprachen spricht, umgibt definitiv eine Wildfang-Aura. Sie ist eine Frau, die so ziemlich alles versuchen wird, so scheint es. „Ich schaue mir gerade Winter-Neoprenanzüge an, weil ich an diesem Wochenende surfen möchte“, sagt sie jetzt, trotz der Außentemperatur von unter null Grad. So engagiert ist sie in ihrem Hobby, dass sie, neben ihrer Wohnung im New Yorker West Village, für ein paar Jahre ein Apartment am Strand von Rockaway gemietet hatte, dem langen, schmalen Streifen am Meer, jenseits des JFK-Flughafens. Praktisch, dass ihr Freund, Restaurateur Evan Bennett, ihre Leidenschaft teilt. „Er war schon seit langem mein bester Freund und ich wusste nie, dass er auch surfen kann, bis wir dann einmal zusammen surfen gegangen sind und sich herausstellte, dass er ein absoluter Profi ist“, schwärmt sie und errötet leicht. „Ich habe nur gesagt: Wow, ich bin sprachlos.“
Diaconu wuchs als Einzelkind in Bukarest, Rumäniens Hauptstadt, kurz nach dem Fall des Kommunismus auf; doch die Auswirkungen einer neuen kapitalistischen Wirtschaft machten sich nur langsam bemerkbar. Ihre Eltern trennten sich als sie klein war und sie teilte sich eine Wohnung am Stadtrand mit ihrer Mutter, ihrem Onkel und ihrer Großmutter. „Ein schönes kommunistisches Gebäude mit fabelhaften Linoleumböden“, sagt Diaconu ironisch. Ihre Mutter, Aurora, klingt herrlich bohemisch. „Sie isst vegan und nur rohe Produkte, und verfolgt viele neue, moderne Trends“, berichtet sie mit einem übertriebenen Augenrollen. „Sie war die meiste Zeit ihres Lebens IT-Programmiererin und dann hat sie das aufgegeben, um eine Firma zu gründen, die Pilze aus Malaysia verkauft, die anscheinend Krebs heilen.“
Da die Familie „nicht viel Geld“ hatte, nutzten sie stattdessen einige staatlich geförderte Leistungen. „Meine Großmutter hatte diese Rentnerkarten, die die Regierung Ihnen zusammen mit 18 Tagen Urlaub gab, also gingen wir zum Meer oder zu heißen Quellen oder Schlammbädern“, erinnert sie sich. „Meine Oma und ich teilten uns ein Einzelbett und häufig hat sich auch noch eine ältere Dame mit uns das Zimmer geteilt. Diese Ferien haben so viel Spaß gemacht, aber niemand konnte jemals außerhalb Rumäniens reisen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mein Land jemals verlassen würde.“
„Ich erinnere mich, dass ich einmal in New York war und ein Schneider mich anschrie, dass ich zu dünn sei und sie den Rock nicht an meinen Körper anpassen konnte. Ich dachte nur: f**k, ich gehe nach Hause.“
Im Alter von 11 war Diaconu bereits 1.70 m groß (sie ist jetzt 1.79 m), und so war es nicht überraschend, dass sie die Aufmerksamkeit von Modeagenten auf sich zog. Sie hatte aber kein Interesse. „Ich habe das Konzept des „Scoutings“ nicht verstanden“, lacht sie. „Ich habe einfach nicht verstanden, warum jemand mich suchen würde, um etwas zu tun, anstatt dass ich sie suche. „Schließlich gab sie im Alter von 13 Jahren nach, aber lediglich des Geldes wegen. „Ich brauchte Geld für einen Karate-Wettbewerb, den ich machen wollte. Also stimmte ich zu, einen Job zu machen und sie zahlten mir 50 Euro. „Mit 14 wurde sie für Shootings in London, New York, Paris und Tokio gebucht und reiste alleine. Aber sie hatte mit den rauen Sichtweisen und wie sie behandelt wurde, zu kämpfen. „Ich erinnere mich, dass ich einmal in New York war und ein Schneider mich anschrie, dass ich zu dünn sei und sie den Rock nicht an meinen Körper anpassen konnte. Ich dachte nur: f**k, ich gehe nach Hause.“
Sie ist leider nicht die einzige, die diese Erfahrungen gemacht hat. Die Modewelt ist eine von vielen Branchen, die sich nun der Realität und den Folgen jahrelanger inakzeptabler Verhaltensweisen stellen muss. „Es gab definitiv Situationen mit Fotografen, in denen ich mich unwohl fühlte“, sagt Diaconu. „Wo Fotografen etwas sagten wie: ‚Oh, zieh einfach dein Top aus, das wird das Bild besser machen.“ Und du denkst dann nur, was? Wir machen ein Portrait und sie wollen, dass ich meine Unterwäsche ausziehe? Nein. Und dann wirst du dazu gedrängt. „Sie kapitulierte einmal für ein angesehenes Magazin – und ihr „Oben-ohne-Bild“ landete auf dem Cover. „Ich habe meinen Kopf 20 Monate lang unter meinem Kissen vergraben“, sagt sie und legt ihr Gesicht in ihre Hände, immer noch verlegen. „Ich möchte das nicht noch einmal machen. Das ist definitiv etwas, das die Leute respektieren müssen: nein heißt nein.“
Sie erzählt auch von einer Begegnung, als sie 14 war, allein in einem Auto in Japan mit einem Mann, den sie nicht kannte. Er fuhr sie zu Castings und begann ihr seinen Penis zu beschreiben. „In diesem Umfeld sprichst du die Sprache nicht, niemand spricht deine Sprache, es gibt nur diese eine Person, die dich herumfährt und dann stellt sich heraus, dass diese Person ein Widerling ist“, sagt sie. „Ich denke, ich bin ziemlich belastbar, aber es muss definitiv Regulierungen geben, um Mädchen zu helfen, die vielleicht nicht das Selbstvertrauen haben, das ich hatte.“
„Ich habe meinen Kopf monatelang unter meinem Kissen vergraben nach meinem Oben-ohne-Cover. Ich möchte das nicht noch einmal machen. Leute müssen das respektieren: nein heißt nein.“
Diaconu hat eine Zeit lang die Branche komplett verlassen. Mit 17 gründete sie ein Restaurant mit Freunden in Bukarest – Moo Moo, das gesundes Slow-Food serviert – und schrieb sich in einer Hochschule ein. Doch dann zog sie mit 20 nach New York, wo sie wieder zu modeln begann. „Ich dachte, ich werde es nur ein Jahr machen und sehen, was passiert.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Und dann sind daraus sechs Jahre geworden.“
Ihre Follower-Zahl bei Social Media ist relativ klein im Vergleich zu Stars wie Cara Delevingne, Joan Smalls, Karlie Kloss und Edie Campbell, obwohl die amerikanische Vogue sie so bekannt machte und sie als eines der #InstaGirls bezeichnete. „Ich weiß nicht, wie das passiert ist. Ich habe vielleicht vier Follower“, lacht sie (eigentlich sind es 148.000). „Diese Mädchen haben alle Millionen.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Du musst Sachen für die Arbeit posten, das ist vertraglich häufig so geregelt, aber ich mag das Gefühl nicht, das dadurch entsteht. Ich mag dieses Gefühl der sofortigen Beglückung nicht, das in einem ausgelöst wird, wenn man eine Menge „Likes“ erhält – ich denke nicht, dass es gut für uns ist. Und ich möchte weniger Zeit auf meinem Handy verbringen. „Sie hat also keine Lust, eine Marke zu werden? Karlie und Cara sind Superstars und sie wollen Superstars sein – sie sind gerne berühmt“, glaubt sie. „Meine Persönlichkeit ist dafür nicht geeignet, ich mag die Aufmerksamkeit nicht wirklich.“
Sie hat jedoch die Reichweite und den Einfluss erlebt, wenn sie über wichtige Themen postet, die ihr am Herzen liegen, wie die Open Door Foundation, eine Organisation, mit der sie gegen den Menschenhandel in Rumänien zusammenarbeitet „Wenn dich gerade etwas berührt, dann solltest du darüber posten und reden und vielleicht wird es jemanden erreichen, der andere Kontakte hat und vielleicht löst du dadurch eine Kettenreaktion aus und hilfst irgendjemandem auf die eine oder andere Art und Weise.“
Dennoch ist sie sich ihres eigenen Einflusspotentials nicht bewusst. „Mein Agent sagt immer: ‚Du bist Andreea Diaconu.‘ Und ich sage dann: ‚Ja, genau. Ich denke nicht, dass wir über dieselbe Andreea Diaconu sprechen.‘“
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