Coverstory

Helles Köpfchen

mit

Lucy Boynton

Mit ihrer schauspielerischen Leistung in Bohemian Rhapsody glänzte sie im letzten Jahr als Leinwand-Star und jetzt erobert LUCY BOYNTON auch die Fernsehwelt. In der neuen Netflix-Serie The Polititian spielt die 25-Jährige eine eiskalte Politik-Studentin, die von der Gier nach Macht und Erfolg getrieben, rücksichtslos über Leichen geht. SUSIE RUSHTON erlebt im Interview eine nicht minder ehrgeizige, wenngleich warmherzige und unsagbar smarte Blondine…

Foto Nicolas KantorStyling Tracy Taylor
Coverstorys

Manche Frauen sehen einfach immer umwerfend aus und Lucy Boynton ist eine von ihnen. Es ist ein heißer Tag in London und wir treffen uns im Rosewood Hotel. Sie trägt schwarze Schnürstiefel zum schwarzen transparenten Hemdkleid von DKNY aus den 90er-Jahren, das ihrer einst Mutter gehörte. Am Handgelenk blitzt ihre „J12“Uhr von Chanel. „Ich trage sie immer so“, sagt sie und winkt scherzhaft mit dem Arm. „Möchte jemand wissen, wie spät es ist?“ Ihre blauen Augen kommen durch die künstlichen Wimpern im Stil von Jean Shrimpton noch mehr zur Geltung, ihr platinblondes Haar hat sie mit einem schwarzen Zopfgummi zusammengebunden und erinnert an eine 60er-Ikone, die David Bailey sicherlich sofort fotografiert hätte.

Die 25-Jährige erlebt gerade ihren Durchbruch in Hollywood. Neben dem weltweiten Erfolg von Bohemian Rhapsody im vergangenen Jahr und dem Oscar-prämierten Schauspieler Rami Malek an ihrer Seite, hat sie nun eine bedeutende Rolle in The Politician angenommen. Die Netflix-Serie stammt aus der Feder von Ryan Murphy, dem Produzenten von Glee und American Horror Story.

Boynton wirkt aufgeweckt und neugierig, ist selbstbewusst, mit einer starken Meinung und einer ausgeprägten Beobachtungsgabe. „Ich befasse mich viel dem Mond und allem, was damit zusammenhängt“, sagt sie und spielt mit ihrer Goldkette von Andrea Fohrmann, nur um im nächsten Moment plötzlich vom Thema Mode zum Leben am Set im Zuge der #MeToo-Bewegung zu wechseln. „Man muss als Schauspielerin keine Angst davor haben, als ‚schwierig‘ zu gelten“, sagt sie. Was ihre Beziehung zu Malek betrifft, gibt sie kaum etwas preis, spricht jedoch auffallend häufig von „meinem Freund“. Wie es der Zufall will, befindet er sich zu diesem Zeitpunkt im Hotelzimmer. Es geht ihm nicht sonderlich gut, weshalb Boynton ihm direkt nach unserem Interview Medikamente besorgt. Malek sagt über sie: „Sie hält mich am Boden.“

Obiges Bild: Jacke von Balenciaga. Dieses Bild: Kleid von Prada. Schuhe von Balenciaga. Armbanduhr von Cartier.
Jacke von Balenciaga.

„Man muss als SCHAUSPIELERIN keine ANGST davor haben, als SCHWIERIG zu gelten“

Boynton kann nicht anders, als immer wieder mit den Augen zu rollen. „Ich finde mich urkomisch – bis die Kamera angeht“, sagt sie. „Dann verpasse ich plötzlich meinen Einsatz.“ Das wirkt recht bescheiden, wenn man an ihre unsagbar humorvolle Darbietung in The Politician denkt. Die Comedy-Serie spielt in einer High-School in Santa Barbara. Ben Platt mimt den jungen, wohlhabenden Möchtegernpolitiker, während Boynton in die Rolle der zickigen Astrid schlüpft, deren politisches Interesse im Laufe der Serie wächst. „Ich habe zum ersten Mal eine derartig grausame Figur gespielt“, gesteht Boynton. „Aber Ryan Murphy skizziert nicht nur das Negative, sondern lässt auch ihre liebenswerte Seite zum Vorschein bringen.“

Typisch für Murphys Stil ist auch die Starbesetzung: Gwyneth Paltrow, Jessica Lange, Martina Navratilova und January Jones, die Boyntons Mutter spielt, sind in der Serie zu sehen. „Manchen Leuten kann ich nicht in die Augen schauen“, sagt Boynton über ihren Fan-Moment mit Jones, die sie „abgöttisch liebt“ und als „ziemlich coole, direkte Frau“ bezeichnet. Und das, obwohl sie nicht immer gerne neben ihr vor der Kamera stand. „Es gibt Szenen, in denen wir beide in den Spiegel blicken. Der Regisseur sagte zu mir: ‚Stell dir vor, du bist von ihrem Anblick irritiert, weil sie so schön ist.‘ Und ich reagierte mit den Worten: ‚Das muss ich gar nicht. Ich versuche hier gerade, nicht zu heulen!‘“

Mantel von Loewe. Schuhe von Bottega Veneta.

„Sie kennzeichnen dich als „die NEUE“, doch dieser RUHM ist nur von KURZER Dauer“

Boynton gilt zwar als Newcomerin, ist jedoch seit dreizehn Jahren in der Filmbranche tätig. „Sie kennzeichnen dich als „die Neue“, doch dieser Ruhm ist nur von kurzer Dauer“, sagt sie. Geboren wurde sie in New York als Tochter eines britischen Journalistenpaares, ihre Schauspielkarriere begann sie just nachdem sie nach London zurückgezogen war. Mit zwölf Jahren bekam sie ihre erste Rolle in dem Spielfilm Miss Potter, ein Casting-Direktor hatte sie bei einem Vorsprechen an der James Allen’s Girls’ School in Süd-London entdeckt. Boynton war darin an der Seite von Renée Zellweger und Ewan McGregor zu sehen. Kurz darauf hatte sie ihren eigenen Agenten und es folgten weitere Filmprojekte, darunter Ballet Shoes an der Seite von Emma Watson. Boyntons Mutter und gleichzeitige Beraterin lehnte allerdings jene Rollen, die sie als unangemessen erachtete, ab. „Sie war extrem fürsorglich, was die Drehbücher betrifft. Die Girls von St. Trinian oder In meinem Himmel durfte ich nicht annehmen, weil sie mich mit solchen Themen nicht konfrontieren wollte. Als ich es später herausfand, war ich wütend. Ich dachte, sie würde ihre 12-jährige eigene Tochter ausbremsen wollen“, sagt sie. „Ich war echt unausstehlich.“

Ihre Eltern machten sich „große Sorgen”, als sie sich gegen ein Studium entschied, um stattdessen eine Schauspielkarriere zu beginnen. Boynton ergatterte eine Reihe von Rollen, vornehmlich im Horror- oder Historiengenre. Bekannt wurde sie erst durch ihre Darstellung von Mary Austin, der Lebensgefährtin von Freddie Mercury. Die Arbeit an Bohemian Rhapsody – „mit all den Höhen und Tiefen“, sagt sie mit finsterer Miene – hat ihre Spuren hinterlassen. Sowohl der Hauptdarsteller als auch der Regisseur wurden während der Produktion gewechselt. „Es gab Unstimmigkeiten während der Dreharbeiten. Wir mussten mehr in den Prozess eingebunden werden. Wenn man Rami bei der Arbeit zusieht – er weiß immer, welches Objektiv wir gerade verwenden, welches Set, welche Darsteller, die Reihenfolge der Szenen. Er sieht das Gesamtbild.“

„Ich FREUE mich, wenn sich Leute für Maleks Arbeit BEGEISTERN. Doch mich stören die FANS, die ihn regelrecht an sich reißen. Auf der Straße würde man auch nicht einfach einen FREMDEN packen“

Mantel und Hemd von Gabriela Hearst.
Kleid von The Row. Schuhe von Dries Van Noten.

Im Januar gaben Boynton und der 38-jährige Malek ihre Beziehung offiziell bekannt. Sie bewundert dessen Art und Weise, mit der Schauspielerei umzugehen. „Ich habe zuvor noch nie einen Hautdarsteller gesehen, der in jedes Detail der Produktion so involviert war“, sagt sie. „Ich habe versucht, mir davon etwas abzuschauen. Ich denke, mittlerweile kann ich meine Meinung besser vertreten. Ich weiß, wie ich mich hinsichtlich eines Projektes und meiner persönlichen Stärken richtig ausdrücke.“ Sie meint damit auch den Erwerb der Filmrechte an neuer Frauenfiktion. „Ich möchte an der Entwicklung des Drehbuchs und der kreativen Umsetzung beteiligt sein“, sagt sie.

Auch hat sie von ihrem Partner gelernt, die Dinge nicht zu überstürzen. Malek bekam seine erste Hauptrolle in Mr. Robot vor vier Jahren als er 34 Jahre alt war. „Er arbeitet schon länger in der Branche. Ich denke, man muss sich einfach Zeit lassen. Die Schauspielerei ist meine Zukunft, da bin ich mir sicher. Allerdings hört man oft, dass Erfolg alles ist. Es klingt verlockend, zumal man so im Gespräch bleibt. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Wenn etwas gut werden soll, muss man sich Zeit nehmen, das habe ich gelernt.“

Blazerkleid von Tibi.

Malek kommt ursprünglich aus Los Angeles. Das Paar verbringt seine gemeinsame Zeit in New York und London, je nachdem wie es Werbetouren und Drehpläne erlauben. Boynton gibt zu, dass ihr das öffentliche Interesse an Malek sauer aufstößt. „Ich freue mich, wenn sich Leute für seine Arbeit begeistern und Mr. Robot oder Freddie gesehen haben. Vielmehr sind es Fans, die ihn einfach an sich reißen. Auf der Straße würde man auch nicht plötzlich einen Fremden packen. Es wirkt besitzergreifend. Heutzutage ist es in Ordnung, die Privatsphäre einer Person komplett zu ignorieren. Es ist uns passiert, als wir mit meiner Mutter unterwegs waren. Wir wurden einfach zur Seite geschoben. Es ist ziemlich schockierend.“

Die Smartphone-Obsession sei in New York schlimmer als in London und ein Grund für ihre Abneigung Instagram gegenüber. Ihre Fangemeinde auf Social Media umfasst 780.000 Menschen. „Ich entferne mich immer mehr davon“, sagt sie. Ihr Account ist ein Abbild ihrer modischen Abenteuer und könnte gut und gerne zum Vorbild für eine Netflix-Serie dienen. Seitdem sie mit der britischen Stylistin Leith Clark zusammenarbeitet, zu deren Kundinnen auch Keira Knightley und Felicity Jones gehören, kommt Boyntons Vintage-Liebe noch besser zum Ausdruck. Boyntons Stil zeichnet sich durch florale Couture-Kreationen, aufregende Minikleider und feminine Flats aus. „Leith und ich haben eine gemeinsame Passion für die Mary-Jane-Pumps, die Annie im Film trug“, sagt sie.

Bei der Met Gala, die in diesem Jahr dem Motto „Camp“ folgte, zeigte sich Boynton in einem rosafarbenen Kleid von Prada zu mit Blumen und Kristallen verzierten blauen Haaren. Sie erinnerte an Titania, eine Figur von William Shakespeare, auf dem Weg zum Coachella-Festival. „Die blauen Haare blieben mir etwas länger als gewollt erhalten.“ Die Mode hat es auch Malek angetan: Bei den Critics’ Choice Awards erschien das Paar unbeabsichtigt in farblich abgestimmten Outfits in Hellblau.

„Ich sollte ursprünglich ein anderes Kleid von Gucci tragen“, sagt sie. „Da dieses hätte umgenäht werden müssen, entschied ich mich für einen anderen Look. Außerdem verlasse ich das Haus immer vor ihm. Mein Team kümmert sich um mein Styling, bevor ich ihn bei der Veranstaltung wiedersehe. Erst als wir unsere Sitzplätze eingenommen hatten, fiel uns die Ähnlichkeit unserer Outfits auf. Trotzdem sind wir nicht die Art von Paar, das sich modisch immer aufeinander abstimmt“, lacht sie. „Wir wollen nicht plötzlich zu einer Person verschmelzen.“

The Politician erscheint am 27. September auf Netflix.

Mantel von Deveaux. Hemd von Akris. Schuhe von Bottega Veneta.
Kleid von Ganni. Armbanduhr von Cartier.

Die in diesem Artikel dargestellten Personen stehen nicht in Verbindung mit NET-A-PORTER und unterstützen weder die Inhalte noch die gezeigten Produkte.