Was Frauen brauchen
mit
Taraji P. Henson

Vom Kampf für Lohngleichheit über ihre Zeit als alleinerziehende Mutter bis hin zum Umgang mit Schicksalsschlägen, Taraji P. Henson ist eine Frau, die ihren Wert kennt, niemals aufgibt und kein Blatt vor den Mund nimmt. EVE BARLOW trifft eine Frau, von der wir noch viel lernen können
Taraji P. Henson sagt, was sie denkt. Während sie im Speisesaal der Paramount Studios sitzt – ihre Haare perfekt geflochten, ihre Jacke bauschiger als die eines Hip-Hop-Stars – kann man nicht umhin, sich all die Regisseure, Produzenten und Schauspieler vorzustellen, die hier schon gearbeitet haben. Es ist eine Welt, in der noch nicht viele Frauen mitgespielt haben, insbesondere nicht jene, die nicht weiß sind. In den letzten Jahren hat sich dies jedoch geändert. Dunkelhäutige Frauen sind weitaus präsenter, und Henson gilt als eine der führenden Persönlichkeiten.
Henson hatte viele glorreiche Momente auf der Leinwand, von Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen bis hin zu Der seltsame Fall des Benjamin Button. Wirkliche Anerkennung fand sie jedoch erst mit ihrer Rolle als Cookie in der Fernsehserie Empire des US-amerikanischen Pay-TV-Senders HBO. Trotz der unmittelbaren Liebenswürdigkeit von Cookie zögerte die Schauspielerin zunächst, die Rolle anzunehmen. Auf dem Papier las sie sich wie jemand, den das Publikum hassen würde, eine dreiste ehemalige Strafgefangene etwa; aber dann sah Henson darin eine Chance, nämlich die Chance, die Meinung der Allgemeinheit sowie ihre eigene zu ändern. „Ich verurteile sie nicht mehr“, sagt die Schauspielerin. „Wenn wir einen Unbekannten sehen, mit dem wir uns nicht einschätzen können, bilden wir uns schnell eine Meinung. Dabei müssten wir uns nur in die Person hineinversetzen. Als Schauspielerin ist es meine Aufgabe, dem Publikum etwas begreiflich zu machen.“ Sie verweist auf Charlize Theron in Monster: „Wir hätten sie hassen sollen, aber sie verlieh dieser Frau Menschlichkeit. Schauspieler/innen sollen einen inneren Konflikt im Zuschauer auslösen. Man soll verwirrt sein.“ Eigenschaften von Cookie stecken auch in Henson, denn sie hat ebenso viel Charme wie Biss. Es ist ihr letzter Termin für 2018, bevor sie mit ihrer Familie Urlaub in Südafrika macht, und doch ist sie so gesellig und gesprächig als wäre es ihr erster – Komplimente und Umarmungen inklusive. Sie sagt geradeheraus, was sie will und wie sie es will, ist dabei allerdings so unterhaltsam, dass man ihr gar nicht böse sein könnte.
Ihr Ehrgeiz zeigt sich am deutlichsten darin, wie sie ihr Gehalt verhandelt. Seit Benjamin Button (2008) spricht sie offen über das Thema. Für den Film erhielt sie damals eine Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin. Die Rolle sicherte ihr den Durchbruch und gab ihr die Möglichkeit, öffentlich über die Gageunterschiede zwischen ihr und ihren Co-Stars zu sprechen. Während Brad Pitt und Cate Blanchett Berichten zufolge mehrstellige Millionenbeträge gezahlt wurden, wurde Henson selbst eine Gage von 500.000 US-Dollar, die ihr Agent gefordert hatte, verweigert. „Ich habe nicht einmal um eine Million gebeten. Aber ich musste das Gesamtbild sehen und in den sauren Apfel beißen“, sagt sie über ihren geringeren Lohn. „Ich wusste, dass meine Selbstlosigkeit am Ende den Sieg davontragen würde. Meine Leistung war unbestreitbar – und sogar Oscar-würdig. Und was haben sie dann gesagt? ‚Wir hätten sie anständig bezahlen sollen.‘“ Jetzt versteht sie es als ihre Pflicht, nein zu sagen. „Was, wieviel wollen die bezahlen?!“ Sie stöhnt über die niedrigen Gagen, die ihr einige Filmstudios nach wie vor anbieten. „‚Liebes, da fehlt eine Null. Sag ihnen, sie können mich zurückrufen, wenn sie sie gefunden haben.‘ Wer Taraji P. Henson will, muss eine entsprechende Summe bieten, schlichtweg weil ich mir das verdient habe.“
„Wenn wir jemanden sehen, den wir nicht EINSCHÄTZEN können, bilden wir uns schnell eine MEINUNG. Dabei müssen wir uns in die Person HINEINVERSETZEN“
Es gibt keine Pläne, Empire bald einzustellen, aber Henson möchte nicht bis zum bitteren Ende der Serie dabeibleiben. „Es wird wie bei Sex and the City sein – ich werde gehen, wenn es am schönsten ist“, sagt sie. Sie suggeriert, dass der Erfolg der Serie ein Beweis dafür ist, dass eine Show unabhängig von deren Darstellern ein Hit sein kann; Gleiches gilt auch für den Blockbuster-Erfolg von Black Panther im letzten Jahr. „Es war der schwärzeste Film der Welt und er lief überall gut“, triumphiert sie. „Die Leute wollen unterhalten werden. Niemand wacht auf und denkt: ‚Heute werde ich mir einen weißen Film ansehen.‘“
Im vergangenen Jahr nahm sich die Schauspielerin Sony Pictures Entertainment zur Brust, weil sie das Gefühl hatte, dass ihr Action-Thriller Proud Mary nicht ausreichend im Ausland vermarktet wurde. „Das passiert bei schwarzen Filmen“, sagt sie. „Man erwartet nur, dass er im eigenen Land gut läuft.“Dass ihre Theorie Unsinn war, erkannte Henson, als sie für ihre Projekte auf Werbetour ging. In Europa kannte man nicht nur ihren Namen („Ich habe ziemlich geweint“, sagt sie und bezieht sich damit auf das überwältigende Gefühl, als Fans sie auf den Straßen Londons erkannten), sondern sie konnte sich auch selbst davon überzeugen, dass ihre Kultur weltweit verbreitet ist. „Ich war drei Monate in China. Ich war in den Clubs. Ich weiß, zu welcher Musik man dort tanzt. Ich hasse es, die Rassismuskarte auszuspielen, aber mir bleibt keine andere Wahl“, sagt sie über das zur Rechenschaftziehen der Studios.
„Black Panther war der schwärzeste Film der WELT und er lief überall gut. NIEMAND wacht morgens auf und denkt: ,Heute werde ich mir einen WEISSEN Film ansehen.‘“
Sie freut sich darüber, mehr dunkelhäutige Schauspielerinnen in markanten Rollen arbeiten zu sehen. Als Beispiele nennt sie Gabrielle Union, Vivica Fox, Regina King, Tasha Smith und Sanaa Lathan. „Sie arbeiten nicht nur, sondern übernehmen auch verschiedene weiterführende Aufgaben [als Regisseurinnen und Produzentinnen]“, sagt sie. Henson hat sich nie mit der Vorstellung zufrieden gestellt, es gäbe nicht genug Platz für mehrere schwarze Schauspielerinnen gleichzeitig. „Als ich nach Hollywood kam, gab es nur eine einzige Rolle für eine einzige schwarze Frau. Derweil sah ich für meinen Teil genug Arbeit für alle. Ich habe das Ganze nie als Kampf empfunden. Du schaffst dir deinen eigenen Job. So wurde ich erzogen.“
Henson wuchs in einer rauen Gegend von Washington, D.C. auf. Ihre Eltern haben beide viel gearbeitet, ihre Mutter als Geschäftsleiterin, ihr Vater als Hausmeister. Sie ließen sich scheiden, als Henson zwei Jahre alt war. In ihrer Autobiographie erzählt sie, wie ihr Vater einmal ihre Mutter an den Haaren zerrte und ihr mit Mord drohte. Henson war sich des Missbrauchs als Kind nicht bewusst; mit zunehmendem Alter gab ihr Vater seine Fehler jedoch zu und sprach mit ihr über seine psychischen Probleme. Auch Henson sprach offen über ihre Probleme und gründete im Namen ihres Vaters eine Wohltätigkeitsorganisation für psychische Gesundheit. „Ich gehe jeden Samstag zur Therapie“, sagt sie. „Nur, weil man mich im Fernsehen sieht, heißt das nicht, dass die Stimmen in meinem Kopf verschwinden.“
Ihr Vater starb 2006 an Leberkrebs. Sie spricht gerne über ihn. „Ich war wild. Mein Vater hat es unterstützt.“ Eines Tages würde sie einen Oscar gewinnen, pflegte ihr Vater zu sagen. „Ich war kreativ.“ Sie deutet auf ihren Kopf. „Dieser Muskel ist stark. Gibt man mir ein Drehbuch, kann ich es im Detail erläutern – und eine Oscar-verdächtige Szene schreiben.“
„Ich gehe jeden Samstag zur THERAPIE. Nur, weil man mich im Fernsehen SIEHT, heißt das nicht, dass die STIMMEN in meinem Kopf verschwinden“
„Ich bin KREATIV. Gibt man mir ein Drehbuch, kann ich es im DETAIL erläutern und eine oscarverdächtige SZENE schreiben“
Heute wirbt sie für ihre Hauptrolle in Was Männer Wollen, ein Remake der Liebeskomödie Was Frauen Wollen (2000) mit Mel Gibson. Der Film wird aus der Perspektive eines Vamps am Arbeitsplatz erzählt, als eine Reaktion auf die #MeToo-Bewegung. „Ich war begeistert, mich mit einem aktuellen Gesellschaftsthema zu beschäftigen“, so die Schauspielerin. „Wir setzten uns dann näher damit auseinander. Sie mögen lachen, aber es regt zum Nachdenken an.“ Henson sagt, dass sich Männer in Hollywood nach wie vor unwohl in Gegenwart mächtiger Frauen fühlen. „Ich weiß nicht, warum. Wir lassen sie nur besser aussehen“, scherzt sie. „Ich kann genauso derb reden. Sexistische Witze können mir nichts anhaben. Wenn überhaupt, warte ich nur auf eine Gelegenheit, zurückzuschlagen.“
Henson spricht, als hätte sie ihr Ziel schon immer genau vor Augen gehabt. In der Schule hatte sie zwei Jobs. Tagsüber arbeitete sie als Sekretärin in Teilzeit im Pentagon, während sie nachts als singende und tanzende Kellnerin auf einem Dinner-Dampfschiff Geld verdiente. Die Schauspielerei stand dabei immer im Mittelpunkt, und selbst als alleinerziehende Mutter ihres inzwischen 24-jährigen Sohns Marcel gab sie den Traum vom großen Durchbruch nicht auf. Marcels Vater, von dem sie bereits getrennt war, wurde 2003 von einem Paar ermordet, nachdem er es über das Aufschlitzen der Reifen seines Freundes zur Rede gestellt hatte. Henson zog Marcel ohne eine Vaterfigur auf. „Es ist hart“, seufzt sie. „Ich hätte mir gewünscht, er würde als Teenager bei seinem Vater bleiben, oder bei meinem Vater. Auch Dates hatte ich nie. Und so fragte ich mich: ‚Hat er als Schwarzer genug Selbstvertrauen?‘ Alleinerziehende Mutter zu sein wünsche ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind. Man braucht beide Elternteile.“
Sie holte sich von den Frauen in ihrer Familie Inspiration, insbesondere ihrer Großmutter Patsy. „Sie ist der Grund, warum mein Sohn nie Müsli gegessen hat“, sagt sie. „Er bekam jeden Tag ein hausgemachtes Frühstück. Auch wenn ich um 5 Uhr morgens einen Termin hatte, machte ich ihm Eier, Pfannkuchen oder French Toast. Man kann nicht erwarten, dass ein Kind mit leerem Magen gut lernt.“ Sie ist sehr stolz auf sein Mitgefühl gegenüber anderen. „Er ist sehr empfindsam. Ich finde es toll, dass ich ihn zu einem Mann erzogen habe, der keine Angst davor hat, zu weinen.“
Momentan versucht sie, die perfekte Balance zwischen ihrem Job und ihren Hochzeitsvorbereitungen zu finden. Letztes Jahr am Muttertag verlobte sie sich im Alter von 47 Jahren mit dem ehemaligen NFL-Footballspieler Kelvin Hayden. Sie wollte immer schon heiraten. „Ich war nur noch nicht bereit, mich niederzulassen. Deshalb habe ich gewartet“, sagt sie. Hayden machte ihr in dem Restaurant einen Antrag, wo sie ihr erstes gemeinsames Date hatten. Erst als Geigenspieler am Tisch auftauchten und ihr Lied spielten, wusste sie, was geschah. „Seine Hand war ganz verschwitzt“, lacht sie. „‚Du hast mich ein Jahr lang übers Heiraten ausgefragt, Mensch. Glaubst du, ich würde nein sagen?!‘“ Ganz klar war das ein Angebot, das Henson nicht ablehnen konnte.
Was Männer wollen erscheint am 21. März 2019 in den Kinos