Ganz schön gewagt
mit
Diane Kruger

Von eklektischen Filmrollen bis hin zu Mode-Statements, Schauspielerin DIANE KRUGER ist furchtlos. Mit MARISA MELTZER spricht sie über das Alleinsein, ihr Ehedilemma und mutige modische Entscheidungen.
Diane Kruger erscheint zu früh zu unserem Interview in New York. „Das ist meine deutsche Seite“, scherzt sie, und stellt eine riesige Chanel-Tasche neben sich. Ihre Frisur erinnert an das Hollywood vergangener Tage, dazu trägt sie einen Pullover mit Tigerprint von Gucci, Jeans und goldene Perlenohrringe. Krugers durchgestylter und gleichzeitig legerer Look erfüllt sämtliche Erwartungen an eine Stilikone.
Sie mag ruhig und besonnen wirken, eigentlich aber befindet sie sich in Aufbruchsstimmung. „Ich bin diese Woche erst nach New York gezogen“, sagt sie. „Ich muss Kisten auspacken und Sachen für die Wohnung kaufen.“ In den letzten fünf Jahren ist sie zwischen Paris und Vancouver hin und her gependelt, wo ihr Freund, Schauspieler Joshua Jackson, für eine Serie vor der Kamera stand. Jacksons Off-Broadway-Debüt in Smart People war der Auslöser für den Ortswechsel. „Der Umzug war ein Schritt ins Erwachsenenleben; es fällt mir nicht leicht, meine ganze Zeit mit jemandem zu teilen“, gibt sie zu.
Im Umziehen war Kruger schon immer gut. Sie wuchs in der kleinen Gemeinde Algermissen bei Hildesheim auf, nahm Ballettunterricht und gewann mit 16 Jahren einen Wettbewerb der Modelagentur Elite, woraufhin sie als Model für Yves Saint Laurent, Chanel, Armani und zahlreiche andere Designer tätig wurde. Auf dem Weg lernte sie Karl Lagerfeld kennen, den sie als „lustig, zynisch, gebildet und kultiviert“ beschreibt. „Er liebt Bücher und hat immer einen Tipp parat.“ Die beiden tauschen Fotos ihrer Katzen aus, ihre ist ein Straßentiger namens Hobbes, seine eine verwöhnte Social-Media-Sensation, die auf den Namen Choupette hört. Im Gegensatz zur Freundschaft mit Lagerfeld hielt das Modeln nicht lange an. „Mit 15 Jahren will man im Mittelpunkt stehen und seine Weiblichkeit austesten“, erklärt sie, „aber bei der zweiten 60er-Trendwelle dachte ich mir: ,Ich muss hier raus.‘“
„Es heißt, ich sei kühl, aber Smalltalk liegt mir einfach nicht. Eine schlechte Voraussetzung für meinen Job“
„Französische Filme sind interessanter.In den USA haben Frauen immer nur Nebenrollen“
Sie wandte sich der Schauspielerei zu und besuchte die renommierte Schauspielschule Cours Florent in Paris. Nach einigen kleineren Parts folgte 2004 der Durchbruch mit der Rolle der schönen Helena in Troja, für die sie sich gegen 3.000 andere Bewerberinnen durchgesetzt haben soll. Kruger hatte den fliegenden Wechsel zwischen Hollywood und kleineren europäischen Produktionen bereits perfektioniert, als sich ihr die nächste große Chance in Form von Quentin Tarantinos Kriegsfilm Inglourious Basterds bot. Ihre Darstellung der Doppelagentin Bridget von Hammersmark brachte ihr eine Nominierung für den Screen Actors Guild Award ein.
Es mag ausgesehen haben, als wäre ihr der Erfolg zugeflogen, doch die Realität sei weit davon entfernt gewesen. „Ich bin Einzelgängerin“, gibt sie zu. „Das hat mich im Leben aufgehalten. Ich weiß in großen Gruppen nicht, wie ich mich verhalten soll. Es heißt dann, ich sei kühl und unnahbar, aber Smalltalk liegt mir einfach nicht“, sie fängt an zu lachen – „eine denkbar schlechte Voraussetzung für meinen Job.“
Im französischen Drama Maryland geht es um eine gutsituierte Hausfrau und einen Ex-Soldaten, der sie und ihr Kind beschützen soll. Eine großartige Chance für Kruger, nicht nur aufgrund der Arbeit mit der französischen Regisseurin Alice Winocour, sondern auch weil „französische Filme für Schauspielerinnen interessanter sind. In US-Produktionen sind die Frauen unabhängig von der Story dazu da, die männlichen Hauptdarsteller gut aussehen zu lassen.“
„Bis vor Kurzem hatte ich kein Privatleben, ich war in Gedanken immer schon bei der nächsten Sache“
Auch ein Thriller mit Catherine Deneuve führt sie nach Frankreich. „Ich habe Deneuve immer für eine piekfeine Pariserin gehalten – von wegen! Als ich sie das letzte Mal sah, saß sie in einem Pelzmantel auf der Motorhaube eines Autos, in einer Hand eine Zigarette, in der anderen ein Glas Wein. Sie ist wirklich cool.“
Je näher ihr 40. Geburtstag rücke, so die Schauspielerin, desto häufiger hinterfrage sie sich selbst. „Bis vor kurzem hatte ich kein Privatleben. Ich war in Gedanken immer schon bei der nächsten Sache. Aber als ich 30 wurde, habe ich gemerkt, wie dumm das ist. Ich habe drei Sprachen gelernt, bin um die Welt gereist, habe viel Kohle gescheffelt… aber ich hatte nicht die leiseste Ahnung davon, was um mich herum passiert, geschweige denn mit mir selbst.“ Sie fasste den Vorsatz, sich ihren Ängsten zu stellen: „Jetzt bin nicht mehr so ichbezogen!“
Kruger gibt zu, die Serie ihres Freundes, The Affair, nicht oft zu sehen. „Ihm ist das lieber so, die ganzen Sexszenen… Ich glaube, das würde nur zu unbequemen Gesprächen führen.“ Das Thema Ehe kommentiert sie mit: „Das ist mein Dilemma!“ Immerhin versuchen Jackson und sie regelmäßig Zeit für die schönen Dinge zu finden. Seit fünf Jahren gehen sie gemeinsam zum Coachella-Festival, wo sie normalerweise ein Haus mit Designer Jason Wu und anderen Freunden mieten.
„Ich habe keine Angst vor Mode. Was gegen meinen Rock? Pech gehabt!“
Freundschaften mit Designern sind für sie Normalität; vielleicht nicht ungewöhnlich bei einer Frau, die regelmäßig auf Best-Dressed-Listen erscheint. Das Geheimnis ihrer Stilsicherheit scheint ihre furchtlose Art zu sein. „Viele machen sich den Druck, immer gut aussehen zu müssen. Vielleicht ist es mein Modebackground, aber ich kenne diese Angst nicht. Was gegen meinen Rock? Pech gehabt!“
Auch wenn sie erstmal in New York zu Hause ist, denkt sie bereits über den nächsten Umzug nach. „Ich bin durch und durch Europäerin; ich träume davon, in Paris alt zu werden und dort Kinder großzuziehen“, sagt sie. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, bis an mein Lebensende Cocktails in Hollywood zu schlürfen.“
Wo auch immer es sie hinführen wird, Kruger ist dazu entschlossen, das Leben in vollen Zügen zu genießen. „Ich habe realisiert, dass ich nie einen Part besser spielen werde als mein eigenes Leben.“
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