Weg zum Erfolg
mit
Diane Kruger

Egal, ob sie ein Intensivtraining für Geheimagenten absolviert oder über Nacht ihre Meinung zu Mutterschaft und Eheschließung ändert, DIANE KRUGER ist eine Frau, die sich den Ungewissheiten des Lebens stellt. Mit JANE MULKERRINS spricht sie über das nächste Kapitel und die düstere Seite Hollywoods
Im zweiten Trimester von Diane Krugers kürzlicher Schwangerschaft – die Tochter von Kruger und ihrem Partner, dem Schauspieler Norman Reedus, kam im Oktober auf die Welt – war für die deutsche Schauspielerin bzw. das Ex-Model kaum an eine Pause zu denken. Anstatt es langsam angehen zu lassen, reiste sie nach Tel Aviv, um dort ein Intensivtraining für ihre Rolle als Mossad-Agentin im neuen Film Die Agentin zu absolvieren. Es war das gleiche berüchtigt harte Training, das Agenten des israelischen Geheimdiensts auch im echten Leben durchlaufen.
„Wir mussten seltsame Dinge tun“, sagt die 42-jährige Kruger. „Etwa einen Fremden auf der Straße davon überzeugen, dich irgendwohin zu führen, oder an der Haustür von jemandem klopfen und darum bitten, hereingelassen zu werden.“ Zur Tarnung gab sie sich als Touristin aus. „Wenn man glaubwürdig ist, bieten einem die meisten Menschen sofort ihre Hilfe an“, sinniert sie. „Aber mir fiel es sehr schwer, die Leute anzulügen.“ Noch nervenaufreibender war es wohl, sich mit einem gefälschten Pass durch die Flughafensicherheit begeben zu müssen. „Es bestand ja immerhin die Möglichkeit, wirklich verhaftet zu werden. Es war furchterregend.“
„Ich dachte lange, dass ich keine KINDER will. Ich war zu EGOISTISCH. Als ich 35 wurde, wollte ich dann doch eins, nur muss man dazu den richtigen PARTNER finden“
So unangenehm Kruger Lügen und Täuschungen auch empfinden mag, sie sind die zentralen Themen in ihrem nächsten Film. Neben ihrer Rolle in Die Agentin wird sie künftig auch in Jeremiah Terminator LeRoy zu sehen sein. Die Geschichte über den ausgeklügelten Schwindel, auf den sowohl Hollywood als auch die Verlagsbranche in den 90er- und frühen 2000er-Jahren reingefallen sind, wird mit Spannung erwartet. JT LeRoy galt als Wunderkind der Literatur und Autor mehrerer angeblich autobiografisch inspirierter Bücher, die von einer schaurigen Kindheit handeln. In Wirklichkeit war JT LeRoy eine völlig fiktive Figur, die von der Schriftstellerin Laura Albert als Pseudonym geschaffen und von ihrer Schwägerin Savannah Knoop typischerweise mit Brille und Perücke verkörpert wurde.
Das Drehbuch für den Film mit Kristen Stewart als LeRoy wurde von Knoop mitverfasst, die auf der Leinwand von Laura Dern gespielt wird. Kruger schlüpft währenddessen in die Rolle der Eva. Sie, ein hinterhältiger, manipulativer europäischer Filmstar, ist von LeRoy besessen und fest entschlossen, sich die Rechte an dem Roman zu sichern (die Filmfigur basiert zum Teil auf der Schauspielerin und Regisseurin Asia Argento, die sich mit LeRoy anfreundete und bei der Adaption seiner Geschichte Das Herz ist eine hinterlistige Person Regie führte). „Prominente kamen in Scharen zu JTs Lesungen. Jeder wollte an ihm teilhaben, da er so unverfälscht und authentisch zu sein schien“, sagt Kruger mit einem leichten Ausdruck von Verachtung. „Die Promiwelt kann so hässlich sein – diese Geschichte beweist das.“
Man bekommt den Eindruck, dass Krugers eigenes Verhältnis zur Prominenz bestenfalls ambivalent ist. Vor allem ihre zehnjährige Beziehung mit dem ehemaligen Dawson’s-Creek-Schauspieler Joshua Jackson machte sie zum Zielobjekt der Paparazzi. Als sie sich 2016 trennten, überschlugen sich die Medien und verkündeten ihre Trauer über das Ende des Traumpaares. Nach der Trennung sagte sie: „Ich werde nie wieder in der Öffentlichkeit über meine Beziehung sprechen. Ich denke, ich teile schon genug aus meinem Leben mit anderen. Manches muss künftig noch privater bleiben.“ Sie und Reedus haben sich dazu entschlossen, den Namen ihrer Tochter so lange wie möglich geheim zu halten.
„Prominente kamen in Scharen zu JT LeRoys Lesungen. Jeder wollte an ihm teilhaben, da er so ,AUTHENTISCH‘ zu sein schien. Die Promiwelt kann so HÄSSLICH sein und diese Geschichte beweist das“
Auch wenn sie überflüssige Medienpräsenz vermeidet, bleibt Kruger weiterhin eine Stilikone. Zu sehen ist sie häufig in den Kreationen ihrer Lieblingsdesigner, darunter Karl Lagerfeld, Jason Wu und Giambattista Valli. Die meisten von ihnen kennt sie noch aus ihren Modeltagen vor 20 Jahren. Heute mag es Kruger allerdings lieber unauffällig. So betritt sie ganz leger das Café in Manhattans West Village, das um die Ecke von dem Brownstone-Gebäude liegt, in dem sie und Reedus wohnen. Sie trägt einen beigen Oversized-Mantel von Max Mara, ist ungeschminkt und hat ihre Haare unter einer Schirmmütze versteckt. „Ich habe extra geduscht“, kündigt sie freudig an, während sie ihren Mantel ablegt, der den Blick auf Jeans und einen gestreiften Rollkragenpullover freigibt. „Ich habe mir wirklich Mühe gegeben; so gut habe ich bestimmt schon zwei Monate nicht mehr ausgesehen.“ Reedus, auch bekannt als Zombie-Killer Daryl Dixon in The Walking Dead kümmert sich um das Baby zuhause, während sie unterwegs ist. „Ich dachte lange, dass ich keine Kinder will. Ich war zu egoistisch“, sagt sie. „Aber mit ungefähr 35 wollte ich dann doch eins, nur muss man dazu auch den richtigen Partner finden.“
„Sag niemals NIE [zur Eheschließung]. Ich würde eine Party schmeißen und ein schönes KLEID tragen. Ich bin nicht religiös, dafür finanziell unabhängig – ich brauche NIEMAND anderen“
Reedus, mit dem sie kurz nach ihrer Trennung von Jackson zusammenkam, hat mit seiner früheren Partnerin, Model Helena Christensen, einen 19 Jahre alten Sohn, Mingus. Das dänisch-peruanische Supermodel lebt in der Nachbarschaft und sie haben zusammen Weihnachten verbracht. Auch Reedus’ 50. Geburtstag am kommenden Wochenende werden sie gemeinsam feiern.
Im zarten Alter von 23 Jahren war Kruger schon einmal verheiratet, mit dem französischen Schauspieler und Regisseur Giullaume Canet. Seit ihrer Scheidung 2006 ist sie davon überzeugt, dass man nur im gehobenen Alter heiraten sollte, wenn man bereits eine lange Zeit miteinander verbracht hat. „Sag niemals nie“, lächelt sie. „Ich würde eine Party schmeißen und ein schönes Kleid tragen. Aber ich bin nicht religiös, weshalb dieser Aspekt der Ehe für mich nicht von Bedeutung ist“, erklärt sie. „Natürlich bringt die Ehe finanzielle Sicherheit mit sich, aber ich bin finanziell unabhängig und brauche dafür niemand anderen.“
Kruger wuchs in dem kleinen Dorf Algermissen in Norddeutschland auf. Ihre Mutter arbeitete in einer Bank; ihr Vater, ein Filmvorführer, war Alkoholiker. Die beiden ließen sich scheiden, als Kruger noch ein Teenager war. Sie war eine ehrgeizige Tänzerin und verbrachte die Sommer an der Royal Ballet School in London. „Aber als mein Körper sich zu verändern begann, ließ ich nach. Ich war einfach nicht mehr gut genug.“ Eine Verletzung mit 13 Jahren schob ihren Bestrebungen ein für alle Mal einen Riegel vor. „Ein Glück im Unglück – die unergründlichen Wege des Lebens“, sagt sie schulterzuckend.
Mit 15 Jahren gewann sie den deutschen „Elite Model Look“-Wettbewerb und wurde nach einer Reihe von Testaufnahmen für einen Job nach Paris geschickt. „Und irgendwie bin ich einfach nicht zurückgekommen“, sagt sie. „Ich habe eine neue Welt kennengelernt, und sie war fantastisch.“ Sie lacht herzlich über die Idee, ihrer eigenen Tochter etwas Ähnliches zu erlauben. „Ich kann nicht glauben, dass meine Mutter mich damals gehen ließ. Ihr habe ich all das Gute in meinem Leben zu verdanken. Wenn sie nicht an mich geglaubt und mir nicht vertraut hätte, wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin. Es gab damals keine Handys, ich hatte keine Kreditkarte, es gab kein Aufsichtspersonal und ich sprach kein Wort Französisch.“ Sie nippt an ihrem Cappuccino und schüttelt den Kopf. „Nein, meine Tochter wird das nicht tun.“
Obwohl ihre Modelkarriere erfolgreich und lukrativ war – sie erschien auf dem Cover von Zeitschriften wie Vogue Deutschland und der französischen Elle und war in Kampagnen für namhafte Labels wie Chanel und Giorgio Armani zu sehen – „wurde es nach einer Weile einfach langweilig. Ständig nur nach seinem Aussehen beurteilt zu werden fühlte sich gegenstandslos an.“
Ihr Leben in Paris ermöglichte es ihr, Schauspielkurse an der historischen Theaterschule Cours Florent zu belegen. In den darauffolgenden Jahren baute sie sich eine solide Karriere in Frankreich auf, wo sie heute als eine der führenden Schauspielerinnen des Landes gilt. Seit Kurzem wird sie auch in ihrem Heimatland Deutschland als ernsthafte Schauspielerin angesehen. Aus dem Nichts war ihr erster deutschsprachiger Film. Darin spielte sie eine Frau, deren Mann und Sohn bei einem Terroranschlag getötet wurden. Für ihre Leistung gewann sie bei den Filmfestspielen von Cannes 2017 den Preis als beste Schauspielerin. „Der Film hat mich mit meinen deutschen Wurzeln verbunden“, sagt sie. „Ich lebe dort schon seit 25 Jahren nicht mehr, aber jeden Tag da zu sein und die Sprache zu sprechen hat mich an meine Herkunft erinnert.“
„Norman ist so GELASSEN und bringt mir viel bei. Es hat etwas für SICH, mit jemandem zusammen zu sein, der [die Elternschaft] zum ZWEITEN Mal erlebt“
Trotz einiger hochkarätiger Rollen wie die der deutschen Schauspielerin und Doppelagentin Bridget von Hammersmark in Quentin Tarantinos Inglorious Basterds konnte sie bisher keine englischsprachigen Aufträge mit ähnlicher Tiefe landen. „Das ist aber okay“, sagt sie und zuckt mit den Schultern. „Ich denke, man lernt mit dem Alter, dass die Dinge passieren, wenn man bereit dafür ist.“ Das Gleiche gilt für die Mutterschaft, sagt sie. „Ich bin froh, dass ich gewartet habe.“
Das ist ihr Stichwort. Kruger entschuldigt sich und wirft einen Blick auf ihr Handy. Reedus hat ihr ein Bild von ihrer Tochter geschickt, die in seinen Armen eingeschlafen ist. „Er ist so gelassen und bringt mir so viel bei“, sagt sie. „Es hat definitiv etwas für sich, mit jemandem zusammen zu sein, der das Ganze bereits zum zweiten Mal macht.“ Und mit diesen Worten verlässt sie das Café und zieht sich zurück in die intime Behaglichkeit ihrer modernen neuen Familie.
Jeremiah Terminator LeRoy erscheint am 29. März in den Kinos (USA)
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