Coverstory

Die Starke

mit

Sophie Turner

Nach acht Staffeln Game of Thrones widmet sich SOPHIE TURNER nun dem nächsten aufregenden Kapitel, das mitunter eine Hochzeit und die Hauptrolle in X-Men: Dark Phoenix beinhaltet. Mit JANE MULKERRINS spricht die Schauspielerin über Sansa Starks Schicksal, wie wichtig es ist, offen über geistige Gesundheit zu sprechen und warum sie dafür plädiert, einige Dinge für sich zu behalten

Foto Yelena YemchukStyling Natasha Royt
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„Ich weiß nicht, ob ich mich schon wie eine Ehefrau fühle“, sinniert Sophie Turner. „Ich weiß nicht, wie ich mich fühle.“ Sie lacht und fügt hinzu: „Ich meine, natürlich fühle ich mich gut, aber es ist gerade erst passiert, also lasse ich mich im Moment irgendwie treiben.“ Es ist früh an einem Donnerstagmorgen in der Brasserie des Hotels The Standard in New York und die 23-jährige britische Schauspielerin, Star aus der Serie Game of Thrones, ist seit mehr oder weniger siebeneinhalb Tagen verheiratet, wenn man den dreistündigen Zeitunterschied zwischen hier und Las Vegas mit einbezieht. Dort heirateten sie und der amerikanische Popstar Joe Jonas (29) in einer semi-spontanen Zeremonie in der Little White Wedding Chapel. Vollzogen wurde die Ehe im Anschluss an die Billboard Music Awards von einem Elvis-Imitator.

Ich sage semi-spontan, denn, wie Turner erklärt, sind Hochzeiten in Vegas heute nicht mehr so wie damals. „Ich denke, die vielen Annullierungen und Scheidungen haben dafür gesorgt, dass man die Lizenz heute nicht mehr in der Kapelle bekommt. Man muss also ein bisschen planen.“ Vermutlich jedoch weniger als für die fulminante französische Hochzeit, die das Paar, so hieß es, für diesen Sommer vorsieht. Findet die immer noch statt? „Ich weiß es nicht“, sagt Turner mit großen Augen, ohne irgendwelche Informationen preiszugeben.

Ich kann es ihr nicht verübeln; die Hochzeit in Vegas sollte auch eine private Angelegenheit sein. „Doch das ist schwer, wenn die Leute es livestreamen“, bemerkt sie mit einer hochgezogenen Augenbraue. Diplo, den das Paar für die Hochzeit als DJ buchte, übertrug die Zeremonie auf Instagram. „Es wäre besser gewesen, wenn niemand davon gewusst hätte, aber irgendwie war es auch lustig“, sagt die Schauspielerin schulterzuckend. Hätte sie es sonst wirklich geheim gehalten? „Vielleicht nicht für immer. Ich denke, irgendwann hätte ich ihn nicht mehr meinen Verlobten genannt. Aber ja, ich hätte es geheim gehalten. Die Ehe ist eine private Sache zwischen zwei Menschen und so sollte es auch bleiben“, sagt sie entschlossen. „Es geht nicht um das Kleid oder das Essen. Es geht darum, sich als Mann und Frau einander hinzugeben.“

„Eine Ehe ist eine PRIVATE Angelegenheit zwischen zwei Menschen. Es geht nicht um das Kleid oder das Essen. Es geht darum, sich als MANN und Frau einander HINZUGEBEN“

Mit ihrer erfrischend zurückhaltenden Haltung gegenüber der Ehe bleibt Turner sich selbst treu. Obwohl sie fast ihr halbes Leben lang mit einer der wohl größten Fernsehserien überhaupt verbracht hat, könnte sie nicht bodenständiger sein. Man liest das oft über Prominente, aber auf Turner trifft es tatsächlich zu.

Neben Michelle Williams und Emma Stone ist auch sie nun Botschafterin für Louis Vuitton und damit ein vollwertiges Mitglied der Modeelite. Drei Tage vor unserem Treffen war sie bei der Met Gala in einem glitzernden Jumpsuit zu sehen, der mit über drei Millionen Pailletten bestickt war und von Nicolas Ghesquière speziell für sie angefertigt wurde. Heute Morgen ist ihr Look lässiger: Jogginghose, Sneakers, eine weiße Jeansjacke, nasses Haar und kein Make-up. Außerdem trägt sie eine coole Pilotenbrille. „Die Gläser haben keine Stärke, ich brauche keine Brille“, gesteht sie, als ich ihr diesbezüglich ein Kompliment mache. „Sie soll nur meine Augenringe verstecken.“

„Man ERWARTET von Schauspielerinnen, dass sie immer gut aussehen, aber darum sollte es NICHT gehen. Warum müssen ALLE dünn und schön sein?“

Sie und Jonas leben in der Nähe, im angesagten Nolita, ein Hotspot für Paparazzi. „Ich habe gelernt, die Tatsache zu akzeptieren, dass sie mich wahrscheinlich an einem Tag erwischen werden, an dem ich schlecht angezogen bin. Das ist okay für mich“, lacht sie. „Man erwartet von Schauspielerinnen, dass sie immer gut aussehen, aber darum sollte es nicht gehen“, fährt sie fort und ist ganz in ihrem Element. „Es sollte darum gehen, eine Rolle zu spielen. Warum müssen alle Schauspielerinnen dünn und immer schön aussehen?“ Auch auf der Leinwand ist das ein Problem, glaubt sie. „Jeder Regisseur sagt: ‚Wir müssen uns in die Figur verlieben‘ Warum müssen sich die Zuschauer in sie verlieben? Was ist, wenn sie eine Serienmörderin ist? Das ist doch Unsinn!“

Die Branche mag sexistisch und fehlerhaft sein, aber trotzdem ist Turner eine der profitabelsten jungen Stars in Hollywood, wie sie mit ihrer Hauptrolle im neuesten Film der X-Men-Reihe, X Men: Dark Phoenix, beweist. Sie ist Teil einer hochkarätigen Besetzung, zu der Jessica Chastain, Jennifer Lawrence und Michael Fassbender gehören. „Ich hatte das Gefühl, einen Wettbewerb gewonnen zu haben“, grinst Turner. „Jedes Mal, wenn ich am Set war, dachte ich: ‚Ich sollte nicht hier sein.‘ Die Einzelszenen mit Jess, Jen oder Michael schienen verrückt.“ Ihre Figur, Jean Grey, die bereits über Superkräfte verfügt, wird nach einem Unfall im All extrem herausgefordert. „Es gibt deutliche Anzeichen für psychische Probleme“, erklärt sie. „Sie verliert die Kontrolle über ihren Verstand und ihre Kräfte – Symptome von Schizophrenie. Dazu kommen eine dissoziative Identitätsstörung und Sucht.“

„Leute empfinden so viel SCHAM, [wenn es um das Thema geistige Gesundheit geht] aber wenn ich nur EINER Person helfen kann, indem ich darüber spreche, wäre das TOLL“

Mantel von Deveaux. Ohrring von Hirotaka. Ohrring von Loren Stewart. Halskette von Repossi.

Das Thema hat besondere Bedeutung für Turner, die offen über ihre eigenen Schwierigkeiten mit Ängsten und Depressionen gesprochen hat, und sich leidenschaftlich gegen die Stigmatisierung psychischer Gesundheitsprobleme einsetzt. „Der erste Schritt bei jeder Art von Veränderung besteht darin, es öffentlich zu machen; darüber zu reden und das Tabu zu brechen, damit die Leute sich ohne falsche Verlegenheit Hilfe holen können“, sagt sie. „Die Leute empfinden so viel Scham deswegen, aber wenn ich auch nur einer Person helfen kann, indem ich darüber spreche, wäre das toll.“

Die bösartigen Provokationen, die sie im Internet erhielt – die schrecklichen Schattenseiten des weltweiten Erfolgs im digitalen Zeitalter – trugen zu ihrer Depression und ihren „Körperproblemen“ bei. „Ich glaube, das war ein Auslöser, aber wahrscheinlich war es schon immer da.“ Und sie glaubt, dass Großbritannien den USA in Sachen Akzeptanz und Behandlung weit nachsteht. „Meine Eltern fragen heute noch: ‚Warum gehst du zur Therapie?‘ und ich antworte: ‚Weil ich eine Depression habe, erinnert ihr euch?‘“, sagt sie. „Es ist typisch britisch – dieses Konzept, dass man einfach weitermachen soll. Zur Therapie zu gehen gilt als selbstverliebt und etwas verweichlicht. Die Therapie und Medikamente haben mir jedoch sehr geholfen.“

„Als ich das Drehbuch [für GoT] las, war ich so GLÜCKLICH. Es schien mir das PERFEKTE Ende für Sansa zu sein. Sie ist jetzt BEREIT dafür, eine tolle Herrscherin zu sein“

Sie kritisiert ihre Eltern, die, wie sie sagt, immer „unglaublich unterstützend“ waren, nicht im Geringsten. Sie leben immer noch in demselben kleinen Dorf in der Grafschaft Warwickshire, wo sie aufgewachsen ist. Ihr Vater arbeitet in der Logistik für eine Palettenfirma und ihre Mutter ist Kindergärtnerin. Ihre beiden älteren Brüder, Will und James, sind Anwalt und Arzt. „Sie haben richtige Jobs“, bemerkt sie ironisch. Turner wurde im Alter von vier Jahren an den Wochenenden zum Schauspielunterricht geschickt. „Ich denke, nur damit sie sich zu Hause keine Aufführungen mehr von mir anschauen mussten“, grinst sie. Schon damals, sagt sie, war sie „besessen von der Schauspielerei.“ Sie war 13 Jahre alt, als die Casting-Direktoren für Game of Thrones landesweite Vorsprechen an Schulen abhielten, und man sie im Zuge ihre Rolle als Vogelscheuche in einer Produktion von Der Zauberer von Oz vorschlug. „Meine Mutter hatte eine kurze Panikattacke, als ich die Rolle bekam“, lacht sie. „Aber mein Vater sagte: ‚Das wollte sie doch schon immer machen und wahrscheinlich wird es nichts Großes. Wir haben noch nie zuvor von dieser Show gehört. Lass sie es einfach machen.‘“

„,Der einsame WOLF stirbt, doch das Rudel überlebt.‘ Ich liebe dieses Zitat [aus Game of Thrones’ siebter Staffel]. Ich hatte es mir auf den Arm TÄTOWIEREN lassen, lange bevor wir das Ende kannten“

Zehn Tage nach unserem Treffen – der Morgen nachdem die letzte Folge der letzten Staffel von Game of Thrones in den USA ausgestrahlt wurde – sprechen Turner und ich erneut am Telefon. Sie ist in Berlin zur Pressetour für X-Men: Dark Phoenix. Sie ist begeistert, endlich über das Schicksal von Sansa, der neu gekrönten Königin des Nordens, sprechen zu können.

Im Netz kursieren hitzige Debatten über das Finale, aber Turner ist mehr als zufrieden. „Als ich das Drehbuch las, war ich so glücklich. Es schien mir das perfekte Ende für Sansa zu sein“, sagt sie. „Nach all dem, was sie durchgemacht hat, ist das Ergebnis sehr positiv – es fühlt sich für sie richtig an. Sie ist bereit dafür, über den Norden zu herrschen.“

Mit Bran der Gebrochene, dem neuen Herrscher der Sechs Königreiche, Jon Snow, der wieder für die Nachtwache verantwortlich ist, und Arya, die die Welt jenseits von Westeros erkundet, hätte das Ende ihren fiktiven Vater, Ned Stark, sicherlich stolz gemacht, schlage ich vor. „Ja, die Starks haben es wirklich bis ganz nach oben geschafft“, stimmt sie sie. „Es ist wie die Szene in der siebten Staffel, in der Sansa sagt: ‚Der einsame Wolf stirbt, doch das Rudel überlebt.‘ Ich liebe diese Aussage. Ich hatte sie mir auf den Arm tätowieren lassen, lange bevor wir das Ende kannten.“

Einzig enttäuscht bin ich zugegebenermaßen darüber, die Beziehung von Sansa und Tyrion Lannister nicht weiterverfolgen zu können – darauf hatte ich die ganze Staffel gehofft. „Vielleicht sollten wir eine neunte Staffel drehen?“ schlägt Turner lachend vor. „In 20 Jahren, wenn ich alt, ausgezehrt und arbeitslos bin, wäre ich definitiv für eine neunte Staffel bereit.“ Eine tolle Idee! Allerdings vermute ich, dass Hollywood Turner in nächster Zeit noch einiges zu bieten hat.

X-Men: Dark Phoenix erscheint am 6. Juni 2019 im Kino

Sophie Turner, Promi-Therapeutin

In unserem exklusiven Video unterstützt Mentorin SOPHIE TURNER ihre schwierigsten Patienten: Arya Stark, Jean Grey, Professor Charles Xavier und Daenerys Targaryen. Lassen Sie sich überraschen…

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