Coverstory

Die Wegbereiterin

mit

Zoe Saldana

Sie kennen sie vielleicht aus ihren Rollen in einigen der weltgrößten Filme aller Zeiten. Sie ist schlau und liebenswürdig. Sie ist sogar eine Action-Figur! Warum also bekommt ZOE SALDANA nicht die Anerkennung, die sie verdient? Von JENNIFER DICKINSON

Foto Ward Ivan RafikStyling Catherine Newell-Hanson
Coverstorys
Bild oben: Bodysuit von Isabel Marant. Hose von Vince. Ohrringe von Kenneth Jay Lane. Ring durchweg getragen Zoes eigener. Dieses Bild: Kleid von Haider Ackermann. Pumps von Saint Laurent. Ohrring von Ariana Boussard-Reifel.

Eine der Fragen, die ich immer wieder gestellt bekomme, wenn ich nach Los Angeles fliege, um eine unserer Coverstars zu interviewen, ist die nach dem „Wer?“. Und besonders in diesem Fall ist die Reaktion auf meine geflüsterte Antwort „Zoe Saldana“ verblüffend. Und verärgernd. Mit weit aufgerissenen Augen und einer unmissverständlichen Verwirrung zerbricht sich der Fragende den Kopf. „Star Trek, Guardians of the Galaxy, Avatar – Aufbruch nach Pandora…? Sie ist im neuen Marvel Avengers-Film!“ Und dann dämmert es…

Aber Saldana ist ein Star. Ein Star der größten Filme aller Zeiten. Warum zählt sie also nicht zu derselben Liga, in der eine Angelina, J.Law oder Reese spielen? Warum sind wir nicht genervt, wenn wir sie auf gefühlt jedem Zeitschriftencover sehen? Warum werden ihre Outfits nicht detailliert von cleveren Social-Media-Accounts unter die Lupe genommen? (Weil ihr Stil, und das ganz unbeabsichtigt, makellos ist; cool, im Sinne einer Bluse von Sacai und einer Handtasche von Cèline).

Es liegt nicht an den Fans. Denn diese sind zahlreich vorhanden und enthusiastisch; eine nette Truppe. Saldana und ihr Künstler-Ehemann, Marco Perego, haben seit der Geburt ihrer Jungen – den Zwillingen Cy und Bowie, drei Jahre alt, und Zen, ein Jahr alt – einen neuen Weg in Sachen Selfie-Anfragen gefunden. Und die Menschen verstehen das. „Für die Jungs war es verwirrend, wenn fremde Menschen auf uns zukamen und um ein Foto baten; es verändert ihr Verhalten. Deswegen erkläre ich den Leuten immer: ‚Ich bringe meinen Söhnen den Umgang mit Fremden bei und ein Bild mit Ihnen zu machen bringt sie durcheinander.‘ Die Reaktion ist zu 100% positiv. Leute sagen: ‚Klar, das verstehen wir‘, und gehen weiter, aber sie kennen dann meine Beweggründe.“ Es hat nichts mit dem Schutz vor ungewollter Aufmerksamkeit zu tun. Als ich mit dem Pärchen vor zwei Jahren in Atlanta Eis essen ging – die Zwillinge waren wohl behütet bei der Nanny – stürzte sich eine Menschenmenge auf die Schauspielerin, so wie ich es zuvor noch nie erlebt hatte. Sie posierte zufrieden und fragte die Fans sogar, was sie abends mit ihren Familien geplant hatten. Nein, die Fans sind sicher nicht das Problem.

„Leute in dieser Branche blicken auf Marvel herab…sie denken wir verraten die Filmindustrie. Sie sollten sich eigentlich bewusst sein, was ein Superheld für ein Kind bedeutet“

Ohrringe von Kenneth Jay Lane.
Jacke von Alexander Wang. Strumpfhose von Falke. Pumps von Saint Laurent. Ohrringe von Annie Costello Brown.

Aber warum bekommt ihre Arbeit dann nicht die gleiche Anerkennung, wie die ihrer Kolleginnen? Eine Frage, die man nicht so einfach beantworten kann, ohne zu beleidigen oder auszuteilen und Saldana ist nicht der Typ für bittere Konter oder zickiges Verhalten. Das ist auch der Grund, weshalb sie unruhig im Stuhl umherrutscht, während sie sich eine Antwort überlegt. „Ich war schon oft mit Branchen-Insidern unterwegs, die zu den Besten gehören, und genau deshalb blicken sie auch auf Filme wie die Marvel-Reihe oder Schauspieler wie mich herab. Sie denken, wir verraten die Filmindustrie. Immer, wenn ich mit ihnen spreche, bin ich so enttäuscht von ihnen. Die Schauspieler, die sich Zeit für Kinder nehmen, wissen, was für eine Bedeutung Superhelden für junge Menschen haben. Diese Elite sollte sich eigentlich bewusst sein, was es für ein Kind heißt, wenn man einen Superhelden darstellt. Es geht ja nicht nur darum, dass sie mich damit schmerzlich treffen, sondern auch das verletzen, was für ein Kind wichtig ist. Ich fühle mich so geehrt, grüne und blaue Aliens zu spielen und vor allem die jüngeren Generationen zu inspirieren. Ich kann mich erinnern, wie es war, jung zu sein und ausgeschlossen zu werden, nur weil man jung, ‚anders‘ und unwichtig ist.“

Die ganze Scifi-Welt ist, laut Saldana, ein Zufluchtsort für jeden, der sich ausgeschlossen fühlt – die Kreativen, die darin arbeiten, waren oft selbst Außenseiter. „Ich arbeite mit Filmemachern, die dieses Genre besiedeln, weil sie selbst oft nicht dazugehörten, und nicht Teil des Gesprächs waren. Sie haben ihre Welt gefunden und konnten sich das Unvorstellbare vorstellen. Die Art und Weise, wie sie die Welt entwickeln und unterschiedliche Charaktere miteinbeziehen, ist absolut inklusiv.“

„Ich fühle mich so geehrt, grüne und blaue Aliens zu spielen und vor allem die jüngeren Generationen zu inspirieren“

Saldanas Anfangserfahrungen als Schauspielerin, die nicht die Hollywood-Norm des klassischen weißen Typs repräsentieren, kommen einem leider allzu bekannt vor, aber ihr Umgang damit ist, wie sie, überraschend. Als ich sie frage, wie es sich für sie während ihrer Kindheit anfühlte, keine Schauspielerinnen zu sehen, die sie repräsentierten, widerspricht sie dieser Aussage. „Doch natürlich gab es die! Als Kind waren Sigourney Weaver als Ellen Ripley oder Linda Hamilton als Sarah Connor meine wahren Heldinnen, weil ich Action und Science-Fiction geliebt und deshalb ihre Rollen vergöttert habe. Sie haben mich inspiriert und genau das wollte ich auch machen. Erst als ich meine eigene Karriere begann, habe ich realisiert, dass ich nicht ‚wie‘ sie war.“

Saldana ist Amerikanerin, geboren in New Jersey. Ihre Mutter kommt aus Puerto Rico und ihr Vater ist Dominikaner; sie hat auch libanesische und haitische Wurzeln. Englisch und Spanisch spricht sie sowieso und dank Perego kam noch Italienisch hinzu. Sie und ihre zwei Schwestern, Mariel und Cicely, haben ihre Kindheit zwischen den USA und der dominikanischen Republik verbracht und beide Länder haben sie geprägt. Genauso wie ihre starke und clevere alleinerziehende Mutter. Erst in Hollywood wurde Saldana ihre ‚kulturelle Mischung‘ als negativ ausgelegt. „Jedes Mal, wenn ich ein Drehbuch gelesen habe, auch, wenn es ein Historiendrama war, ging ich davon aus, für die Hauptrolle vorzusprechen. Bis ich realisierte, ‚Oh, es geht um die Nebenrolle mit anderen kulturellen Wurzeln‘, für die man mich haben wollte. Ich konnte mich nicht einmal um die Hauptrolle bemühen, weil ‚sie diesen Part traditionell besetzen wollten‘. Ich legte nach den Gesprächen mit meinen Agenten den Hörer auf und dachte nur, ‚Was bitte ist an mir nicht traditionell‘? Das war bitter.

„Wenn man in dem Land, dem ich treu sein wollte, seit ich fünf Jahre alt war, gesagt bekommt, dass man kein richtiger Amerikaner sei, tut das sehr weh. Das werde ich nie akzeptieren. Ich komme, woher ich komme, das kann ich nicht ändern und du kannst nicht ändern, woher du kommst. Aber wenn man mir erzählt, dass deine Herkunft die einzig wahre ist und ich daher nicht in das Bild passe, beweist das umso mehr, wer falsch denkt. Weil alles an mir und meiner Herkunft mindestens genauso legitim ist.“

Blazer von Michael Kors. Jumpsuit von Tom Ford. Sandalen von Saint Laurent. Ohrringe von Annie Costello Brown.
Blazer und Hose von Racil. Hemd von Joseph. Ohrringe von Annie Costello Brown.

„Ich werde niemals akzeptieren, dass ich nicht in irgendeiner Art und Weise traditionell bin. Wenn man mir erzählt, dass deine Herkunft die einzig wahre ist und ich daher nicht in das Bild passe, beweist das umso mehr, wer falsch denkt“

Bluse von Jacquemus. Rock von Isabel Marant. Strumpfhose von Falke. Ohrringe von Kenneth Jay Lane.

Mit ihrer und Peregos Medienfirma, BESE, möchte sie versuchen, die Wahrnehmungen der Gesellschaft zu verändern. „Ich möchte die amerikanische Sichtweise weiterentwickeln, aber mit unterschiedlichen Charakteren“, erklärt die Schauspielerin. Wenn sie nicht gerade dreht – derzeit ist sie am Set von James Camerons Avatar 2 – oder Zeit mit ihren Söhnen verbringt, sucht das Paar nach Geschäftspartnern. „Wir fliegen zu Termin und treffen uns mit Brands, die eine philanthropische Mission in Sachen Inklusion haben.“

Zurück zu den Zeitschriftencovern. Hat sie eine Theorie, warum sie nicht auf mehr in den letzten Jahren zu sehen war? „Nach einer Weile wurde es mir egal“, gibt sie zu. Ich glaube ihr, aber scheinbar tat es trotzdem eine Zeit lang weh. „Ja, ich war mir dessen bewusst“, erklärt sie. „Und man fragt sich, warum? Wenn ich alles tue, was sie als richtig empfinden, warum bin ich dann nicht auf dem Cover?“ Es ist aber kein Klagen: ihr Ansatz ist analytisch und ihr geht es darum, das Problem am Schopfe zu packen. „Ich verstehe, dass es ein Business ist und die Ausgaben verkauft werden müssen. Aber die Magazine, auch wenn sie vorwiegend von männlichen Verlegern produziert werden, werden von Frauen gelesen. Wenn Frauen mit femininen Traditionen auswachsen, dann fühlen sie sich auch nur von diesen hingezogen und lehnen männliche Dinge ab. Ich habe das Gefühl, dass das Action-Genre für viele Redakteure eher männlich ist, aber ich habe auch schon viele Frauen aus diesem Genre auf den Zeitschriftencovern gesehen.“ Saldana wirkt für einen Moment müde und sagt, „Ich denke, es hat auch viel mit der Rassenthematik zu tun.“

Mantel von Sonia Rykiel. Sandalen von Saint Laurent.

„Jedes Mal, wenn ich nicht bei ihnen bin, tut mir das so weh und ihnen auch, also muss ich zumindest sicherstellen, dass es sich lohnt

Ich bin etwas besorgt, dass ich zu weit gegangen bin, dass diese Frage unter die Gürtellinie ging, aber sie redet sich in Rage, so wie die Superhelden, die sie spielt. „‚Farbe verkauft nicht‘ – sie verstecken sich hinter dieser Ausrede. Aber in Wahrheit hast du als Führungspersönlichkeit Verantwortung, die Geschichte zu lenken und zu verändern und in die richtige Richtung zu bringen. Wenn du es nicht machst, bist du auch nicht besser als der Rest.“

Es ist nicht Saldanas Art, ein Opfer zu spielen. Superheldinnen sind mehr ihr Ding. Und sie freut sich, dass ihre Söhne durch Wonder Woman Zugang zu ihnen bekommen haben und auch mit ihren Gamora-Puppen anstatt nur mit männlichen Charakteren spielen („Sie spielen die ganze Zeit mit den Gamora-Action-Figuren und machen sie kaputt“). Auch, wenn sie sehr begeistert von ihrer Zusammenarbeit mit Stars wie Robert Downey Jr. in Avengers: Infinity War ist, ist sie die erste, die auch ihre Kolleginnen auflistet: Brie Larson, Scarlett Johansson, Lupita Nyong’o, Elizabeth Olsen und Karen Gillan. Saldanas umfassende Scifi-Welt ist wirklich eine Welt – oder vielmehr mehrere Welten – die sie inspiriert; etwas, für das sie auch manchmal ihre Söhne eine Zeit lang zurücklässt, wenn es sein muss. „Ich habe zuvor noch nie so einen Schmerz empfunden wie als Mutter. Jedes Mal, wenn ich nicht bei ihnen bin, tut mir das so weh und ihnen auch, also muss ich zumindest sicherstellen, dass es sich lohnt.“ Perego und sie haben sich entschlossen, es bei drei Kindern zu belassen. Über die Geburt von Zen wird sie nicht ohne seine Zustimmung sprechen – sie selbst war nicht mit ihm schwanger. „Wir denken, dass diese Geschichte nur Zen gehört und wir wissen noch nicht, ob und wie er sie erzählen möchte.“

Dies beweist umso mehr, dass Saldana ein gutes Herz hat, wie die Scifi-Heldinnen, die sie so liebt. Wirklich, ich glaube, sie hat selbst ein paar Superkräfte. Wer weiß, vielleicht rettet sie die Welt, mich würde es nicht überraschen.

Avengers: Infinity War erscheint am 26. April im Kino

Kleid von Haney. Strumpfhose von Falke. Pumps von Alexander Wang. Ohrringe von Kenneth Jay Lane.

Play drücken

Schauspielerin Zoe Saldana spricht im exklusiven Video für PorterEdit über Heldinnen, wie sie mit Hass umgeht und wie Frauen sich gegenseitig unterstützen können.

Die in diesem Artikel dargestellten Personen stehen nicht in Verbindung mit NET-A-PORTER und unterstützen weder die Inhalte noch die gezeigten Produkte.