Coverstory

Nackte Tatsachen

mit

Robin Wright

Robin Wright über Gleichberechtigung, Wonder Woman und das Gefühl von Macht

In der Rolle der Claire Underwood in House of Cards zeigt sich ROBIN WRIGHT knallhart. Im wirklichen Leben kostete es sie 30 Jahre im Rampenlicht, bis sie sich in ihrer Haut wohl fühlte. Garbage-Sängerin SHIRLEY MANSON spricht mit ihr über Gleichberechtigung, Wonder Woman und das Gefühl von Macht.

Foto Victor DemarchelierStyling Tracy Taylor
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SHIRLEY MANSON: Ich habe bei meiner Recherche Parallelen zu meinem Leben gefunden: Wir haben in etwa dasselbe Alter und Sie wirken, als wollten Sie keine Spiele spielen. Sie haben einmal in einem Interview gesagt: „Ich gehe jetzt in die Welt und finde heraus, was ich will.“ Erinnern Sie sich daran?

ROBIN WRIGHT: Nein, aber es stimmt vollkommen. Es geht darum, keine Angst davor zu haben, zu sagen, was man möchte. Ich habe in diesem Sinne erst sehr spät mein Selbstwertgefühl als Frau erlangt, was keine Schande ist und wofür man sich auch nicht verteidigen muss. Ich tue nichts mehr, was ich nicht möchte.

SM: Für mich bedeutet das, nach erfahrenem Schmerz einen Punkt zu erlangen, an dem man nichts mehr zu verlieren hat. Sie sind durch das Feuer gegangen und wissen, wie Sie es überleben können. Bedeutet das im Altervon 51 ein gutes Gefühl?

RW: Es ist ein unglaubliches Gefühl. Ich habe das nicht erwartet und möchte mich auch nicht selbst loben, aber es fühlt sich buchstäblich so an, als wäre ich an einem Wendepunkt angelangt. Jeder geht anders damit um, manche ertragen es einfach und stagnieren und lassen den Schmerz gewinnen. Und einige stellen sich der Situation und erreichen alles.

„Ich habe erst sehr SPÄT mein Selbstwertgefühl als FRAU erlangt. Ich tue nichts mehr, was ich nicht MÖCHTE“

SM: Glauben Sie, dass es viel mit Ihrer eigenen Integrität zu tun hat?

RW: Ich ertrage keinen Selbst-betrug und habe schon früh angefangen, mich dagegen zu wehren. Ich fühle mich nicht mehr wie eine Lügnerin, die sich selbst einredet, sie wäre nicht stark genug. So war ich, als ich jünger war.

SM: Sie haben anfänglich als Model gearbeitet, richtig?

RW: Ja, um Geld zu verdienen und in Paris bleiben zu können, da ich pleite war. Das war ein Albtraum: Man geht zu den Castings, hebtdas Hemd hoch und dann sagt jemand, „Ihre Brüste sind nicht groß genug“ und Sie sind raus.

Hose von By Malene Birger.
Kleid und Gürtel von Loewe.

SM: Wollten Sie zu diesem Zeitpunkt schon Schauspielerin sein?

RW: Ich hatte bereits Vorsprechen, bevor ich nach Europa ging, aber ohne Erfolg. Ich war damals Tänzerin und erhielt ein paar Werbespots, bei denen ich tanzte, während ich eine Packung Dorito-Chips in den Händen hielt…

SM: Wurden Sie von einerAgentur vertreten?

RW: Ich habe eine Art Mappe zusammengestellt mit Bildern von mir beim Tanzen in Trikots. In etwa wie ein Softporno mit Stulpen. Echt erbärmlich. In Paris meinten sie: „Das ist keine Mappe.“ Ich hatte mit jeder einzelnen Agentur Interviews. Sie sagten: „Sie sind nicht groß genug, um einen Vertrag mit Wilhelmina oder IMG zu unterzeichnen; Sie können es mit Badeanzügen, Beauty und Dessous versuchen.“ Ich ging zurück und ergatterte eine Rolle in der US Seifenoper California Clan.

SM: Was bedeutet es für Sie, Schauspielerin zu sein?

RW: Ich liebe es, wenn Menschen von Dingen bewegt sind. Am Ende sind wir Geschichtenerzähler. Wir rufen Gefühle hervor und bewegen zum Nachdenken.

SM: Achten Sie darauf, was Sie essen? Sie haben diesen unglaublichen Körper.

RW: Das Training für Wonder Woman erscheint am 15. Juni veränderte meinen Körper. Ich trainierte nur für fünf Wochen, da wir noch House of Cards drehten. Das war gerade mal die Hälfte des Trainings der anderen Mädchen, der Rest war zu viel für meinen Körper. Morgens ritten wir und lernten, wie man mit voller Ausrüstung galoppiert…

SM: Das klingt heiß. Das ist Ihnen schon bewusst? Haben Sie sichdabei attraktiv gefühlt?

RW: Absolut. Mit unseren Lederoutfits? Natürlich!Wir ritten auf unseren Pferden für eine Stunde, dann fuhren wir vom Stall zum Studio zum Krafttraining für eine Stunde – schwere Gewichte in kurzen Wiederholungen. Wir haben versucht, 2-3.000 Kalorien pro Tag einzunehmen: roher Hafer in Smoothies mit Avocado, Vollmilch und Pulver zur Gewichtszunahme und das dreimal am Tag.

„Man LÜGT, wenn man sich einredet, man sei es nicht WERT. So war ich, als ich JÜNGER war“

SM: Disziplin scheint Ihnen leicht zu fallen…

RW: Ich bin eine gemäßigte Person. Ich gönne mir eine Flasche Wein und dann wache ich am nächsten Tag auf und trinke grünen Saft und esse Salate.

SM: Ihre Karriereentscheidungen wirken auch sehr diszipliniert. Sogar die Dinge, die sie nicht getan haben, zeugen von Disziplin.

RW: Es war wahrscheinlich eher das bewusste Planen einer Karriere, nachdem ich gesehen hatte, wie viele Schauspielerinnen in Hollywood ausgebrannt sind. Sie werden in jedem Film eingesetzt, für jede TV-Show, jede Beauty-Kampagne. Man weiß nicht einmal mehr, was man von der jeweiligen Person halten soll. Ich wollte jedoch eine Weile bleiben.

SM: Und das haben Sie geschafft. Dachten Sie früher, dass Sie ein Filmstar werden?

RW: Im Leben nicht! Ich wollte nie Ruhm, habe nie danach gesucht, nie darüber nachgedacht.

SM: Was dachten Sie, als es dann doch passierte?

RW: Es war erschreckend. Ich wusste nichts damit anzufangen. Ich habe eine Coverstory für Vanity Fair abgelehnt, da ich unheimliche Angst hatte, etwas von mir preiszugeben. Ich war damals mit Sean Penn verheiratet und wusste, dass sie mich nur über ihn ausquetschen würden.

SM: Bereuen Sie es, diese abgelehnt zu haben?

RW: Damals ja, da es meine Karriere beeinflusst hat. Wenn man sich nicht auf das Spiel einlässt, steigt auch die Bekanntheit nicht und niemand stellt einen ein. Es war zweischnei- dig, ich zog in dieser Zeit meine Kinder groß, aber ich habe auch keine Rollen bekommen. Als Mutter würde ich diese Entschei- dung nicht zurücknehmen, denn ich liebte es, für meine Kleinen da zu sein. Aber ich wusste, dass mir etwas entgehen würde.

Kleid von Isabel Marant. Gürtel von Frame.
Hemd von The Row.
Kleid von Esteban Cortezar.

„Wenn man sich nicht auf das SPIEL einlässt, STEIGT auch die Bekanntheit nicht und KEINER stellt einen ein“

SM: Aber jetzt spielen Sie gleich in zwei großen Filmen, Wonder Woman sowie Blade Runner 2049 erscheint am 5. Okt und verkörpern die wohl mächtigste weibliche Rolle im Fernsehen Claire Underwood in House of Cards. Fühlen Sie sich wie ein Genie?

RW: Überhaupt nicht, denn ich hätte nie gedacht, dass House of Cards sich nur annähernd so entwickeln würde. Ich dachte, es würde nur ein Jahr lang laufen. Wir haben das beste Team. Kevin Spacey, der Francis Underwood spielt und ich albern die ganze Zeit, bis ich wasserdichte Wimperntusche tragen musste, weil mir vor Lachen die Tränen kamen.

SM: Mögen Sie Claire?

RW: Sie müssen Ihren Charakter mögen. Claire lässt sich sicher nichts gefallen, aber sie bekommt ihren S* geregelt.

SM: Sind Sie durch die Rolle von Claire politischer geworden?

RW: Ich weiß nichts über Politik.

SM: Stehen Sie für feministische Prinzipien ein?

RW: Das tue ich, aber ich glaube die Leute müssen die Definition dieses Wortes noch einmal nach-schlagen. Feminismus bedeutet lediglich Gleichberechtigung.

„Ich DACHTE,ich WÜRDE beiHouse of Cards gleichwertigBEZAHLT werden“

SM: Sie haben bei Ihrem Studio für die gleiche Gage gekämpft, richtig?

RW: Ja. Mir wurde gesagt, dass ich gleichwertig bezahlt würde und vor Kurzem habe ich herausgefunden, dass das nicht der Fall war.

SM: Da schaudert es mich.

RW: Ja, Claire und Francis sind gleichberechtigt. Ich mag vielleicht nicht so viele Szenen oder Texte wie Francis haben, aber Claire muss sich nicht derart verbalisieren. Francis ist ein Redner, ein Dichter, ein Demon- strant. Claire hingegen hält die Zügel im Hintergrund in der Hand und lenkt ihn, aber Sie sind auf der gleichen Ebene.

SM: Und dies macht die Show so fesselnd. Waren Sie nervös, das Studio darauf anzusprechen?

RW: Nicht für eine Sekunde. Es war einfach nur grundsätzlich fair.

SM: Hätten Sie diesen Kritikpunkt auch schon früher in IhrerKarriere angesprochen oderwaren Sie viel mehr durch IhreErfahrung ermutigt?

RW: Letzteres. Ich hätte mich damals nie so gefühlt, als würdeich es verdienen.

Kleid und Top von Stella McCartney.
Kleid von 3.1 Phillip Lim.

SM: Was mich überrascht hat, aber was ich auch genial fand, war Ihr Engagement beim Pirelli-Kalender 2017. Wie kam es dazu?

RW: Mir gefielen daran die Frauen, mit denen ich einschließlich Nicole Kidman, Julianne Moore und Helen Mirren zusammenarbeitete und, dass Pirelli sich von der bisherigen Fotografie verabschiedet hat. Sie kreierten ein hochwertiges Werk über starke Frauen.

SM: Sie hatten bei House of Cards Ihr Debüt als Regisseurin. Würden Sie so gerne öfter arbeiten?

RW: Ich möchte nur noch Regie führen. Ich will nicht mehr vor der Kamera stehen, es langweilt mich. Ich schätze diese Karriere sehr, aber ich mache das jetzt schon seit 30 Jahren. Aber ich liebe es, anderen Schauspielern dabei zu helfen, ihr Talent zu verwirklichen. Ich arbeitete zum Beispiel letzte Nacht mit meiner Tochter Dylan Penn, denn sie hat ein Vorsprechen für eine TV-Show. Wir gingen durch den Text und ich gab ihr einige Anweisungen. Sie orientierte sich daran und die nächste Interpretation war richtig gut.

SM: Ich denke, dass man Schauspielern und Regie führen kann, aber das Schauspiel müsste für kurze Zeit hintenanstehen.

RW: Wissen Sie, was ich gerne spiele? Ungestüme Charaktere. Meine Lieblingsrolle war in Alles aus Liebe, der Film, den ich mit Sean 1997 gedreht habe. Das war meine absolute Lieblingsrolle – verrückt, neurotisch…

SM: Also langweilt Sie nicht die Schauspielerei, sie haben lediglich keine Rolle gefunden, von der Sie begeistert sind?

RW: Mich langweilt das Wesen des Schauspielerns. Ich liebe es, Regie zu führen, weil es kein Solo-Akt ist und alle zusammenarbeiten.

„Claire Underwood ist im Hintergrund und LENKT Francis, aber Sie SIND gleichberechtigte PARTNER“

Kleid von Chloé.

SM: Ich habe das Gefühl, dass Sie in einer ziemlich guten Position sind.

RW: In einer großartigen Position.

SM: : Ihre Kinder sind erwachsen und Sie können tun, was immer Sie gerne tun möchten.

RW: Ich fühle mich gesegnet. Dankbar – und das sage ich jeden Tag. Ich bin wirklich dankbar dafür, denn es hätte auch ganz anders kommen können. Ich hätte 40 werden können und niemand hätte mich mehr einstellen wollen, weil man dann schon als ältere Frau gilt. Das passiert vielen Frauen.

SM: Haben Sie je an einemTheater gespielt?

RW: Nein, aber ich würde gerne auf der Bühne stehen. Auf diese Art würde ich gerne Schauspielern.

SM: Das sollten Sie machen.

RW: Ja, das würde ich dann jedoch gerne in London machen.

SM: Okay, das halten wir fest. Robin Right in London auf der Bühne. Dafür würde ich zahlen.

RW: Und Sie machen die passende Musik dazu?

SM: Ausgemacht.

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