Coverstory

Neue Höhen

mit

Elsa Hosk

Sie mag jetzt ein „Victoria’s Secret“-Engel sein, aber es dauerte fast 30 Jahre, bis sich ELSA HOSK in ihrer eigenen Haut wohl fühlte. Hier spricht das schwedische Model mit JANE MULKERRINS über ihre Kindheit als Wildfang, Nackt-Selfies und ihre Einstellung zu Sexyness.

Foto Stefano GaluzziStyling Katie Mossman
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Bild oben: Pullover von Isabel Marant Étoile. Hose von Alexachung. Loafers von Gucci. Schal der Stylistin. Anhänger von Piaget. Gürtel von Frame. Dieses Bild: Kleid von Loewe.

„Manchmal sehe ich mich auf Fotos und dieses Bild von mir sieht so ganz anders aus, als ich in Wirklichkeit bin“, sinniert Elsa Hosk. „Ich werde immer in Kleidung gesteckt, die super-sexy und stylish ist.“ Doch diese Art von Typisierung ist wohl durchaus verständlich, schließlich handelt es sich bei dem schwedischen Model um einen „Victoria’s Secret“-Engel. Sie gehört zu dieser ausgewählten Gruppe von Schönheiten, die dafür bekannt sind, in Unterwäsche verboten heiß auszusehen.

„In meiner Wahrnehmung finde ich mich überhaupt nicht sexy. Ich bin albern und total normal.“ Sexy Elsa, sagt sie, sei eine andere Person. „Es ist wie eine Rolle, in die ich schlüpfe. Und dann, in meinem echten Leben…“, sie zeigt auf ihre schwarze Jeans, ihren Kapuzenpullover, ihre Jacke von Levi’s und ihre riesigen, klobigen schwarzen Schnürstiefel, die sie ausgezogen hat, um es sich auf dem Sofa bequem zu machen „…bin ich genau das Gegenteil.“

Wir befinden uns in der sonnigen, weitläufigen obersten Etage eines eleganten Stadthauses in Brooklyn und die 29-jährige Hosk entpuppt sich als lebhaft und optimistisch, obwohl sie gerade erst heute Morgen – nach einem Wochenende in Coachella – in New York angekommen ist.

„Ich war jedoch nicht zum Spaß dort, ich habe gearbeitet“, sagt sie. In der Tat wird das jährliche Festival, das außerhalb von Palm Springs, Kalifornien, stattfindet, genauso sehr mit Mode, Branding und Marketing assoziiert, wie mit Musik. Hosks Outfits und ihr rosafarbenes Haar, das sie immer noch zur Schau stellt, konnten das ganze Wochenende in den sozialen Medien bewundert werden – zusammen mit einer Schar von „Victoria’s Secret“-Engeln und deren berühmten Gesichter und Bauchmuskeln, darunter Alessandra Ambrosio, Jasmine Tookes und Sara Sampaio.

„Ich bin ohnehin kein Festivalmensch“, fährt Hosk fort. „Ich mag die Massen an Menschen nicht.“ Es ist jedoch nicht die schlechteste Art zu arbeiten. Im Gegensatz zu einigen anderen Festivals, ist Coachella eine glamouröse, trockene Angelegenheit. Die, die es sich leisten können, mieten Villen in der Wüste, außerhalb des Festivalgeländes. „Wir wohnten in einem wirklich schönen Haus an einem See, nahmen uns ein Boot, um Wasserski zu fahren und grillten“, erzählt Hosk.

„Ich finde mich überhaupt nicht sexy. Ich bin albern und total normal. Es ist wie eine Rolle, in die ich schlüpfe. Und dann, in meinem echten Leben, bin ich genau das Gegenteil.“

Bluse von Paul & Joe. Shorts von Victoria, Victoria Beckham. Boots von Chloé. Kette von Sophie Buhai. Anhänger von Piaget.

Morgen wird sie wieder nach Los Angeles zurückkehren. „Ich würde liebend gerne dort eines Tages ein Haus haben, um sowohl an der Ost- als auch an der Westküste der USA leben zu können,“ sagt sie. „Mein Traum ist es, ein Haus in Point Doom zu besitzen, jenseits von Malibu.“

Bis es letztendlich so weit ist, stellt sich ihre Realität auch ganz angenehm dar. Hosk lebt mit ihrem britischen Freund Tom Daly im New Yorker Stadtteil SoHo. Das Model und der ehemalige Manager von Acne, der jetzt das Eyewear-Label District Vision leitet, sind bereits seit drei Jahren ein Paar. Zwei Jahre verbrachte sie damit, die Wohnung zu renovieren und jetzt, da alles fertiggestellt ist, hat sie sich dort richtig schön eingenistet. „Es ist mein kleiner Zufluchtsort und ich liebe es, Leute zu uns nach Hause einzuladen, anstatt auszugehen, weil wir immer in New York ausgehen. Wenn du Leute bei dir zu Hause zu Besuch hast, baust du auf eine ganz andere Art und Weise eine Beziehung auf. Du kannst einfach nur Musik hören und stundenlang quatschen, ohne dass dich jemand belästigt.“

Pullover, Jeans und Tasche von Saint Laurent. Schal der Stylistin.

Im vergangenen Jahr hat Hosks Bekanntheit wirklich neue Höhen erreicht – auf den Mode- und Boulevardseiten wird fast täglich über sie berichtet und sie hat beachtliche 4,3 Millionen Follower auf Instagram. „Es ist in der letzten Zeit wirklich explodiert. Angefangen bei den Leuten, die mir auf Instagram folgen bis hin zu denen, die mich auf der Straße erkennen“, nickt Hosk. „Ich war neulich im Flugzeug und ein Typ beugte sich zu mir vor und fragte: ‚Bist du ein „Victoria’s Secret“-Engel? Bist du Elsa?‘ Ich sagte nur so etwas wie: ‚Nein, das bin ich jetzt nicht. Wenn ich für meinen Auftritt gestylt und in meiner Unterwäsche bin, dann ja, aber nicht jetzt.‘“ Sie seufzt resigniert. „Ich bin eine sehr private Person und wenn ich arbeite, ist das alles gut, aber was meine Freizeit betrifft, wünschte ich mir, dass ich das alles von mir abschütteln könnte.“

Hosks Probleme mit ihrer Bekanntheit und der eigenen Darstellung scheinen etwas widersprüchlich zu sein, denn ihr Instagram-Account ist voll von Aufnahmen von ihr in Dessous oder auch noch weniger Stoff. Bei diesem Thema gibt sie sich jedoch ganz unverblümt. „Ich erinnere mich, als ich ein nacktes Selfie postete und so viele Kommentare danach erhielt, in der Art: ‚Was hast du gemacht? Bist du dir da sicher?‘ Und ich meinte nur: ‚Ja, das ist mir wirklich egal. Es ist mein Körper, es ist meine Entscheidung.‘“

Und wenn ich negative Kommentare erhalte – einige Nutzer auf Social Media haben Hosk auch schon angegriffen, sie sei zu dünn – dann gilt das der anderen Elsa und sie nimmt es nicht persönlich. „Ich versuche, sie nicht zu lesen, aber es fühlt sich ohnehin so an, als ginge es wirklich nicht um mich“, lächelt sie. „Es betrifft dieses andere Ich.“ Geht ihre Familie ebenso entspannt mit ihren gewagten Fotos um, die von Millionen von Fremden gesehen werden? „Sie sagen nie etwas, also weiß ich es nicht“, grinst sie. „Meine Mutter kommentiert manchmal Bilder im Sinne von ‚Das ist ein schönes Kleid‘, aber ich habe mit ihnen nie darüber gesprochen, was sie über Nacktheit denken.“

„Als ich ein nacktes Selfie postete, erhielt ich so viele Kommentare danach, in der Art: ‚Bist du dir da sicher?‘ Und ich meinte nur: ‚Ja, es ist mein Körper, es ist meine Entscheidung.‘“

Jacke von Maje. Pullover von JoosTricot. Hose von Altuzarra. Boots von Saint Laurent. Hut von Isabel Marant. Anhänger von Piaget.
Jacke von Maje. Pullover von JoosTricot. Hose von Altuzarra. Boots von Saint Laurent. Hut von Isabel Marant. Gürtel von Frame. Kette von Sophie Buhai. Anhänger von Piaget.

Vielleicht – stimme ich ihr bei – ist das so eine schwedische Sache. Hosk wuchs in Bromma auf, einem Vorort von Stockholm. Ihr Vater besitzt dort eine Versicherungsfirma und ihre Mutter ist eine Krankenschwester. Sie ist das mittlere Kind, hat einen älteren und einen jüngeren Bruder und war folglich als Kind ein „totaler Wildfang“. „Ich nannte mich immer Hampus ein schwedischer Jungenname. Mein bester Freund und ich sind überall Skateboard gefahren und haben all die Sportarten gemacht, die Jungs ausüben.“

Aber irgendwann war auch diese Phase vorbei und Hosks Ambitionen und Interessen galten fortan der Mode. Dennoch, das Modeln lag ihr völlig fern. „Ich habe mich selbst nicht als schön wahrgenommen“, sagt sie und schüttelt ihr rosafarbenes welliges Haar. „Ich hatte nicht viel Selbstbewusstsein als ich jünger war.“ Auf Anraten einer Freundin der Familie, die selbst als Model arbeitete, schickte Hosks Vater einige Fotos von ihr bei einer lokalen Modelagentur ein. Mit 13 Jahren wurde sie bereits unter Vertrag genommen und war sofort davon begeistert. „Es gab mir das Gefühl, etwas Eigenes zu besitzen. Etwas, das anders war. Und es gab mir viel Selbstvertrauen. Ich fing an zu akzeptieren, wer ich war und wie ich aussah.“

Mantel von Vince. Kleid von Eleven Six. Loafers von Gucci. Schal der Stylistin. Kette von Piaget. Gürtel von Frame. Tasche von Muun.

„Wenn ich jemanden sehe, der so jung als Model arbeitet wie ich damals, dann denke ich, nein, geh nach Hause, das ist verrückt! Wenn ich eine Tochter hätte, würde ich ihr nicht erlauben zu Modeln, bis sie 18 ist.“

Sie arbeitete während ihrer gesamten Teenagerjahre und flog für ihre Jobs regelmäßig nach New York und Tokio, aber immer in Begleitung ihrer Mutter. „Wer weiß, was einem jungen Mädchen passieren könnte, wenn es dies ohne elterliche Aufsicht machen würde?“, fragt sie mit großen Augen. „Ich bin sehr dankbar, dass sie mich begleitete.“ Trotzdem findet sie jetzt die reine Vorstellung davon, angesichts ihres damaligen zarten Alters, schockierend. „Wenn ich jetzt jemanden sehe, der so jung als Model arbeitet, dann denke ich, nein, geh nach Hause, das ist verrückt! Wenn ich eine Tochter hätte, würde ich ihr nicht erlauben zu Modeln, bis sie 18 ist.“ Im Alter von 20 Jahren zog Hosk nach New York. „Ich fühlte mich zunächst ein bisschen verloren“, gibt sie zu. „Am Anfang ist das Modeln nicht so richtig in die Gänge gekommen und ich fing an mich zu fragen, wer ich wirklich bin und was ich hier mache.“ Dann erhielt sie den Anruf zu einem Casting für die jugendliche Modelinie von Victoria’s Secret – Pink – und startete durch.

Ein „Victoria’s Secret“-Engel zu sein, fordert viel von den Models ab, gerade was den Körper anbelangt. Der enorme Druck, jederzeit wohl geformt und makellos auszusehen und dabei keck zu wirken, wurde vielfach dokumentiert. Hosk sagt, sie könne glücklicherweise essen, was sie wolle und sei von Natur aus athletisch und aktiv. Nachdem ihre Wildfangphase vorbei war, spielte sie auf sehr hohem Niveau Basketball – für ein paar Jahre sogar beruflich. „Ich wetteifere wirklich gerne und musste immer in allem die Beste sein. Aber irgendwann musste ich mich zwischen Basketball und Modeln entscheiden und da ich so viel unterwegs war, konnte ich oft nicht zum Training gehen.“ Sie vermisse es. „Wenn ich zu den New York Knicks gehe, kreische und schreie ich laut und wünschte, ich wäre auf dem Platz.“ Vor kurzem hat sie angefangen mit Daly zu joggen. Er ist ein Marathon-Enthusiast und sie gibt zumindest zu, dass sie sich auf die jährliche „Victoria’s Secret“-Show mit einer intensiven Kombination aus Pilates, SoulCycle, Barre und Workouts mit Gewichten bei Dogpound, dem bei Models beliebten Fitnessstudio in Manhattan, vorbereite.

Kleid und Hemd von Chloé. Shorts von Sonia Rykiel.

„Ich bin nun fast 30 und ich liebe meinen Körper. Und das ist so ein schönes Gefühl. Niemand kann mir dazu etwas sagen, denn es ist mein Körper und er ist verdammt toll.“

Fühlt sie sich immer selbstsicher in ihrem Körper, frage ich und rechne schon fast damit, nun eine Liste an scheinbaren Makeln genannt zu bekommen. „Ich bin nun fast 30 und ich liebe meinen Körper,“ schwärmt sie. „Und das ist so ein schönes Gefühl. Niemand kann mir dazu etwas sagen, denn das ist mein Körper und er ist verdammt toll.“ Das war nicht immer so. „Als Model stehst du mit deinem Äußerem ständig auf dem Prüfstand und ich habe mich immer mit anderen Leuten verglichen. Ich schaute mir erfolgreiche Models an und dachte, dass ich eher so aussehen muss. Jetzt ist mir klar, dass es nicht darum geht, jemand anderen zu kopieren, es geht darum, einfach du selbst zu sein und dich wohl in deiner Haut zu fühlen.“

Sie hat bereits Pläne für ihr eigenes „ermächtigendes“ Mode-Imperium. „Aber ich kann noch nicht darüber sprechen“, sagt sie. Sie kann jedoch über ihre Arbeit mit Fair Girls reden, einer Wohltätigkeitsorganisation, die Opfer von Menschenhandel unterstützt. Die Inspiration dazu kam ihr während des Films Whistleblower – In gefährlicher Mission mit Rachel Weisz, in dem es um Sexsklaverei und Menschenhandel geht. „Dieses Thema hat mich wirklich berührt, also habe ich angefangen über Menschenhandel zu lesen. So erfuhr ich, dass diese Industrie noch größer ist, als die Fashionbranche.“ Hosk entdeckte die Organisation Fair Girls mit Sitz in Washington DC, die Opfer von Menschenhandel rettet. Die Praxis ist sogar in den USA alarmierend weit verbreitet, es werden Mädchen entführt und zur Prostitution verkauft. Hosk setzt sich nun für die Wohltätigkeitsorganisation ein, nimmt an Veranstaltungen teil und spendet einen Teil ihrer Honorare von Jobs an deren Fonds. „Sobald du eine Plattform hast, kannst du so viel in die Wege leiten. Und das möchte ich in Zukunft machen – etwas kreieren was von Nutzen ist und helfen kann.“

Sie mag das Gesicht und den Körper eines Engels haben, aber Hosks innere Werte sind auch ziemlich beeindruckend.

Jacke von Acne Studios. Pullover von Theory. Rock von Chloé. Schuhe von Dorateymur. Anhänger von Piaget. Gürtel von Frame.

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