Das Designer-Interview: Mother of Pearl
Innerhalb 13 Jahren hat sich AMY POWNER vom Atelier bis zur Spitze des Londoner Modehauses Mother of Pearl gearbeitet und ist seit 2015 für die kreative Leitung verantwortlich. Mit unermüdlicher Leidenschaft macht sie sich seither für Nachhaltigkeit und ethisch vertretbare Mode stark. Im Gespräch mit EMMA SELLS teilt sie ihr Geheimnis für anspruchsvolle Fashion mit Stil und gutem Gewissen
Amy Powney, Kreativdirektorin des nachhaltigen Londoner Labels Mother of Pearl, steht nicht gerne selbst vor der Kamera, doch die gemeinsamen Aufnahmen mit Vicky McClure machen es ihr um einiges leichter. Die aus der Serie Line of Duty bekannte Schauspielerin und Powney hatten sich seit Monaten aus der Ferne gegenseitig bewundert, doch erst beim Fotoshooting für PORTER tatsächlich kennengelernt. Es dauert nicht lange und beide kichern ausgelassen in der Maske, sprechen über ihre Liebe zu den Spice Girls und tauschen gegenseitig Nummern aus. „Ich fühle mich, als wären wir schon ein Leben lang befreundet“, lacht McClure am Ende des Tages. Beide Frauen haben so einiges gemeinsam, sie sind fleißig, unkompliziert, bodenständig und vor allem humorvoll. Doch Mode hat sie letztlich zusammengeführt. McClure trug erst Anfang des Jahres ein schulterfreies Kleid von Mother of Pearl für einen Fernsehauftritt und war direkt Feuer und Flamme für das Label. „Ich hatte das Gefühl, dass es zu mir passt. Mein Kleidungsstil ist weniger elegant, aber das macht es gerade so interessant“, sagt sie. „Die Silhouetten sind fantastisch und mir waren Amys ethische Prinzipien bereits bekannt. Ich denke, das ist wirklich wichtig. Wenn ich nachhaltige Designer unterstütze, habe ich das Gefühl, meinen Beitrag zu leisten.“
Seit 13 Jahren widmet Powney ihre Kreativität dem Label Mother of Pearl, hat sich vom Atelier bis zur Spitze des Unternehmens gearbeitet und ist seit 2015 für die kreative Leitung verantwortlich. Damals galt das Label als eine solide, erfolgreiche und moderne Marke, das für seine schöne Kleidung mit bunten Blumenmustern berühmt war. Nach einer gewissen Weile merkte Powney jedoch, dass sich diese Rolle nicht richtig anfühlte. Die Masse an produzierter Ware war ihr zuwider und mit der Ästhetik konnte sie sich nicht identifizieren. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Interesse an Nachhaltigkeit bereits entfacht, ihre Abschlusskollektion an der Kingston School of Art bestand aus rein biologischen und fair gehandelten Materialien und immer mehr versuchte sie, Umweltbewusstsein aktiv in ihren Alltag zu integrieren. Es schien nur logisch, dass sie mit dem Label den gleichen Weg wählte. „Ich bin eine echte Perfektionistin und wollte nicht einfach in die Thematik einsteigen und dann sagen, dass ich Bio-Baumwolle verwendet habe“, erklärt sie, als wir trotz des bevorstehenden Regens beschließen, nach dem Fotoshooting am Kanal in East London etwas frische Luft zu schnappen. „Es ist schwierig, weil es keinen Leitfaden für eine nachhaltige Marke gibt. Aber ich wollte alles über die gesamte Herstellungskette wissen, wo etwas angebaut wird, wer für die Fertigung verantwortlich ist, wie viel die Mitarbeiter gezahlt bekommen, woher etwas stammt. Ich muss über sämtliche Sachverhalte Bescheid wissen, bevor ich darüber spreche und mich behaupten kann. Für mich muss es absolut authentisch sein.“
Ihre durchdachte Herangehensweise bezieht sich nicht nur auf die von ihr verwendeten Stoffe, obwohl die meisten davon biologisch angebaut und nachhaltig bezogen werden. Dank ihrer Initiative wurden alle Prozesse bewusst verlangsamt und mittlerweile wird eine geringere Anzahl aus weniger unterschiedlichen Materialien über zwei statt vier Saisons produziert – ganz im Gegensatz zu den ständig wechselnden Modetrends. Die Designs hat sie zudem optimiert, indem sie im Team ein neues Mantra etabliert hat: Klassisch, aber nie langweilig. Powney ist entschlossen, ihre Mode sowohl nützlich als auch begehrenswert zu gestalten, die Midi-Tuniken, perlenverzierten Jeans und bunt bedruckten Blusen sollen möglichst lange getragen und geliebt werden. Es geht nicht darum, Trends blind zu folgen und abzuarbeiten. Sie selbst trägt eines dieser zeitlos schönen Kleider ihrer Kollektion, von denen sie gleich mehrere besitzt. „Ich möchte, dass Frauen sich gut fühlen, sowohl in ihrer Kleidung als auch, weil sie etwas ethisch Korrektes gekauft haben“, sagt sie. „Es klingt simpel, aber manchmal haben die einfachsten Dinge die größte Wirkung. Das hat etwas Befreiendes für Körper und Seele.“
„Es gibt keinen Leitfaden für eine nachhaltige Marke. Aber ich wollte alles über die gesamte Herstellungskette wissen, wo etwas angebaut wird, wer für die Fertigung verantwortlich ist, wie viel die Mitarbeiter gezahlt bekommen… Ich muss über sämtliche Sachverhalte Bescheid wissen, bevor ich darüber spreche und mich behaupten kann. Es muss authentisch sein
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Powney war schon immer kreativ, ihre Mutter arbeitete in einer Stofffabrik und brachte oft Reste mit nach Hause. Sie erinnert sich gerne daran, wie sie als Kind zeichnete oder Patchworkdecken daraus fertigte. Das Interesse für Mode entwickelte sie im Teenageralter, als sie den enormen Einfluss von Kleidung auf verschiedene Gruppen und Identitäten bemerkte. „Ich war das seltsame Mädchen aus dem Wohnwagen, die sich den coolen Jogginganzug von Adidas nicht leisten konnte“, gesteht sie. „Dabei war ich so unglaublich begeistert von diesem Look, die Spice Girls und alle meine Mitschüler trugen die berühmte Marke mit den drei Streifen. Ich wollte dazugehören. Letztlich habe ich einen bekommen, weil ich dafür arbeiten ging und mir das Geld selbst verdient habe. Ich bin wirklich stolz auf die Werte, die mir meine Eltern vermittelt haben. So habe ich gelernt, wie das Image eine Person definieren und gesellschaftlich positionieren kann.“
Ihre Leidenschaft für Nachhaltigkeit lässt sich auf ihre Kindheit in Lancashire zurückführen. Inspiriert von der britischen Sitcom The Good Life zog die Familie damals in einen Wohnwagen aufs Land und bauten dort gleichzeitig ein eigenes Haus. Powney und ihre 10-jährige Schwester waren davon wenig begeistert. „Uns gefiel es gar nicht. Es war eine schlimme Zeit“, lacht sie. „Die Idee war toll und man hat immer etwas zu erzählen. Diese Erfahrung hat meinen Charakter definitiv geprägt, aber damals habe ich es anders empfunden. Im Norden regnet es die ganze Zeit und dann wohnt man bei dem Regenwetter auch noch in einem Wohnwagen, umgeben von Schlamm. Wir hatten auch keinen Stromgenerator, sodass man nicht einmal fernsehen konnte. Eigentlich war es echt scheiße.“
Der Einfluss dieser Lebenserfahrung zeigt sich bis heute: Powneys Karriere und die Waldschule, die ihre Schwester gemeinsam mit dem Vater betreibt, sind der Beweis dafür. „Es hat uns unterbewusst zusammengeschweißt“, sagt sie. „Dadurch, dass wir keinen Strom oder fließendes Wasser gehabt haben, sehe ich die Dinge anders. Ohnehin war ich als Kind sehr wissbegierig. Aber ich denke, dass man mehr über die Frage nach der Herkunft nachdenkt, wenn man auf gewisse Annehmlichkeiten verzichtet. Es hat mein ganzes Leben beeinflusst und meine Neugier geweckt. Ich hinterfrage alles, anstelle die Dinge einfach zu akzeptieren.“
Ihr unermüdliches Streben nach Wissen und Veränderung hat sie zu so etwas wie einer Koryphäe für Nachhaltigkeit gemacht. Brancheninterne Journalisten und Redakteure, die sich mit der Informationsflut rund um das Thema im Bereich Mode beschäftigen, fragen sie um Rat. Für ein Projekt schloss sie sich jüngst mit BBC Earth zusammen: Gemeinsam produzierten sie einen Kurzfilm, der die Zuschauer zum Nachdenken über die Auswirkungen unseres Konsumverhaltens auf die Umwelt anregen soll und führten eine Reihe von Podiumsdiskussionen während der London Fashion Week. Außerdem kreierte sie eine Capsule-Kollektion (hier im Bild), hergestellt aus Peace Silk (tierleidfreie Seide), umweltfreundlichen Färbungen und zertifizierten, organischen Geweben.
„Für mich beruht Nachhaltigkeit auf einer Einstellung“, erklärt sie. „Sobald man die Dinge in Frage stellt und genauer hinsieht, beeinflusst es das ganze Leben. Es ist ganz einfach. Fragen Sie sich: Brauchen ich das wirklich? Wofür brauche ich es? Gibt es eine bessere Alternative?“ Welchen Ratschlag hat sie also für Frauen, die gewissenhafter mit ihrer Garderobe umgehen möchten? „Als erstes sollten Sie weniger kaufen und wenn, nur Pieces, an denen lange Zeit Freude haben und die Sie immer wieder tragen werden“, sagt sie, ohne zu zögern. „Zweitens können Sie Secondhand kaufen und drittens versuchen, mehr in Nachhaltigkeit zu investieren. Kaufen Sie also lieber Marken, die es besser machen und achten Sie auf hochwertige Qualität. So können Sie Kleidung, die ihren Dienst getan hat, eventuell weiterverkaufen.“
„Nachhaltigkeit beruht auf einer Einstellung. Sobald man die Dinge in Frage stellt und genauer hinsieht, beeinflusst es das ganze Leben. Fragen Sie sich: Brauchen ich das wirklich? Wofür brauche ich es? Gibt es eine bessere Alternative?
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Powney hat stets vor Augen, dass Kleidung Spaß machen soll und Frauen in erster Linie an Mode interessiert sind, die begeistert und ein fantastisches Gefühl vermittelt. „Zu sehen, wie sich Vicky heute beim Styling über die Looks gefreut hat, macht mich glücklicher als jede Fashion Show. Sie haben ihr gefallen und sie hat sie gerne getragen. Das hatte nichts mit Nachhaltigkeit zu tun, sondern damit, dass sie für ihren Job gut aussehen muss. Es beweist, dass nachhaltige Mode auch stylish sein kann. Echte Fashionistas müssen sich dieser Option bewusst sein.“
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