Coverstory

Die Geheimnisvolle

mit

Malgosia Bela

Von Tim Walker bis hin zu Richard Avedon, MALGOSIA BELA hat mit den ganz Großen zusammengearbeitet. Jahrelang kämpfte das polnische Supermodel mit Schuldgefühlen aufgrund ihres privilegierten Lebens, bevor sie ihren beruflichen Erfolg akzeptieren konnte. Mit GILLIAN BRETT spricht der lebhafte Fashion-Star über Neuanfänge, Partys und die Krux mit Social Media

Foto Hugo ComteStyling Morgan Pilcher
Coverstorys
Obiges Bild: Cardigan von The Row. Hose von Maison Margiela. Stiefel von Church’s. Dieses Bild: Mantel von Isabel Marant. Top von Ganni. Jeans von Balenciaga.

Malgosia Bela hat sich das Geheimnis um ihre Person bewahrt, obwohl sie seit zwei Jahrzehnten in der Modebranche tätig ist. In Anbetracht unserer heutigen hyper-vernetzten Welt ist das kaum zu glauben. Das polnische Supermodel mit den leuchtend grünen Augen und hohen Wangenknochen zierte bereits mehr als 50 internationale Magazin-Cover, doch verfügt über kein einziges Profil auf in den Social Media. Als eine äußert selbstbewusste Frau lässt Sie sich bewusst nicht von ‚Likes‘ beeinflussen.

„Ich glaube, mir gehen einige Jobs durch die Lappen, weil ich keinen Instagram-Account habe“, sagt sie und lehnt sich im Korbstuhl des abgelegenen Strandresorts auf Korsika zurück. Dort macht sie mit Freunden und ihrem Mann, dem Filmregisseur Pawel Pawlikowski, gerade Urlaub. Zuvor reiste sie für das Cover-Fotoshooting für PORTER Edit nach Warschau. „Ich habe mich bewusst gegen Social Media entschieden. Wenn ich für einen Job gebucht werde, dann unabhängig davon, ob ich auf sämtlichen Plattformen präsent bin.“ Bela kommt direkt vom Frühschwimmen, ganz ohne Make-up, die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und strahlt solch eine natürliche Schönheit und Positivität aus, die kein Filter jemals nachempfinden könnte. Sie trinkt ein Mineralwasser mit einem Spritzer Zitrone und überschlägt die Beine mit der typischen Eleganz eines Models, während sie gutgelaunt über den Besuch einer Strandparty am Vorabend plaudert.

„Mir gehen einige JOBS durch die Lappen, weil ich keinen INSTAGRAM-Account habe. Aber ich habe mich BEWUSST gegen Social Media entschieden“

Bluse von The Row. Bikini-Oberteil von Anemone. Jeans von Balenciaga.

Ich hatte eine reservierte, zurückhaltende Bela erwartet, stattdessen treffe ich auf eine freundliche, humorvolle und überraschend ehrliche Frau. Auch ihr Alter scheint die 42-Jährige nicht zu stören, vielmehr habe sich alles ganz natürlich entwickelt, als sie auf die 40 zuging: Sie traf ihren Mann, zog mit ihrem 15-jährigen Sohn Jozef nach Polen zurück und bekam einen Job als Editor-at-Large bei der jüngst lancierten polnischen Vogue. Mittlerweile arbeitet sie als Creative Director für das Hochglanzmagazin und modelt weniger als damals, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Die überwältigenden Schuldgefühle aufgrund ihres privilegierten Lebens seien längst nicht mehr so intensiv wie zu Beginn ihrer Modelzeit. „Mein Mann ist ein wunderbarer Filmregisseur, wir hatten viel Gespräche darüber, dass selbst große Künstler sich wie Betrüger fühlen können“, sagt sie. „Mich plagten ähnliche Gedanken, doch heute weiß ich, wieviel ich für diesen Job geopfert und aufgegeben habe und wie einsam dieser Lebensstil sein kann. Es dauerte einige Jahre, bis ich das Modeln akzeptierte und mit den Schuldgefühlen, die der Glamour mit sich bringt, umgehen konnte. Erst nach der Geburt meines Sohns kam ich damit klar.“

„Dies war meine Chance, die WELT zu entdecken. Ich war noch nie zuvor gereist, bis zu meinem 12. Lebensjahr lebte ich in einem kommunistischen LAND. Reisen galt als purer LUXUS“

Bela hat Anglistik studiert und ist eine klassisch ausgebildete Pianistin. Schon früh hatte sie sich das Ziel gesetzt, als Universitätsprofessorin in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten. Doch dann begegnete sie mit 21 Jahren in einem Theater in Krakau einem Model-Scout, der den Lauf ihrer Karriere in eine völlig andere Richtung lenkte. „Für mich machte der Job als Model keinen Sinn. Der Scout hat mich überredet, indem er mir ein Flugticket nach New York anbot“, erzählt sie. „Ich ahnte, dass dies meine Gelegenheit war, die Welt zu entdecken. Ich war noch nie zuvor gereist, bis zu meinem 12. Lebensjahr wohnten wir in einem kommunistischen Land und Reisen galten als purer Luxus, den wir uns nicht leisten konnten. Ich schämte mich regelrecht, meinen Eltern von meiner Chance zu berichten. Sie dachten, ich würde einem Freund von der Universität aus Kanada hinterherreisen und wolle wegen ihm nach New York.“

„Für meine Mutter war das unvorstellbar. Ich hatte 300 Dollar in meinem Portemonnaie und weder eine Kreditkarte noch ein Handy. Lediglich die Telefonnummer einer Agentur, die mich eventuell unter Vertrag nehmen will, aber weder ein Portfolio noch professionelle Fotos. Als ich am Flughafen JFK ankam, rief ich diese Nummer von einer Telefonzelle aus an, nur um zu hören, dass die Agentur noch nie etwas von mir gehört habe – kein wirklich guter Start.“ Bela hatte Glück, dass man sie in die Abteilung für junge Talente vermittelte und ihr die Adresse einer Model-Wohnung gab. Allein die Taxifahrt dorthin kostete bereits ein Fünftel ihres gesamten Budgets. „Meinem Sohn hätte ich das nie erlaubt, aber damals waren die Zeiten anders. Wahrscheinlich wird man erfinderischer, wenn man auf sich allein gestellt ist.“

Pullover von Alexander Wang. Shorts von Nagnata. Stiefel von Prada. Hut von Albus Lumen.

„Ich war nie besonders KOMMERZIELL oder verdiente MILLIONEN von Dollar, aber meine Finanzen änderten sich drastisch. Ich konnte meine FAMILIE unterstützen und das spornte mich an“

Top von Versace. Hose von Peter Do. Sandalen von Prada. Sonnenbrille von Andy Wolf.
Bluse und Stiefel von The Row. Bikini-Höschen von Matteau. Hut von Sensi Studio.

Belas großer Durchbruch kam, als sie auf den einflussreichen Stylisten Joe McKenna traf, der für seine ausgesprochen elegante und präzise Ästhetik renommiert ist. Bei ihrem ersten Treffen trug sie nach einem Testshooting lange schwarze Haarverlängerungen und jede Menge Make-up. „Alles, was Joe besonders gerne mag, stimmt’s?“ Aber McKenna erkannte ihre natürliche Schönheit und machte sie in jener Saison zum Gesicht von Jil Sander. Bela erregte noch mehr Aufmerksamkeit, nachdem sie bei der F/S19-Show und in den dazugehörigen Kampagnenbildern von David Sims zu sehen war. Aus dem coolen Mädchen wurde plötzliche eine klassische Schönheit. Designer-Labels wie Versace, Valentino und Stella McCartney waren von ihr begeistert. Zu McCartney pflegt Bela eine langjährige Arbeitsbeziehung und in dieser Saison war sie wieder auf dem Laufsteg für die Designerin zu sehen. „Ich war nie superkommerziell oder verdiente Millionen von Dollar, aber meine Finanzen änderten sich drastisch. Ich konnte meine Familie unterstützen und das spornte mich an“, sagt sie. „Trotzdem hatte ich lange Zeit das Gefühl, einen großen Fehler begangen zu haben. Als ich das erste Mal das Studio von Richard Avedon betrat, dachte ich, er würde das durchschauen.“ Und, hat er das? „Nun, er hat in mir mehr als ein Model gesehen. Er wollte mich für das Schauspiel begeistern.“

Richard Avedon wurde schließlich einer ihrer wichtigsten Mentoren. Für ihre Master-Arbeit in Kulturanthropologie schrieb sie sogar einen 100-seitigen Aufsatz über den berühmten Fotografen. „Vermutlich liegt das an seiner außerordentlichen Präsenz und Persönlichkeit. Er war mein Vorbild und ich habe mir seine Worte sehr zu Herzen genommen“, gesteht sie. „Er hat mir gezeigt, dass es bei einem Fotoshooting um den Austausch zwischen dem Model und dem Fotografen geht. Sobald sich beide wirklich auf den Dialog konzentrieren, ist alles andere egal – hohe Schuhe, unbequeme Kleidung, Windmaschinen. Diese Erfahrung hat mir viel Selbstvertrauen vor der Kamera gegeben. Die Arbeit mit Avedon hat sich nachhaltig positiv auf meine Karriere ausgewirkt.“

Bikini-Oberteil von Haight. Shorts von Vince. Ring gehört Malgosia.

Sie erinnert sich zudem lebhaft an die beeindruckenden Fotoshootings mit Tim Walker, bei denen „20 Meter hohe Skelette oder ein aus Brot konzipiertes Flugzeug oder gigantische Schnecken involviert waren. Einfach nur sagenhaft.“ Bela hat eine Leidenschaft dafür, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, weshalb es nicht überrascht, dass sie sich zum Schauspiel hingezogen fühlt. Im vergangenen Jahr war sie in Luca Guadagninos Remake des italienischen Horrorkultfilms Suspiria zu sehen. Dennoch ist das Schauspiel für sie wie eine andere Welt, in die sie zusehends eintaucht, um ihren Mann zu unterstützen. Den BAFTA-Gewinner traf sie vor vier Jahren durch einen gemeinsamen Freund und Filmregisseur. Ganz heimlich gaben sie sich im kleinen Kreis mit ihren Kindern und den engsten Familienmitgliedern sowie Trauzeugen das Jawort. Am Abend der Zeremonie feierten sie eine große Einweihungsparty in Warschau, zu der die Braut ein „schwarzes enges und ziemlich verführerisches“ Kleid von Victoria Beckham trug. Dort gaben sie die Eheschließung an die mehr als 100 Gäste bekannt.

[AVEDON] hat mir gezeigt, dass es bei einem Fotoshooting um den AUSTAUSCH zwischen Model und Fotograf geht. Diese Erfahrung hat mir viel SELBSTVERTRAUEN vor der Kamera gegeben“

Dieses zurückhaltende Verhalten fasst Belas Charakter zusammen. Sie strahlt diese faszinierende Gelassenheit aus und spricht offen und in überzeugend authentischer Weise über sich selbst. Ihr Geheimnis sei eine drastische Veränderung des Lebensstils und ein gestärktes Selbstwertgefühl. „Ich lebe heute viel gesünder. Vor zwanzig Jahren bestand mein Leben weitestgehend aus Kaffee und Zigaretten. Ich war ständig auf dem Sprung“, beschreibt sie. „Mir geht es jetzt viel besser, weil ich mich ausgewogen ernähre, ausreichend schlafe und Sport treibe, um mich geistig und körperlich wohlzufühlen.“ Sie geht fünf Tage die Woche eine Stunde schwimmen und verwendet eine Mischung aus natürlicher und biologischer Hautpflege. „Ich finde es toll, meine Haut mit essbaren Produkten zu pflegen, die sich wie geschmeidiges Öl anfühlen. Mit 40 lernt man, mit sich selbst besser umzugehen und im Reinen zu sein.“

Cardigan von Vince. Schal (als Rock getragen) von Loewe. Stiefel von The Row.
Hemd von Peter Do. Shorts von Alexander Wang. Stiefel von Prada.

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