Stille Brillanz
mit
Rashida Jones

Egal, ob Schauspielerei, Schreiben, Regieführen oder das Produzieren von Filmen, RASHIDA JONES scheint ein brillantes Beispiel dafür zu sein, dass man alles schaffen und erreichen kann. Ihr Geheimnis? Tanzen, Leute zum Lachen bringen und sich weigern, den Regeln Hollywoods zu folgen. Von OLIVE WAKEFIELD
Bei einer Dinnerparty über weitreichende Themen der Weltgeschichte mit Brie Larson, Mindy Kaling und Rosario Dawson zu debattieren… Wäre das nicht für die meisten von uns ein wahrer Traum? Aber nicht so für Rashida Jones, die diese Gegebenheit ganz anders definiert. „Es war wie ein fieberhafter Albtraum“, schüttelt sie sich, die Hände fest um ihren Cappuccino gelegt. Jones bezieht sich auf ihren Gastauftritt in Jay-Zs neuestem Musikvideo Family Feud (Regie: Ava DuVernay). „In einer Szene sitzen wir alle an einem Tisch und Ava kommt vorbei und bittet uns, eine Diskussion über den zweiten Zusatzartikel der US-Verfassung, also das Recht, Waffen zu besitzen und bei sich zu tragen, zu improvisieren. Aus dem Stand. Es war absolut furchteinflößend.“
Als eines der begehrtesten Hollywoodtalente muss Jones wahrscheinlich selten an einem Tisch sitzen und irgendjemanden von irgendetwas überzeugen. Heutzutage ist es andersherum und Hollywood kommt zu ihr. Sie ist die Frau, für die Steve Carell eigenhändig eine Sitcom kreierte – Angie Tribeca; die Filmstudios schlagen sich förmlich darum, mit ihr zusammenarbeiten zu können und sowohl Jay-Z als auch Drake gaben ihr die Rolle des ultimativen Boss-Girls in ihren Musikvideos. Vielleicht liegt es daran, dass sie jeden Charakter mit ihrem einzigartigen Witz und Charme erfüllt. Sie haben sie sicherlich als beste Freundin in Parks and Recreation und als feste Freundin in Das Büro – The Office gesehen. Aber wussten Sie auch, dass sie einen Netflix-Dokumentarfilm namens Hot Girls Wanted über Amerikas Pornoepidemiegedreht hat, Co-Autorin einer Episode der erfolgreichen dystopischen Science-Fiction-Serie Black Mirror ist und die preisgekrönte HBO-Serie Claws über eine Gang von Maniküristen, die sich zu einer Bande von Kriminellen zusammentun, produzierte?
Die jugendlich frisch aussehende 42-Jährige sitzt vor mir, ihre zarte Figur in einen übergroßen Mantel verpackt. Es ist der Tag nach dem zweiten Coachella-Wochenende und sie hatte sich zu einer spontanen Reise in die Wüste entschlossen, um ihre Freundin Beyoncé zu unterstützen („Ich sah sie letzte Woche von meinem Bett aus im Fernsehen und bin ständig auf und abgesprungen. Ich musste einfach hinfahren“). Heute gibt sich Jones eher nachdenklich. „Der Grund, weshalb ich den Schritt hinter die Kamera machte, war, dass ich mich als Schauspielerin austauschbar fühlte“, sagt sie über ihre Entwicklung von der Schauspielerin zur Autorin/Produzentin. „Du betrittst einen Raum und in diesem Moment entscheiden sie bereits anhand deiner Frisur, ob du die Rolle bekommst. Es gibt Leute, die zum Schauspielern geboren sind, aber ich spiele Rollen, die nur Versionen meines Selbst sind. Schreiben erscheint mir mehr wie eine Unterhaltung in beide Richtungen. Das fühlt sich für mich besser an.“
„Ich machte den Schritt HINTER die Kamera, weil ich mich als Schauspielerin AUSTAUSCHBAR fühlte. Schreiben erscheint mir mehr wie eine UNTERHALTUNG“
Für das richtige Projekt tritt sie auch gerne wieder vor die Kamera, wie für ihren neuesten Film Catch me!. Die Komödie mit Jon Hamm und Isla Fisher handelt von einer Gruppe von Freunden, die ein Fangspiel über Jahrzehnte lang weiterführen. Jones ist sich der Kraft ihres geschriebenen Wortes durchaus bewusst, vor allem aufgrund ihrer halbschwarzen, halbjüdischen Herkunft – sie nennt es Wurzeln. „Ich bin ein Erzeugnis von Sklaven. Ich bin auch ein Erzeugnis jüdischer Einwanderer und Holocaust-Überlebender. Ich habe die Verantwortung, diese Dinge zu repräsentieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich überhaupt geboren wurde, ist so gering.“ Jones Fans zeigen ihr, wie glücklich sie sind, dass sie existiert. Für sie verkörpert sie eine Stimme der Veränderung. Sieht sie sich ebenfalls so? „Man befindet sich in einer schwierigen Situation, wenn man eine Stimme verliehen bekommt. Ich will diese Lage nie ausnutzen, aber ich werde auch nicht schweigen. Prominente genießen da weniger Freiheiten als normale Menschen. Doch nur, weil wir so viele Follower in den sozialen Medien haben, sollen wir dumme, stille Entertainer sein? Das war ich noch nie.“
„Ich bin das Erzeugnis von SKLAVEN, jüdischer Einwanderer und Holocaust-ÜBERLEBENDER. Ich habe die Verantwortung, diese Dinge zu repräsentieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich überhaupt GEBOREN wurde, ist so gering“
Jones schreibt ihre Furchtlosigkeit ihren Eltern zu: Ihre Mutter ist Schauspielerin Peggy Lipton (The Mod Squad – Cops auf Zeit und Twin Peaks – Der Film) und ihr Vater Musikproduzent Quincy Jones, der hinter Michael Jacksons Album Thriller steckt. Beide sind Selbststarter und lehrten Jones und ihrer Schwester Kidada, dass sie es durch harte Arbeit und nicht aufgrund ihres Nachnamens weit bringen würden. „Bei meinem Vater dreht sich alles um herausragendes Können. Er sagte: ‚Egal, was du machst, du musst dafür richtig hart arbeiten, um richtig gut darin zu werden‘.“ Mit zehn Jahren beherrschte Jones das klassische Klavierspiel und entdeckte vor allem ihr komödiantisches Talent. „Ich war eine Streberin, aber auch extrovertiert. Menschen zum Lachen zu bringen war meine Überlebensstrategie. Ich setzte alle Hebel in Bewegung, nur um einen Witz zu erzählen.“ Mit vier sagte sie ihren Eltern, dass sie nach Harvard gehen wolle und natürlich setzte sie das auch um. „Dort habe ich gelernt, kritisch zu denken, meinen Schreibstil zu verbessern und alles in Verbindung zueinander zu setzen.“
Jones Talent für Comedy mit Köpfchen ist wahrscheinlich der Grund, weshalb sie – wenn man den Gerüchten Glauben schenken möchte – gefragt wurde, ein Remake von Warum eigentlich… bringen wir den Chef nicht um? zu Zeiten von MeToo zu verfassen. In dem Kult-Klassiker aus den 80ern spielen Dolly Parton, Jane Fonda und Lily Tomlin Angestellte, die belästigt werden und dann an ihrem Boss Rache üben. Wie nähert man sich, angesichts des aktuellen Klimas, solchen Themen in Form von Komödien? „Die Komödie ist der einzige Weg“, sagt Jones, ohne dieses Gerücht offiziell zu bestätigen. „Die Komödie liegt für mich in der Tatsache, dass sich die Dinge verändert haben, aber dann auch wieder nicht. Die Art und Weise, in der Menschen Belästigung, Ungleichheit oder geschlechtsspezifische Vorurteile erfahren, mag zwar jetzt subtiler sein, aber sie existieren weiterhin. Warum eigentlich… bringen wir den Chef nicht um? entspricht auch meiner Vorstellung von Solidarität am Arbeitsplatz und sich nichts von irgendeinem besch*** Mann gefallen zu lassen.“
Sie selbst habe auch unter einer Reihe von schrecklichen Chefs gelitten und kann von vielen negativen Erfahrungen berichten. „Es gibt so viele Verhaltensweisen, die ich so lange toleriert habe, weil mir nicht bewusst war, dass sie inakzeptabel sind. Angefangen damit, dass mit mir herablassend geredet wurde, meine Ideen gestohlen wurden – niemand hört dir zu, bis es dann vom Mann im Raum gesagt wird – und schließlich auch Belästigung. Du versuchst einfach, in deinem Job zu überleben. Du lächelst und tobst dann vor Wut, wenn du nach Hause kommst.“ Sie hält inne und erzählt eine von unzähligen Storys aus ihrer Karriere. „Erst vor kurzem war ich bei einem Geschäftsmeeting mit zwei Männern und einer hat den anderen für das Tragen eines Bademantels aufgezogen, weil er das zu „mädchenhaft“ fand. Ich dachte nur ‚Komm schon, wir sind im Jahr 2018‘.“
„Es gibt so viel, was ich so lange TOLERIERT habe, weil mir nicht bewusst war, dass es inakzeptabel ist. Angefangen damit, dass mir meine IDEEN gestohlen wurden bis hin zu Belästigung… Du lächelst und TOBST dann vor Wut, wenn du nach Hause kommst“
Im vergangenen November kehrte sie dem Pixars-Team für Toy Story 4 aufgrund mangelnder Vielfältigkeit den Rücken zu. „Das war eine komplizierte Situation“, sagt Jones und rutscht unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. „Wenn du dir die Erfolgsgeschichte des Studios anschaust, dann gab es nur eine Frau, die in 25 Jahren bei einem Film Regie führte und sie wurde gefeuert. Aber so viel anders sieht es in den meisten Studios in Hollywood auch nicht aus. Ich kann nur ich selbst sein, meine Stimme erheben und ehrlich sein, wenn ich denke, dass etwas unsere Welt nicht zeitgemäß widerspiegelt. Als Unternehmen wirst du zur Rechenschaft gezogen.“
Bei dem Verfassen von weiblichen Charakteren, die die nächsten Generationen inspirieren, sieht sie sich selbst ebenfalls in der Verantwortung. „Als ich vor zehn Jahren Rollen schrieb, nahm ich die typischen Eigenschaften, die normalerweise einen männlichen Charakter definieren, und wandte sie auf Frauen an. Darauf erhielt ich stets folgendes Feedback: ‚Sie ist nicht sympathisch‘. Ich dachte dann nur: ‚Verdammt, was soll das? Kein Typ ist sympathisch, bis er es ist‘. Frauen wird beigebracht, nett zu sein. Männern wird gelehrt, mächtig zu sein. Ich möchte einen Weg finden, Geschichten aus der Perspektive einer Frau zu erzählen, die sich nicht so anfühlen, als hätte ein Mann einer Frau das Wort in den Mund gelegt.“
„Heutzutage entsteht der Druck nicht, weil es darum geht, ob du ARBEITEST oder nicht, sondern weil du denkst: ‚Schaffst du ALLES und lässt du es dabei LEICHT aussehen‘. Dies ist nur eine weitere Form der Unterdrückung“
In ihrem Leben befinden sich eine Vielzahl von starken Frauen als Inspirationsmaterial. Jones Freundeskreis setzt sich aus unterschiedlichen Lebensbereichen zusammen: da gibt es ihre Harvard-Kameradin Natalie Portman („eine Triebkraft“), Nicole Richie, die beste Freundin ihrer Kindheit („so witzig“), sowie die Branchenkolleginnen Ava DuVernay und Amy Poehler, die ganz offensichtlich großen Einfluss auf sie hat, wenn es darum geht, die eigene Balance zu finden. „Amy hat mich gezwungen, darüber nachzudenken, wie ich mir die Stunden meines Tages am besten einteile. Heutzutage entsteht der Druck nicht, weil es darum geht, ob du arbeitest oder nicht; nun stehst du unter Druck, weil du denkst: ‚Schaffst du alles und tust dabei so, als wäre alles okay und lässt es dabei wirklich leicht aussehen‘. Dies ist nur eine weitere Form der Unterdrückung. Amy spricht sehr offen über die Herausforderungen, alles in Balance zu halten.“
Obwohl Jones eine der gefragtesten Frauen in Hollywood ist, setzt sie bei ihrer Sichtbarkeit ihre eigenen Bedingungen. Ihre romantische Seite bleibt weiterhin ein Mysterium – sie wurde mit Tobey Maguire in Verbindung gebracht und seit neuestem mit Ezra Koenig, Leadsänger von Vampire Weekend – und sie bevorzugt es dabei zu belassen. Ich bin bei meiner Privatsphäre ziemlich strikt. Ich habe Entscheidungen in meiner Karriere getroffen, um diese zu schützen. Ich habe aufgehört, an großen Filmprojekten zu arbeiten, denn dadurch wird auch erwartet, dass du so berühmt wie möglich bist. Ich bin nicht in der Verfassung, mich damit rumzuschlagen.“
Stattdessen zieht sie es vor, nicht im Rampenlicht zu stehen und lieber mit ihren sechs Halbgeschwistern Zeit zu verbringen, Klavier zu spielen („Das macht mich am glücklichsten“), Tanzkurse zu besuchen („der beste Teil meiner Woche“) und dann die Trainingsroutinen für ihre Fans auf Instagram zu posten, und sich die Nächte mit Schreiben um die Ohren zu schlagen. Momentan erfreut sie sich an der Arbeit für ein Musical, ein Buch mit Kurzgeschichten und hat unzählige Ideen für Filme und Dokumentationen (darunter auch eine über ihren Vater). „Wenn man über Feminismus nachdenkt und was eigentlich dahintersteckt, dann geht es für mich darum, dass jede Frau die Chance hat, die besten Entscheidungen für ihr Leben zu treffen – damit sie nie das Gefühl bekommt, dass sie nur eine Sache machen kann.“ Als großartiger Multitasker in Hollywood beweist Jones eindrucksvoll, dass dies durchaus möglich ist.
Catch me! erscheint am 26. Juli im Kino.
