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Jessica Alba

Coverstory Jessica Alba

JESSICA ALBA hat sich den Erfolg hart erarbeitet, indem sie sich dem Rassismus in Hollywood widersetzte und ihr eigenes Imperium aufbaute. Der Star aus L.A.’s Finest und Gründerin von The Honest Company spricht mit SANJIV BHATTACHARYA über ihre Erfahrungen

Foto Will DavidsonStyling Tracy Taylor
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Bild oben: Bluse von Dôen. Shorts von Alexander Wang. Kette von Alighieri. (Rechte Hand) Ring von Spinelli Kilcollin. (Linke Hand) Ring von Stone and Strand. Ring von Grace Lee. Dieses Bild: Kleid von Zimmermann. Sandalen von Chloé. (Rechte Hand) Ring von Spinelli Kilcollin. (Linke Hand) Ring von Stone and Strand. Ring von Grace Lee.

Jessica Alba ist gereizt. Das weiß ich, nachdem ich gerade einmal zehn Minuten mit ihr verbracht habe. Nicht, weil man es ihr ansieht – man sieht es ihr nämlich nicht an – sondern weil sie es mir erzählt. Sie ist offen und direkt. „Ich schätze, Neinsager geben mir Energie“, erklärt die 38-jährige Schauspielerin und pustet auf ihren heißen Kaffee. Wir sitzen an einem Freitagmorgen auf der Couch in ihrem geräumigen Wohnzimmer; ihr Haar ist noch nass vom Duschen. „Wenn niemand glaubt, dass man es zu etwas bringen könnte, dann kann man nur hoch hinauskommen, richtig?“

Sicherlich glaubt aber jeder, dass Alba es zu etwas bringen kann? Sie hat es bereits getan. Und wie viel höher soll es für sie noch gehen? Seit fast 20 Jahren ist sie eine gefeierte Schauspielerin, mit Fans auf der ganzen Welt. Im Jahr 2011 gründete sie The Honest Company, ein Wellness- und Babypflegeunternehmen, dessen Wert 2017 auf rund 1 Milliarde US-Dollar geschätzt wurde. Und, soweit ich das beurteilen kann, lebt sie buchstäblich an der Spitze von Beverly Hills. Es ist ihr drittes – möglicherweise viertes – Haus in der Gegend. Vom Wohnzimmer aus blickt man über die Hügel und Schluchten bis hin zum Pazifik. Ihre anderen Häuser befinden sich weiter unten am Fuß des Hügels. Sie wollte das Upgrade, also zog sie im August um. „Es ist ruhig hier“, sagt sie, „man hat nicht das Gefühl, in der Stadt zu sein.“

„Neinsager geben mir ENERGIE. Wenn niemand GLAUBT, dass man es zu etwas bringen könnte, dann kann man nur HOCH hinauskommen“

Ruhe gab es jedoch in letzter Zeit wenig in Albas Leben. Neben der Gründung und dem Aufbau eines Großunternehmens, ist sie auch Mutter von drei Kindern: Honor, Haven und Hayes, die zehn, sieben und ein Jahr alt sind. All das erklärt ihre Pause vom Schauspielern. „Meine Firma nahm mir einen Großteil meiner professionellen Zeit und meine Kinder haben mein Herz erobert“, sagt sie. „Ich hatte einfach keinen Platz.“ Mittlerweile hat sie einen neuen CEO bei Honest angestellt, sodass sie wieder mehr Zeit für das Schauspielern hat. Und wie so typisch für Alba, gibt sie alles. Ihre wöchentliche TV-Show L.A.’s Finest leutet den Start des neuen Streaming-Services Spectrum ein, „wie House of Cards für Netflix.“ Alba und Gabrielle Union spielen darin ein Polizistinnen-Duo – ein Spin-Off des 90er-Films Bad Boys von Michael Bay mit Will Smith und Martin Lawrence.

Es ist eine Show, in der „Frauen coole und interessante Dinge tun, anstatt Klischees zu bedienen“, sagt sie. Sowohl Union als auch Alba haben beide kleine Kinder, also wechseln sie von einer Minute zur nächsten vom Set, wo sie Kriminelle jagen, zu ihren Trailern, in denen sie ihre Babys füttern. „Ich sagte, meine Kinder kommen mit ans Set, und ich kann niemanden gebrauchen, der mir ein schlechtes Gewissen macht, wenn mein Kleiner Hunger hat.“

Als ich sie frage, warum sie bei so viel Arbeit auch noch eine TV-Show macht, schaut mich Alba etwas hilflos an. „Ich habe es vermisst, schätze ich. Ich wollte jemand anderes sein. Deshalb habe ich schon immer gerne geschauspielert. Ich war als Kind sehr krank und die Schauspielerei erlaubte es mir, der Realität zu entkommen. Ich denke, wenn der Druck im Leben zu groß ist, hilft es abzuschalten.“

„Ich habe [das Schauspielern] vermisst. Ich wollte jemand ANDERES sein. Deshalb habe ich schon IMMER gerne geschauspielert… es erlaubte mir, der Realität zu entkommen“

Schal von Loewe. Bikini-Oberteil von Stella McCartney. Shorts von Re/Done. Hut von Rag & Bone.
Pullover und Hose von Chloé. Kette von Alighieri. (Rechte Hand) Ring von Spinelli Kilcollin. (Linke Hand) Ring von Stone and Strand. Ring von Grace Lee.

Sie ist bekannt für ihre Schönheit und ihr Talent, aber das Bemerkenswerteste an Alba ist ihre Motivation; ihre Unaufhaltsamkeit macht sie aus und hat sie geprägt. Ihre Mutter, die zur Hälfte Dänin und zur anderen Hälfte Französin ist, und ihr mexikanischer Vater haben so jung geheiratet (ihre Mutter war 19), dass Alba bis zu ihrem 15. Lebensjahr bei ihren Großeltern väterlicherseits in Pomona, einer bescheidenen Kleinstadt östlich von Los Angeles, aufwuchs. Ihre Mutter wurde von ihrer Familie wegen der Heirat mit einem Mexikaner verstoßen und Alba hat nichts mit ihnen zu tun. „Im Grunde genommen sind sie Rassisten“, sagt sie. Rassismus begleitet Alba ständig, was zu ihrer gereizten Stimmung beiträgt.

Sie zeigt mir eine Wand in ihrem Haus voller Familienfotos – ihr Großvater, der mit 12 Jahren anfing, Früchte zu pflücken; ihre Großmutter, die in einem lokalen Theater auftrat. „Kalifornien war damals gespalten“, sagt sie. „Mexikaner mussten aus anderen Wasserspendern trinken. Man durfte erst am letzten Tag der Badesaison ins Schwimmbad gehen, nachdem all die weißen Kinder dort waren, kurz bevor sie das Wasser abließen.“

Während ihrer Kindheit war ihre Familie arm. „Als mein Vater beim Militär war“, sagt sie, „hatten meine Eltern manchmal drei Jobs.“ Und obwohl ihre Eltern sie so gut wie möglich vor der Armut bewahrten, erkannte sie, welche Schwierigkeiten sie hatten. „Die Arbeit war eine Belastung für sie“, sagt sie. „Und ich fragte mich, warum können sie keine Jobs machen, die ihnen Freude bereiten? Warum sollten andere Leute das haben und wir nicht? Ich habe nie gedacht, dass die fehlenden Privilegien während meiner Kindheit mir später die Freiheit verwehren würden, nicht über Geld nachdenken zu müssen und glücklich zu sein.“

Robe von 3.1 Phillip Lim. Bikini und Armband von Isabel Marant. Kette von Alighieri. Armband von Valentino.
Robe von 3.1 Phillip Lim. Kette von Alighieri.

„Die meisten meiner Produktionen würde ich mir NIE selbst ansehen. Aber zu Beginn waren meine Entscheidungen meist vom Geld abhängig. Ich wollte ein GLOBALES Publikum erreichen, um eventuell LANGFRISTIGER arbeiten zu können. Das war meine Einstellung“

Kleid und Armband von Isabel Marant. Sandalen von Alighieri. Armband von Catbird. Ring von Stone and Strand. Ring von Grace Lee.

Albas schauspielerische Laufbahn begann in Teenager-Jahren. „Es waren nur ich und weiße Mädchen“, sagt sie. „Und wenn sie eine Latina wollten, passte man sich einer Art Stereotyp an. Also musste ich meinen eigenen Weg finden und mir die Türen selbst öffnen. Niemand in Hollywood sagte: ‚Ja, komm rein!‘“

Trotzdem war sie erfolgreich. Mit 17 wurde sie von James Cameron für die Hauptrolle in Dark Angel besetzt. Danach war sie in Honey, Sin City und den Fantastic-Four-Filmen zu sehen, die sie schließlich zu einem Weltstar machten. Und doch war ihre Karriere holprig, wie sie selbst zugibt. „Die meisten meiner Produktionen würde ich mir nie selbst ansehen. Aber zu Beginn waren meine Entscheidungen meist vom Geld abhängig. Ich wollte ein globales Publikum erreichen, um eventuell langfristiger arbeiten zu können. Das war meine Einstellung.“

Erst 2008 begann sie anders zu denken. Im selben Jahr heiratete Alba den Filmproduzenten und Unternehmer Cash Warren, mit dem sie ihr erstes Kind bekam. „Ich war vorher wirklich unsicher“, sagt sie. „Ich dachte, wenn ich nicht härter als alle anderen arbeiten würde, wäre alles vorbei. Cash öffnete mir die Augen und zeigte mir, dass ich nicht immer gegen die Welt ankämpfen müsse. Er sagte: ‚Sei nicht so wütend. Du kannst auch einfach nur glücklich sein und dich entspannen. Deine Karriere wird nicht so schnell beendet sein. Wichtig ist die Frage, wozu du sie nutzen willst?‘ Und dann bin ich ins Business eingestiegen.“

[Bei den Vorsprechen] waren nur ICH und weiße Mädchen. Also musste ich meinen eigenen Weg finden und mir die Türen selbst ÖFFNEN. Niemand in Hollywood sagte: ‚Ja, KOMM rein!‘“

Honest, benannt nach ihrer ersten Tochter Honor, ist Albas Marke für schadstofffreie Baby-, Beauty- und Home-Produkte. Es ist als Vermächtnis an ihre Kinder und die positiven Werte in deren Leben gedacht. Es war ein Großprojekt: Alba hatte die High School nicht mal abgeschlossen und baute dann von Grund auf eine Firma auf. Und doch wurde Honest 2016 auf einen Wert von 1,7 Milliarden US-Dollar geschätzt, wobei Alba von Forbes als eine der reichsten Selfmade-Frauen unter 40 Jahren mit einem Eigenkapital von 340 Millionen US-Dollar ernannt wurde.

Doch es lief nicht immer alles glatt: 2017 wurden um die 80 Personen entlassen. Alba initiierte einen Führungswechsel und stellte einen neuen CEO ein sowie viel mehr Frauen mit 50% anstatt 15% in leitenden Positionen. „Ich musste bestimmte geschlechtliche Werte und Grundlagen verdeutlichen“, sagt sie. „Es ist einfacher, wenn die Hälfe der Leute im Raum versteht, was gemeint ist. Da geht es zum Beispiel darum, wie sich eine Frau während Hormonschwankungen und der Schwangerschaft fühlt und was sie denkt, wenn sie über Inhaltsstoffe liest. Die Schwangerschaft war die verletzlichste Zeit meines Lebens, aber auch die empfindlichste und einsamste – das gilt für alle drei meiner Schwangerschaften. Selbst mit Hayes war alles völlig neu – als erlebte ich es zum ersten Mal.“ (Sie zieht kein viertes Kind in Erwägung: „Ich liebe Kinder, aber ich bin ungerne schwanger.“)

Natürlich wird sie mit Gwyneth Paltrow verglichen. Die Schauspielerin hat ihre Filmkarriere ebenfalls zugunsten eines eigenen Wellness-Unternehmens auf Eis gelegt. Alba wird im Mai an der Konferenz von Goop teilnehmen. Mit Paltrow hat sie viele Erfahrungen geteilt, insbesondere, wenn es um Geldangelegenheiten geht. „Das Bankwesen wird von Männern dominiert“, sagt sie. „Häufig haben sie nur ein Meeting mit dir, damit sie ein Foto machen können, was nicht automatisch bedeutet, dass sie dir Geld geben werden.“ Aber sie weist auch schnell auf die Unterschiede zwischen Paltrow und ihr hin: „Sie ist eine Oscar-prämierte Schauspielerin, sie ging auf Privatschulen, ihr Vater war ein großer Star, unsere Hintergründe könnten nicht unterschiedlicher sein.“

Ein weiterer Unterschied ist, dass Alba wieder ernsthaft schauspielert. In etwa einer halben Stunde hat sie ein Meeting bei Warner Bros. Während unseres Gesprächs schminkt sie sich und trägt Mascara und Lippenstift auf. Man sieht ihr die Motivation wieder an, den Ehrgeiz, der in ihr aufzublühen scheint. Ich frage, ob sie der Schauspielerei gereizt entgegentritt. Sie lacht: „Ja, wahrscheinlich. Ich konnte mich als Schauspielerin nicht so entfalten, wie ich es wollte und konnte. Jetzt, nach #MeToo, hat sich das Umfeld verbessert. Männer sind dazu gezwungen, uns teilhaben zu lassen.“ Und mit diesen Worten steht sie auf, um sich zu verabschieden. Ich vermute, das anstehende Meeting wird nach ihrer Manier verlaufen.

L.A.’s Finest erscheint am 13. Mai auf Spectrum

Kleid und Armband von Isabel Marant. Sandalen von Chloé.

Auf der Sonnenseite…

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