Coverstory

SHE’S THE BOSS

mit

Chloë Grace Moretz

Chloë Grace Moretz über Musik, Business und Brooklyn Beckham

Vom Kinderstar zur Vorzeigeschauspielerin ihrer Generation: Mit uns spricht CHLOË GRACE MORETZ über Musik, Business und einen gewissen Brooklyn Beckham. Von SANJIV BHATTACHARYA.

Foto Bjorn IoossStyling Alison Edmond
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„Ich mache wirklich viel und schaffe trotzdem nicht alles, was ich will!“, sagt Chloë Grace Moretz voller Energie, die in starkem Kontrast zum nahezu menschenleeren Restaurant in Beverly Hills, dem Ort unseres Interviews, steht. Sie trägt Shorts und einen dünnen Mantel:„Pilates“, erklärt sie. „Der Tag hat nicht genügend Stunden!“

Das würden wohl viele von uns unterschreiben, aber die 19-Jährige ist ein Sonderfall. Allein 2015 hat sie einen Roadtrip durch die USA gemacht, sich für Hillary Clintons Wahlkampf engagiert („Ich hatte Tränen in den Augen, als ich ihr das erste Mal begegnet bin. Sie ist eine wirklich beeindruckende Frau. Ich habe ihr gesagt, dass meine allererste Stimme mit 18 Jahren an sie gehen würde“), ihren 41. Film gedreht, eine eigene Produktionsfirma (Treetop Productions) gegründet und ein riesiges Haus in Laurel Canyon gekauft, wo sie mit ihrer Mutter Teri und ihrem Bruder Trevor eingezogen ist, die beide ganz offiziell für sie arbeiten.

„Meine Mutter sagt, ich sei noch so jung und solle es langsam angehen. Sie will, dass ich weniger Filme drehe“, sagt Moretz grinsend, „In den letzten sechs Jahren sind im Durchschnitt drei bis vier pro Jahr gewesen, mir wird sonst langweilig.“Und trotzdem sagt sie: „Ich bin nie zufrieden mit mir.“

Kinderstars sind bekannt dafür, oft gleichzeitig zu jung und zu alt zu sein, so auch Moretz. Jede Frage wird ohne zu zögern mit einer intelligenten Antwort bedacht. Sie wirkt selbstsicher und ist durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Würde sie mir eine Kongress-Kandidatur unterbreiten, ich würde ihr glauben, dabei ist sie erst seit einem Jahr volljährig.

Mantel, Blazer und Hose von Haider Ackermann.

„Bisher gefällt mir das Erwachsensein“, sagt sie begeistert. Ihr erster Akt: der Führerschein und ein Roadtrip durch die USA: zwei Wochen, 4419 Meilen, dazu ein Tattoo mit der ,4419’, nur sie und der Freund ihres Bruders Trevor. „Und ein heißer Flitzer! Ich habe einen Deal mit Mercedes, die haben mir einenGLE 450 gegeben, der Sitze mit Massagefunktion hatte!“

Rund 80.000 Dollar kostet das gute Stück, eigentlich kein Problem für Moretz, doch sie würde nie auf die Idee kommen, so viel Geld für ein Auto auszugeben. „Das ist doch verrückt! Nur bei Oldtimern kann ich nicht nein sagen, sonst stehe ich eher auf Jeeps ohne Türen.“ Auch das Studium ist ihr zu teuer. „Ich interessiere mich für psychische Störungen, aber die Kosten schrecken mich ab. Wir müssen unbedingt was gegen die Studiengebühren in den USA machen!“

Moretz ist in einer Baptistenfamilie in Atlanta, Georgia, aufgewachsen und hat feste Wertvorstellungen mit auf den Weg bekommen. Sie ist das jüngste von fünf Kindern und das einzige Mädchen, was durchaus seine Vorteile hatte. „Ich habe das Leben besser verstanden, weil meine Brüder alle Fehler zuerst gemacht haben“, erklärt sie. Es habe sie auch „extrem konkurrenzbetont“ und „feministisch“ werden lassen, weil alle Geschwister gleichbehandelt worden seien. Aber das Beste: „Wenn mich Jungs besuchen wollten, haben meine Brüder die Tür geöffnet. Vier kräftige Kerle. Und dann hieß es: ,Wenn du Chloë unglücklich machst, bringen wir dich um.’ Einfach cool!“

Kleid von Calvin Klein Collection. Ring von Monica Vinader.
Jacke von Jacquemus. Jeans von Current/Elliott.
Mantel, Cardigan und Bluse von Miu Miu.

Zur Schauspielerei hat sie mithilfe ihres Bruders gefunden, der selber Ambitionen hatte. Wenn ihre Mutter mit Trevor zu Castings nach New York fuhr, nahm sie die kleine Chloë einfach mit und lies sie auch vorsprechen. Auf ein Angebot folgte das nächste, und als sie sechs war, zog die Familie nach LA. Heute managen Trevor und ihre Mutter Moretz’ Karriere und sind Teilhaber ihrer Produktionsfirma. Ist das Nesthäkchen der Familie also gleichzeitig der Boss? „Als Schauspielerin vielleicht schon, aber als Produzenten sind wir alle gleich. Rechthaberei verträgt sich nicht mit Kreativität.“ Sie fügt trocken hinzu: „Außerdem muss man sich als Frau in dieser Branche anders behaupten.“

Moretz’ Eltern ließen sich scheiden, als sie noch klein war. So entstand ein enges Verhältnis zu ihrer alleinerziehenden Mutterund den Brüdern. Ihr Vater spielt in ihrem Leben keine Rolle mehr. „In LA gibt es zu viele Versuchungen, die Leuten zum Verhängnis werden können“, sagt sie vieldeutig.

Diese Zeit war ein Schlüsselmoment in Moretz’ Leben. Erst die Scheidung, dann erkrankte ihre Mutter an Krebs, dann outeten sich zwei ihrer Brüder als homosexuell. Die negativen Erfahrungen, die die beiden machen mussten, haben Moretz zur LGBT-Aktivistin gemacht. Und ganz nebenbei entwickelte sich ihre Karriere in rasendem Tempo. Die Superheldenkomödie Kick-Ass machte sie zum Star, trotz aller Kontroversen – der Film wurde als gewaltverherrlichend dargestellt, zudem hörte man die damals elfjährige Chloë das in den USA verpönte C-Wort in den Mund nehmen. Im Jahr darauf war sie mit Johnny Depp in Dark Shadows zu sehen („Besser kann ein Mann nicht riechen! Er hat seinen eigenen Duft, man munkelt mit Eigenblut“). Beim Dreh zu Hugo Cabret 2011 erlebte sie Martin Scorsese als „vitaler als die meisten jungen Regisseure“. Und beim Dreh zu Carrie 2013 entstand die Freundschaft zu Filmmutter Julianne Moore, mit der sie regelmäßig in Kontakt ist. „Sie gibt mir Ratschläge zur Familie und Karriere. Ich habe die besten Vorbilder.“

Tunika von Adam Lippes. Hose von Vika Gazinskaya. Ring von Maison Margiela.
Cardigan von Chloé. Bluse von Ellery.

Dazwischen hat sie irgendwie ihren Schulabschluss gemacht. Ihr Privatlehrer, den sie mit Freundin Hayden Panettiere teilt, ist mit ihr von Set zu Set gereist. „Der Druck war enorm, vor allem beim Dreh von Carrie. Ich stand weinend vor der Kamera, um direkt danach Mathe zu pauken!“

Hätte sie eine normale Highschool besucht, wäre sie der Streber gewesen, sagt sie, keine Cheerleaderin, keins von den fiesen Mädchen. Ihre Freizeit verbringt sie auf Konzerten – Goldlink, Banks und Moxie sind ihre Lieblingsbands. Erst letztens war sie dabei, als Freundin Georgia Nott, Leadsängerin der Band Broods, als Vorband von Ellie Goulding auftrat. „Ich bin so stolz auf sie“, sagt Moretz. „Sie ist erst 21“. Also kein Bieber-Fan? „Neeeein!“, lacht sie. Aber sie tobt sich gerne mal aus. Am liebsten geht sie „mit ihren Brüdern in Schwulenclubs tanzen“.

Der Erfolg hat seinen Preis: ihr Sozialleben. Das ständige Reisen macht es schwer, Freundschaften zu schließen. „Es gibt nur eine Person, auf die ich mich voll und ganz verlassen kann, aber das ist OK.“ Das Daten gestaltet sich schwierig. „Männer haben mich in Sexszenen und tränenüberströmt gesehen“, sagt sie. „Sie lesen meine Interviews, wissen, welche Bands ich mag und sehen dann all diese Gemeinsamkeiten… Ab und zu denke ich: ,Warum verstehen wir uns gut?’ Bis es Klick macht, dann ist mir alles egal und ich stürze mich wieder in die Arbeit.“

Kleid (als Top getragen) und Ring von Maison Margiela. Hose von Juan Carlos Obando.

Ob diese Enttäuschungen jetzt vielleicht der Vergangenheit angehören? Immer wieder wird Moretz mit Brooklyn Beckham gesichtet. „Wir sind nur gute Freunde“, kommentiert sie. „Die Beckhams sind eine tolle Familie.“

In den Tagen nach unserem Interview wird ihr Beziehungsstatus in den Medien debattiert. Beckham postet Fotos vertraut wirkender Momente auf Instagram,die auf eine Beziehung deuten. Schließlich gibt Moretz im US-Fernsehen zu: „Ja, wir sind zusammen.“

Damit bestätigt sie etwas, was sie mir gegenüber angedeutet hat. Vielleichtsei sie glücklicher mit jemandem, der einen ähnlichen Bekanntheitsgrad hat wie die Beckhams: „So jemand hat Verständnis für die Reisen, die Sexszenen, den vollen Terminkalender…“

Wie war das mit dem Rat ihrer Mutter, die Dinge langsamanzugehen? „Ich mache viel Sport, zählt das? Die Endorphine machen mich glücklich.“ Nicht wirklich, von Entschleunigung war die Rede!„Ich versuch’s ja. Über meinen Geburtstag habe ich meine Familie zwei Wochen lang mit nach Mexiko genommen, um am Strand zu relaxen.“ Das klingt schon besser. Doch sie grinst. „Na ja, wir haben viel unternommen: reiten, Kanu fahren, Tennis. Man kann ja nicht die ganze Zeit nur rumliegen…“

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