Das Designer-Interview: Gabriela Hearst
GABRIELA HEARST steht für zeitlose sowie besonders tragbare Designs, die sowohl bei Prominenten als auch modernen Business-Frauen gleichermaßen beliebt sind. Mit EMMA SELLS spricht sie über das Entwerfen von nachhaltiger Kleidung mit Stil und warum Cecile Richards die perfekte Muse ist
Gabriela Hearst ist (wirklich) aufgeregt vor ihrem Shooting mit PorterEdit, als wir an einem sonnigen Donnerstagmorgen in ihrem Townhouse im New Yorker West Village ankommen. Nicht etwa, weil die Designerin es liebt, vor der Kamera zu stehen – sie fühlt sich hinter den Kulissen weitaus wohler – sondern, weil es für sie die perfekte Ausrede ist, um Cecile Richards wiederzusehen. Hearst traf die Aktivistin und ehemalige Leiterin von Planned Parenthood vor zwei Jahren. Damals setzte sie alles und jeden, sogar Anna Wintour, in Bewegung, um sie für die Verleihung der CFDA-Awards stylen zu können. „Sie ist eine der Frauen, die ich sehr bewundere. Ich bin ein Fan, Punkt“, sagt Hearst. „Sie ist ein Vorbild.“
Es stimmt: Richards ist klug, stark, inspirierend und genau die Art von Frau, die Gabriela Hearst – sowohl das Label als auch die Designerin selbst – anspricht. Von Jill Biden bis hin zu Oprah Winfrey, die Liste der Frauen, die das Label tragen, liest sich wie eine Aufzählung der einflussreichsten Namen der weiblichen Gesellschaft. Richards führt den Reiz der Marke auf die Absichten von Hearst zurück. „Sie ist eine so einzigartige Person. Sie fühlt sich den Frauen und der Mode eng verbunden und möchte zu einem erfolgreichen Kleidungsstil beitragen“, sagt die Frauenrechtlerin. „Ihre Kleidung ist unglaublich schmeichelhaft und passt sich der weiblichen Silhouette an, ohne zu überladen. Wenn ich sie anziehe, fühle ich mich 200% besser. Sofort habe ich das Gefühl: ‚Ich kann jetzt rausgehen und alles erreichen.‘“
Das liegt zum Teil an der Kleidung selbst – die perfekte Mischung aus handwerklichem Geschick und einer erwachsenen wie auch raffiniert eleganten Ästhetik. Hearst entwirft für Frauen, nicht für Mädchen; Professionelle, die einen arbeitsreichen Lebensstil führen und ihre Zeit für andere Dinge nutzen, als sich morgens ewig mit der Frage nach dem richtigen Outfit zu beschäftigen. „Es gibt Leute, die sich dafür schämen, wenn sie sagen, dass sie für Erwachsene entwerfen. Das finde ich etwas seltsam“, sagt Hearst als wir uns in ihrem Wohnzimmer setzen. Der Raum besticht durch eine gekonnte Auswahl an Kunst und Möbeln, während ihre Kinder unten in der Küche zu Mittag essen. Es ist die Philosophie des Labels, ebenso wie die Ästhetik, die im Einklang mit ihrer Trägerin steht. Hearst hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Begriff Luxus neu zu definieren und das Image und die Idee der Nachhaltigkeit in der Mode umzugestalten. Zumindest so lange wie sie ein Teil der Branche ist.
„Ich wollte eine echte, amerikanische Luxusmarke erschaffen, die ihre Produkte bewusst herstellt. Wir nennen es den ehrlichen Luxus. Ich bin daran interessiert, mit den besten Materialien, den besten Handwerkern und den besten Fabriken, die ich finden kann, zu arbeiten
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Sie gründete ihr gleichnamiges Label im Jahr 2015. Der Tod ihres Vaters und das Erbe der Familienfarm in Uruguay, wo sie aufwuchs, gab ihr damals den Anstoß. „Es ist eine Farm mit Weidehaltung und biologischer Rinder- und Merinoschafzucht“, erklärt sie. „Meine Familie macht das seit sechs Generationen.“ Bis dahin führte sie 12 Jahre lang eine moderne Bekleidungslinie in New York. Sie stand unter dem Druck, die Preise wettbewerbsfähig zu halten und verwendete deshalb billigere Stoffe und Materialien. Damit fühlte sie sich nicht wohl. „In Wirklichkeit wollte ich eine echte, amerikanische Luxusmarke erschaffen, die ihre Produkte bewusst herstellt“, sagt sie. „Wir nennen es den ehrlichen Luxus. Ich bin daran interessiert, mit den besten Materialien, den besten Handwerkern und den besten Fabriken, die ich finden kann, zu arbeiten. Zum einen, weil ich glaube, dass man mit Qualität eine Leidenschaft unterstützt. In Italien gibt es Fabriken, die wie unser Unternehmen seit Generationen in der Familie liegen. Manchmal braucht es eben mehr als eine Generation, um ein wirklich gutes Produkt zu entwickeln. Zum anderen bedeutet die Arbeit mit den besten Materialien, dass man nur in wenige Key Pieces investieren muss.
Ein weiterer Unterschied? Hearst macht sich keine Gedanken um Trends. Sie möchte Kleidung kreieren, die über mehr als nur eine oder zwei Saisons getragen wird. „Ich habe eine große Leidenschaft für außergewöhnliches und zeitloses Design“, sagt sie. „In diesem Haus gibt es beispielsweise so viele Dinge aus verschiedenen Epochen, die ihren Charme nicht verlieren. Es geht darum, Designs zu finden, die schön altern. Das habe ich auf der Farm gelernt, denn die Möbel, die wir haben, wurden von unseren Vorfahren an uns vererbt. Die Qualität ist hochwertig und langanhaltend. Man kann nicht einfach in ein Möbelhaus gehen und sich ein Bett kaufen, das am nächsten Tag geliefert wird.“
Sie bleibt den Klassikern in ihrer Garderobe treu; elegante Freizeit-Kleider, Statement-Mäntel und schicke Hosenanzüge mit einem cleveren Twist, während ihre begehrten Taschen – architektonische Formen mit einer femininen Note – jedem Look den Feinschliff verleihen. Mit Ausnahme der „Demi“ (benannt nach Demi Moore, weil sie die „Nina“ Tasche liebte und um eine kleinere Version bat) ist jede der Taschen nach einer herausragenden Sängerin benannt, von den Modellen Patsy und Cline über Diana und Ross bis hin zu Joni und Mitchell.
„Es spielt keine Rolle, wie nachhaltig ich das Produkt herstelle, wenn es keiner haben will. Frauen wollen Qualität und sie lieben Hochwertigkeit, aber es muss auch Spaß machen und Freude bereiten
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In der Mode dreht sich momentan alles um Nachhaltigkeit, aber für Hearst ist das kein Trend, sondern eine Lebensweise, mit der sie aufgewachsen ist. „Wir waren auf eine zweckorientierte Weise nachhaltig. So wurden die Dinge eben gemacht“, sagt sie. „Wir waren vom Stromnetz getrennt, also hatten wir Solarzellen, bevor die meisten Leute Solarzellen hatten und Wasser wurde aus der Erde gewonnen. Das Leben mit so viel Land ist sehr abgeschieden. Nachts ist es völlig dunkel, sodass man die Sterne sieht und allen möglichen Geräuschen der Natur lauschen kann. Die Natur hat für mich schon immer eine große Rolle gespielt. Ich denke, dass es deshalb nur natürlich für mich ist, sie schützen zu wollen, obwohl ich weiß, dass ich sie eigentlich nicht beschütze. Ich schütze die Menschheit, weil wir diejenigen sind, die ausgerottet werden.“
Aufgrund dessen gibt sie sich große Mühe, um Plastik aus ihrer Produktion zu verbannen. Sie verwendet innovative Stoffe wie Leinen, das mit Aloe Vera behandelt wurde, oder Hightech-Silber als Innenfutter für ihre Taschen und zum Schutz vor schädlicher Handystrahlung. Auch arbeitet sie mit Manos del Uruguay zusammen, eine gemeinnützige Organisation, die Handarbeiterinnen unterstützt. Und auf Vorschlag ihres Mannes, der CEO des Labels ist, verbindet sie geschickt zwei Welten miteinander, indem sie die Wolle ihrer Schafe in Uruguay verarbeitet und daraus weiche Pullover herstellt.
Mit drei Kindern, ihrem Ehemann, einem Unternehmen sowie einer Farm und Vorstandsrolle bei Save The Children ist Hearst genau die Art von Frau, für die sie auch entwirft. Sie gibt zu, dass sie ein Workaholic ist und seit Jahren keinen richtigen Urlaub mehr hatte, aber sie arbeitet an der richtigen Balance. „Vor etwa zwei Jahren habe ich einen Kreis gezeichnet und ihn in vier Teile geteilt, um es mir besser vorstellen zu können“, sagt sie. „Ein Viertel ist mein Job, das andere meine Familie, das dritte stellt die Hilfe, die ich anderen leisten möchte dar und das vierte steht für den Spaß. Ein Viertel des Lebens muss man dem Spaß widmen, denn man lebt nur einmal, richtig? Das Leben ist ein Geschenk.“
Inzwischen wird ihr Label immer größer und es soll zu einer Lifestyle-Marke weiterentwickelt werden. Die Lancierung von Homewear können wir schon gar nicht mehr erwarten. Ganz gleich, wie sehr das Label jedoch wächst, der stilvolle und bewusste Ethos bleibt der gleiche. „Es spielt keine Rolle, wie nachhaltig ich das Produkt herstelle, wenn es keiner haben will“, sagt Hearst. „Frauen wollen Qualität und sie lieben Hochwertigkeit, aber es muss auch Spaß machen, oder? Es muss Freude bereiten.“
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