Im Hier und Jetzt
mit
Alicia Keys

Sie ist eine der erfolgreichsten Musikerinnen der Welt. Nun revolutioniert ALICA KEYS ihr Leben. HANNA HANRA spricht mit ihr über das Muttersein und ihren provokanten No-Make-up-Trend.
Wenn Alicia Keys aus dem Auto steigt, dann scharen sich die Menschen um sie. Sie lässt sich entspannt mit Familien fotografieren oder filmt mit ihrem Handy Skater-Boys, wenn sie ihr Songtexte zurappen. Sie ist stets mittendrin, was zweifellos zu den 35 Millionen verkauften Alben, 15 Grammys (weitere 14 Nominierungen) und ihrer 15-jährigen Karriere beigetragen hat – von Fallin’ 2001 über das Blues-Album 2010 bis hin zur Kollaboration mit Jay-Z für den Song Empire State of Mind. Haben wir etwas vergessen? Natürlich ihre einzigartige Stimme.
Die oft als „The Queen of R’n’B“ bezeichnete Keys ist Mutter von zwei Jungen, Egypt (6) und Genesis (1), ist mit dem Musikproduzenten Swizz Beatz verheiratet, Mitgründerin einer AIDS-Wohltätigkeitsorganisation für Familien in Afrika, Jurymitgliedder amerikanischen Sendung The Voice und jüngst auch Vorreiterin der #nomakeup-Bewegung.
Im Gegensatz zu diversen Behauptungen von anderen Prominenten gibt es tatsächlich keinen einzigen Hauch Make-up auf ihrem Gesicht. Und das sieht derzeit zehn Jahre jünger aus als das einer typischen 35-Jährigen. Ihre Visagistin meint, dass es mit ihrer Ernährung, Akupunktur, ihrem Schlaf und einem Jade-Roller zu tun hat. Aber im Grunde geht es nicht um ihr Aussehen, sondern ihren unerschöpflichen Enthusiasmus.
„Ich FRAGE mich stets, ob ich das, was ich mache, für MICH oder jemand ANDEREN tue. Es ist verrückt!“
Anfang des Jahres verfasste die Musikerin ein Schreiben auf Lena Dunhams Webseite Lenny’s Letter, in dem sie erklärt, warum sie ab sofort bei öffentlichen Events, Fotoshootings und Co. auf Make-up verzichten wird. Der Kern der Aussage: Sie möchte nicht mehr das unerreichbar perfekte Äußere verkörpern. Dann fügt sie hinzu, dass sie sich abgesehen von ihrem „maskenfreien“ Leben nun viel schöner und emanzipierter fühlt als vorher.
„Wenn man sich anfangs etabliert, ist vor allem wichtig, was andere von einem halten“, sagt Keys über ihre Beweggründe. „Es ist eine schlimme Zeit. Man wird introvertiert, weil man sich ständig mit seinem Äußeren auseinandersetzt. Man möchte so sein, wie die anderen es sich von einem wünschen, aber dann ist man plötzlich in diesem Gesellschaftswahn gefangen und versucht den Rest seines Lebens auszubrechen.“
In der Welt der Reichen und Schönen wisse man nicht immer, ob das, was man entscheidet, auch richtig ist. Kommerziell würde man eben mithalten wollen, sich kreativ entfalten sowie das Team und seine Fans erfreuen, so Keys. „Ich frage mich konstant, ob ich das, was ich mache, für mich mache oder für jemand anderen. Es ist leicht, sich einzubilden, dass etwas gut für einen ist, aber ist es das wirklich?“ Schließlich sagt sie lachend: „In letzter Zeit habe ich mich viel mit mir selbst auseinandergesetzt. Sich selbst zu erkennen, ist verrückt.“
„Ich NEHME mir mehr Zeit, um auf mich zu HÖREN. Es hilft mir, hemmungslos und frei von ANGST zu leben“
Die in Manhattan geborene Alicia Cook wuchs in New York auf, machte im Alter von vier Jahren ihr TV-Debut als Freundin von Rudy Huxtable in der Cosby Show. Mit sieben lernte sie Klavierspielen und mit zwölf besuchte sie die Professional Performing Arts School, die sie mit 16 Jahren abschloss. Als sie 20 wurde, lancierte sie ihre erste Single Fallin’. Sie überzeugt mit ihrem künstlerischen Talent und ihren ehrlichen Songtexten – ihre letzte Single Blended Family erzählt von ihrem Leben als Schwiegermutter der Kinder ihres Ehemanns aus der vorherigen Beziehung. Das hebt sie von anderen Popstars ab. Mit jedem Album entfernt sie sich mehr und mehr vom normalen Pop-Zirkus und hält dennoch ihre treue Fangemeinde. Vielleicht singt sie ja bald die Nationalhymne beim Super Bowl und letzten Monat verkündete sie, dass sie Jay-Z bei ihrer Show auf dem Times Square auf die Bühne holen wird.
Gleichzeitig schlägt sie mit ihrem neuen Album Here eine neue musikalische Richtung ein. Was sie dazu inspirierte? „Ich habe mich verändert. Es ist das Älterwerden, die Zeit, das Leben, Gefühle… und einfach ein reiferer Geist“, sagt Keys. „Als ich Mutter wurde, wusste ich, dass ich stark bin, aber noch nicht bereit für das, was ich jetzt mache. Ich brauchte mehr Zeit für mich. Ich habe das nie zuvor gemacht und ich denke, es hat in mir Raum für etwas Neues hervorgebracht.“ Wie wirkt sich diese neue Seite aus? „Frech, frei von Angst, hemmungslos und mit einer Fähigkeit, Dinge konkret anzusprechen… und nicht das, was ich vorher war.“
Sie unterbricht sich lachend mit langen „Ähmms“ und eingeschobenen Slang-Wörtern. Keys ist mehr als freundlich und ihr wogendes lilafarbenes Kleid, ihre nackten Füße und ihr ausgebürsteter Afro machen es schwer, sie sich wie früher im engen Kleid mit schickem Bob vorzustellen.
Ihre Musik begeistert auf hypnotische Weise, sodass man sie immer wieder hören möchte. Ich sage ihr, dass ich mir nur ein paar Songs des neuen Albums anhören durfte und sie beginnt sogleich a cappella zu singen, bevor sie sich selbst lobt: „Das ist ein verdammt guter Song.“ Dann berichte ich ihr von einer Promi-Lady, die in ihrem Privatjet ununterbrochen fünf Stunden lang Girl On Fire hörte, während sie ins Leere starrte. „Der gemeinsame Nenner liegt darin, dass sich die Leute mit meiner Musik identifizieren können. Sie gibt ihnen etwas, von dem sie nicht wussten, dass es fehlt. Das Album bedeutet mir sehr viel“, sagt sie.
Keys Lebensfreude ist unglaublich ansteckend. Verspürt sie immer diese Energie? „Ich kann mich nicht so gut entspannen“, gibt sie zu. „Ich liebe Massagen und interessiere mich seit einem Jahr sehr für Meditation, die sich positiv auf meinen Umgang mit Leuten, Musik und Kindern auswirkt.“ Wie integriert sich die ausgeglichene Keys in den Männerhaushalt? „Es fühlt sich an, als wäre ich dazu berufen, Jungs aufzuziehen. Als wäre es meine natürliche Aufgabe. Sie haben kürzlich Schneewittchen und die sieben Zwerge geschaut? Es ist total frauenfeindlich, denn sie putzt für diese Zwerge. Ich habe nichts gegen Frauen, die zuhause bleiben und sich um die Familie kümmern, es ist harte Arbeit. Es geht mir darum, wie es im Film gezeigt wird. Deshalb mag ich es nicht, wenn mein Sohn sich gewisse Klassiker anschaut.
Manifestiert sich Keys Lebenswandel in ihrer Musik? „Zum ersten Mal erkenne ich, wie Kunst, Aktivismus und die Gesell-schaft zusammenkommen, denn lange habe ich geglaubt, dass sie getrennt wären. Aber das sind sie nicht.“
Dann sagt sie strahlend: „Unsere Welt ist fantastisch! Es fühlt sich an, als wären wir ein einziger elektrischer Strom.“ Dann lacht sie auf dem Rücksitz ihres Autos, während wir über den Times Square rauschen. „Boom! Wir sind alle Teil dieses Gefüges. Es wird Zeit, dass zu verstehen.“
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