Coverstory

Neue Welt

mit

Claire Foy

Sie wehrte sich inmitten der Kontroverse über Lohnunterschiede bei The Crown gegen Meinungsverschiedenheiten und Verrat, aber CLAIRE FOY sagt, dass sie mit ihrem dramatischen Leben Frieden geschlossen hat. Die Schauspielerin spricht mit SUSIE RUSHTON über den Umgang mit Angst und das Finden von Kraft in Lisbeth Salander

Foto Liz CollinsStyling Helen Broadfoot
Coverstorys

Millionen von uns sahen Claire Foy zuletzt in der Rolle der Königin Elisabeth II. im Buckingham Palace am Ende der zweiten Staffel der Netflix-Serie The Crown. Ihre Darstellung, für die Foy mit einem Golden Globe und einem Emmy ausgezeichnet wurde, sicherte der britischen Schauspielerin den internationalen Durchbruch. Wir sind in einem Members Club im Londoner Westen verabredet und selbst von hinten erkenne ich sie sofort. Ihre königliche Haltung und Grazie verschmilzt mit ihrer Elfenbeinhaut und den dunklen Haaren zu einem harmonischen Gesamtbild. Foy war früh angekommen, aber die Hostess hat sie nicht erkannt. Sie konnte unsere Reservierung nicht finden und geleitete den TV-Star wieder hinaus. Natürlich war Foy viel zu höflich, um ihren Namen zu nennen.

Vergnügt verdreht Foy die Augen, als wir es uns drinnen gemütlich gemacht haben. Ihr Erscheinungsbild schwankt zwischen Zurückhaltung und amüsantem Kichern. Sie trägt einen kurzen Regenmantel in Beige, ein weißes T-Shirt und Bluejeans von Levi’s zu einer Tasche von GG Marmont aus rotem Samt und hohen Stiefeln von Rouje. Die 34-Jährige sieht aus wie eine elegante Pariserin. Ihr einziger Statement-Schmuck ist eine 1957er-Rolex, ein Geschenk an die Hauptdarsteller zum Ende der letzten Staffel.

„Man hat mich damit sehr VERLETZT [der Lohnunterschied], weil ich zwei Jahre für The Crown arbeitete. Ich mochte ALLE Mitarbeiter. Und dann wurde mir klar, dass es ein großes und DRECKICKES Geheimnis gibt“

Obwohl sie derzeit eine Pause von der Schauspielerei einlegt, ist sie demnächst in Damien Chazelles Aufbruch zum Mond zu sehen. An der Seite von Ryan Gosling, der im Film den Astronauten Neil Armstrong spielt, ist sie darin als seine Frau Janet (eine von mehreren hochkarätigen Rollen, die sie nach The Crown erhielt) zu sehen. Wie schrecklich, sage ich, mit Ryan Gosling verheiratet zu sein. „Nun, ich war nicht mit Ryan Gosling verheiratet“, sagt sie nüchtern. „Leider war ich mit Neil Armstrong verheiratet.“

Foy verleiht einem Part eine unvergleichliche psychologische Tiefe. „Janet und Neil hatten eine sehr ausgeglichene Beziehung. Sie hat sich um das Zuhause gekümmert und arbeitete nebenbei als Schwimmlehrerin. Sie war unabhängig von ihrem Mann, denn sie wusste bereits zu Anfang der Beziehung, dass er sterben könnte.“ Janets Wut über den Umgang der NASA mit den Ehefrauen der Apollo-11-Raumfahrer gibt dem Film den nötigen Biss. „Es gab viel Groll gegen die NASA. Sie waren sehr respektlos gegenüber den Frauen im Leben dieser Männer. Wusstest du, dass sie sie daran gehindert haben, zum Start zu kommen? Weil sie ablenken könnten“, sagt die Schauspielerin ungläubig.

Eröffnugsbild: Top von Cami NYC. Hose von Victoria, Victoria Beckham. Gürtel von Miu Miu. Uhr von Jaeger-LeCoultre. Dieses Bild: Jacke von Miu Miu. BH von Anine Bing.
Hemd von The Row. BH von Anine Bing. Hose von Victoria, Victoria Beckham. Gürtel von Isabel Marant.

Foy hatte sich selbst im März mit dem Sexismus innerhalb der Branche auseinandersetzen müssen, als sich herausstellte, dass sie pro Folge von The Crown 10.000 Pfund weniger erhielt als ihr Kollege und Mann in der Serie, Matt Smith. Berichten zufolge soll die Produktionsfirma versprochen haben, ihr mehr Geld auszuzahlen, was sie angefochten hat. Trotzdem wirkt die Erfahrung nach. „Man hat mich damit sehr verletzt“, sagt sie heute. „Ich habe zwei Jahre lang an dieser Serie gearbeitet. Ich mochte alle Mitarbeiter. Und dann wurde mir klar, dass es ein großes und dreckiges Geheimnis gibt, über das noch niemand gesprochen hatte. Außerdem wurde ich versehentlich zum Sprachrohr. Warum musste ich das sein? Hätte ich nichts gesagt, wäre das sicher jedem lieber gewesen. Aber ich dachte, wenn ich das tue, werde ich mich selbst und alle anderen Frauen, die ich kenne, betrügen.“ Sie fühlte sich im Zwiespalt, denn sie ist sich ihrem Privileg als Schauspielerin bewusst. „Man kann sich glücklich schätzen, einen Job zu haben. In der Branche gibt es so viel Konkurrenz. Die Produktionsfirmen verlassen sich auf die Wettbewerbsfähigkeit und Verletzlichkeit der Schauspieler, sodass sie eine Rolle auch für 10 Riesen weniger annehmen.‘“

„Ich habe die Vorstellung von GLÜCK vor langer Zeit aufgegeben. Ich DENKE, man kann in einer Minute unglaublich glücklich sein und sich in der nächsten sehr unglücklich FÜHLEN“

Cardigan von Co. BH von Anine Bing. Gürtel von Isabel Marant. Strumpfhosen von Wolford. Ohrringe von Ana Khouri.
Hemd von Maje. Kleid von Cami NYC. Ohrring von Ana Khouri.

Es war weder Glück noch Konkurrenzdenken, was Foy ihre nächste Rolle als Hackerin Lisbeth Salander sicherte, sondern ihre beeindruckend schauspielerische Wandlungsfähigkeit. Sie spielt die schwedische Antiheldin im neuen Film Verschwörung unter der Regie von Fede Alvarez. Die Handlung basiert auf dem Buch, das nach Stieg Larssons Tod von David Lagercrantz geschrieben wurde. „Ich habe viel Erfahrung darin, fiktive Charaktere, Romanfiguren oder berühmte Persönlichkeiten zu mimen. Ich weiß also, wie sehr man kritisiert und verglichen wird“, sagt sie über die Tatsache, dass sie mit der Rolle in die Fußstapfen von Noomi Rapace und Rooney Mara tritt. „Das hat einen gewissen Reiz. Es ist ein besonders harter Kampf und man ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt.“ Ihre Darstellung von Lisbeth sieht bewusst stärker aus. „Wenn ich will, habe ich einen ziemlich athletischen Körper, aber dünn wollte ich nie sein. Ich kann jenes Schönheitsideal nicht vertreten.“

Foys Lisbeth ist eine aktualisierte Version der Figur, die Larsson 2002 geschaffen hat. „Die Lisbeth, über die er schrieb, hat in der heutigen Gesellschaft keine besondere Relevanz mehr; die Piercings, die Tattoos, die ganze Emo-Sache. Fede und ich wollten nicht, dass sie aufreizend wirkt. Ich habe immer den Eindruck, wenn es in Filmen ein lesbisches Element gibt, wirkt das anziehend für die Männer, und das tue ich nicht. Außerdem hat sie gar keine Zeit, um mit irgendwem Sex zu haben“, sagt sie belustigt, „sie rennt so viel herum.“

Die Dreharbeiten zu diesem Film, die über drei Monate in Berlin und Stockholm stattfanden, fielen mit der Ankündigung zusammen, dass sich Foy im Februar von ihrem Mann, dem britischen Schauspieler Stephen Campbell Moore, getrennt habe. Im Jahr 2017 hatte er sich einer lebensrettenden Operation wegen eines wiederkehrenden Hirntumors unterzogen, während sie an der zweiten Staffel von The Crown gearbeitet hatte. Es muss ein schrecklich stressiges Jahr gewesen sein, sage ich, angesichts des zusätzlichen Drucks ihrer Trennung. „Ja“, antwortet sie und hält inne, bevor sie fortfährt. „Ich habe die Vorstellung von Glück vor langer Zeit aufgegeben. Ich denke, man kann in einer Minute unglaublich glücklich sein und sich in der nächsten sehr unglücklich fühlen.“ Bezieht sie sich damit nur auf die romantische Liebe oder das Leben im Allgemeinen? „Generell im Leben. Ich habe gemerkt, dass mein Leben ziemlich dramatisch ist, und das ist okay. Ich bin wirklich glücklich aber…“ sie hält erneut für eine lange Zeit inne, in der sie sich zu sammeln scheint. „Mein Leben ist überhaupt nicht geregelt und ich erwarte nicht, dass die Dinge von Dauer sind.“

„Ich habe viel Erfahrung darin, fiktive Charaktere, Romanfiguren oder BERÜHMTE Persönlichkeiten zu spielen. Ich weiß also, wie sehr man KRITISIERT und verglichen wird. Man ist von Anfang an zum SCHEITERN verurteilt“

Kleid von Akris.
Bodysuit von Alaïa. Ohrring von Delfina Delettrez.

Ihre Einstellung lässt sich nicht auf den Pessimismus, für den die Briten bekannt sind, zurückführen. In jüngeren Jahren war Foys Leben durchaus turbulent. Juvenile Arthritis plagte sie in ihrer Kindheit, während ein gutartiger Tumor in einem Auge an ihrem Selbstbewusstsein in der Jugend nagte. Damals war sie 17 Jahre alt und hatte sich gerade an der Universität für ein Theaterwissenschaftsstudium beworben. „Ich hatte zu viele Angst davor, mich direkt für die Schauspielerei zu bewerben, denn dann hätte ich zu einem Vorsprechen gehen müssen“, sagt sie.

Es war der plötzliche weltweite Ruhm, den sie mit The Crown erlangte, der sie dazu zwang, sich mit ihren langjährigen Ängsten auseinanderzusetzen. Sie hatte noch nie Panikattacken, aber ihre Krankheit war so schlimm, dass sie dazu gezwungen war, Hilfe zu suchen. „Als ich 23 war, hatte ich einen Zusammenbruch. Ich habe einen Monat lang nicht geschlafen oder etwas gegessen. Es war schrecklich“, sagt sie. „Mein Leben hatte sich verändert. Ich fühlte mich überwältigt. Ich stand damals auf der Bühne und arbeitete. Ich hatte gerade einen wirklich großen Job bekommen (die Hauptrolle in Klein Dorrit, eine Serie des britischen Fernsehsenders BBC). Ich konnte damit nicht umgehen.“

Kleid von Alexander McQueen.

Sie führt ihre Genesung auf die Geburt ihrer Tochter Ivy Rose im Jahr 2015 zurück. „Sie zu bekommen, gab mir zu denken, dass ich mein Leben auf die Reihe bekommen muss. Ich hätte nicht so leben müssen. Es war unerträglich. Ich war mir selbst zuwider.“ Die Art, wie Foy über ihre Angst spricht, weist darauf hin, dass sie eine Therapie gemacht hat. „Zumindest weiß ich jetzt, was ich tue.“ Aber sie nehme keine Medikamente, sagt sie. Stattdessen verlässt sie sich auf ihre Familie; ihre ältere Schwester und ihren älteren Bruder, die im Süden Londons wohnen (Foy selbst lebt im Norden der Stadt), und ihre Mutter, die sich mit ihr gemeinsam um Ivy Rose kümmert.

Ist sie jetzt alleinerziehend? „Nein, nein“, sagt sie mit fester Stimme. „Wir erziehen gemeinsam.“ Campbell Moore lebt nicht mehr mit ihr im gleichen Haus, aber in der Nähe. Außerdem teilt sich das Ex-Paar weiterhin „die Tatsache, dass wir beide den gleichen Job haben und verstehen, wie kompliziert es sein kann“, sagt Foy. „Ich wollte ohnehin wieder zur Arbeit gehen, aber es gibt eben auch nur eine Mutter und einen Vater.“

„Sie [meine Tochter] zu bekommen, gab mir zu DENKEN, dass ich mein Leben auf die REIHE bekommen muss. Ich hätte nicht so leben müssen. Es war UNERTRÄGLICH… Zumindest weiß ich jetzt, was ich tue“

Foy steht als Elternteil und Schauspielerin unter doppeltem Druck, aber sie ist entschlossen, den Moment zu genießen. Sie ist sichtlich begeistert, als sie beschreibt, wie sie ein Outfit für den roten Teppich auswählt. Zum Ende unserer Unterhaltung schaut sie auf ihr Handy und ist völlig aus dem Häuschen was die Taschen-Schnappschüsse, die sie von ihrer Stylistin geschickt bekommen hat, betrifft. In einer Woche wird sie für zwei Tage für die Verleihung der Emmys nach L.A. fliegen (und wie wir jetzt wissen, eine Auszeichnung gewinnen), was die gemeinsame Zeit mit ihrer Tochter begrenzt. „Ich liebe es zu reisen, aber ich bin ungern von ihr getrennt. Wenn sie nächstes Jahr im September zur Schule geht, bedeutet das, dass ich an London gebunden bin“, sagt sie eisern. Sie erzählt aber auch, dass es Zeiten gab, in denen die Arbeit und das Reisen sich nicht so leicht mit der Familie vereinbaren ließen. Als ich für Unsane – Ausgeliefert (ein Film von Steven Soderbergh aus dem Jahr 2017) vor der Kamera stand, wohnten wir für einen Monat in New York. Es war toll. Die ganze Familie kam. Ich hoffe, dass meine Tochter später sagen wird: ‚Wir fahren nie irgendwo hin.‘ Dann kann ich zurückblicken und ihr sagen, dass sie als Baby mit sechs Monaten in Afrika war und ich dort The Crown gedreht habe. Diese Dinge bereiten dann wirkliche Freude.“

Aufbruch zum Mond kommt am 8. November in die deutschen Kinos

Bodysuit von Alaïa. Hose von Joseph. Uhr von Jaeger-LeCoultre.

Die in diesem Artikel dargestellten Personen stehen nicht in Verbindung mit NET-A-PORTER und unterstützen weder die Inhalte noch die gezeigten Produkte.