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Rosamund Pike

Coverstory mit Rosamund Pike

Während die Oscar-Gerüchte um ROSAMUND PIKEs herausragende Darstellung der Journalistin Marie Colvin nicht abnehmen, erzählt der Star aus A Private War AJESH PATALAY, warum der Schmerz bei der Produktion des Films kaum zu ertragen war

Foto Carlijn JacobsStyling Maya Zepinic
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Rosamund Pike ist ein Adrenalin-Junkie. Wer hätte das gedacht? Vor drei Jahren ging sie für den Geburtstag eines Freundes zu einer 20er-Jahre-Mottoparty. Sie erschien dem Anlass entsprechend gekleidet in einem Vintage-Fliegeranzug zur Jodhpurhose. Sie erzählt, dass es auf der Party zu ihrer Überraschung „eine Flugschau der Breitling Wingwalkers“ gab, die tollkühne Akrobatikübungen auf den Flügeln von Doppeldeckern vorführten. „Für einige Leute gab es dann die Möglichkeit, selbst nach oben zu gehen und auf den Flügeln Stunts darzubieten. Ich habe mich angemeldet und musste ein Dokument unterschreiben, auf dem stand, dass es mir sozusagen nichts ausmacht, wenn ich sterbe.“

Anwesend auf der Party waren auch Pikes Partner, Geschäftsmann Robie Uniacke (57), mit dem sie seit neun Jahren liiert ist, und der gemeinsame, nun sechsjährige Sohn Solo (ihr anderer Sohn, Atom, wird im Dezember dieses Jahres vier). „Daran denkt man natürlich“, sagt Pike, als ich sie auf mögliche Bedenken aufgrund ihrer Familien anspreche. „Aber Leute machen das ständig.“ Also tat sie es auch. „Der Pilot sagte: ‚Wenn du willst, kann ich den Eindruck eines freien Falls erwecken und eine große Schleife fliegen, während wir in der Luft sind.‘ Und ich sagte ja. Ich hatte diesen Titanic-Moment – meine Arme waren ausgestreckt und dann lehnte ich meinen Kopf nach hinten. Aber die g-Kraft war so stark, dass ich meinen Kopf nicht mehr zurückbewegen konnte. Und meine Jodhpurhose, die ich am Boden ziemlich gut fand, flatterte wie wild um meine Beine herum. Ich dachte, okay, du machst dich lächerlich.“ Sie kichert. „Ich schaffe es immer, dass alles etwas absurd wird.“

Wild, eigensinnig, verrückt: Könnte das die echte Rosamund Pike sein? Vielleicht haben wir die in Oxford ausgebildete Darstellerin aus Stolz & Vorurteil und An Education die ganze Zeit falsch eingeschätzt. Leute denken oft von ihr, dass sie kalt und zurückhaltend ist. Passenderweise feierte sie ihr Leinwanddebüt in der Rolle des Bond Girls Miranda Frost in James Bond 007 – Stirb an einem anderen Tag (2002). Auch ihr aristokratisches Aussehen dürfte eine Rolle spielen. Mit 39 Jahren, in einer Brasserie um die Ecke von ihrem Haus in Islington im Norden von London sitzend, ist sie so schön wie eh und je. Ihr blondes Haar, dessen Schnitt an den Stil der 60er erinnert, umrahmt ihr Gesicht perfekt, während ihre Haut strahlt und wir uns fragen, welches Serum sie wohl benutzt. Sie besteht jedoch darauf, nie so selbstbewusst gewesen zu sein, wie es den Anschein hatte. „Zu Beginn, besonders im Bond-Film, denkt man: ‚Welches Recht habe ich, hier zu sein? Wer bin ich schon?‘“, sagt sie. „Wenn ich mir Leute in ihren Zwanzigern heute anschaue, denke ich, dass sie sehr selbstsüchtig sind. Aber das war ich [damals] sicherlich auch.“

„Zu BEGINN, besonders im BOND-Film, denkt man: ‚Welches Recht habe ich, hier zu sein? WER bin ich schon?‘“

Bild oben: Hemd von Gabriela Hearst. Rollkragenpullover von Chloé. Hose von Gucci. Sonnenbrille von Fendi. Dieses Bild: Hemd von Valentino. Rollkragenpullover von Hanro. Hose von Gucci. Sonnenbrille von Fendi.
Cape von Loewe. Hose von Gucci. Brille von Givenchy. Schal von Totême. Handtasche von Hunting Season.

Mittlerweile hat sie ihre Meinung über andere geändert. Im neuen Film Radioactive spielt sie Marie Curie. „Es war der Höhepunkt der #MeToo-Bewegung“, sagt sie, „und ich dachte, ich sollte mich bei all diesen jüngeren Schauspielerinnen melden. Sie wirken wahrscheinlich ziemlich gelassen, aber ich erinnere mich, dass ich auch so wirkte, mich jedoch eigentlich sehr unsicher fühlte und nicht wusste, was ich tun sollte. Ich werte äußerliches Erscheinen nicht als [ein Zeichen] dafür, dass es jemandem gut geht.“

Karrieremäßig läuft es für Pike glänzend. Für Gone Girl (2014) wurde sie mit einem Oscar nominiert, was ihr die Anerkennung der Branche zusicherte, da sie für eine Hauptrolle „geeignet“ schien. „Abheben“, so beschreibt sie es. „Ich kann meiner Kreativität freien Lauf lassen und man steckt mich nicht in eine Schublade.“ Ihr neuester Film A Private War, in dem sie die in Amerika geborene Sunday-Times-Kriegskorrespondentin Marie Colvin spielt, ist ein Beweis dafür. Unter der Regie des Oscar-nominierten Dokumentaristen Matthew Heineman, umfasst die Filmbiographie die letzten Lebensjahre von Colvin. Dabei wird das Publikum mit an die Front in Sri Lanka, Irak, Libyen und Syrien genommen, wo Colvin 2012 getötet wurde. Gleichzeitig dokumentiert der Film Colvins unruhiges Leben in London zwischen den Einsätzen. Physisch verwandelt, bietet Pike eine enorm mutige Performance. Aber die Verantwortung, Colvin zu spielen, war eine schwere Last für sie.

„Es gab eine Zeit, in der ich das Gefühl hatte, aufgeben zu wollen“, gibt die Schauspielerin zu. „Mir wurde klar, wie schmerzhaft die Erfahrung für einige ihrer engen Freunde war.“ Eine Freundin teilte Pike mit, sie würde einen Film über Colvin nie mögen. Sie fügte hinzu: „Ich weiß, dass du es ernst nimmst, aber nur damit du es weißt, ich will nicht, dass dieser Film produziert wird.“ Wie hat es Pike geschafft, angesichts des Widerstands, weiterzumachen? „Nun, ich sagte ihr, dass mir so etwas das Gefühl gibt, dass [der Film] nicht richtig für mich ist. Und sie erwiderte: ‚Nein, bitte gib nicht auf.‘ Ich denke, Leute sind jetzt froh, dass ich nicht aufgegeben habe. Die Menschen waren sehr bewegt.“

„Es gab eine ZEIT, in der ich das Gefühl hatte, aufgeben zu wollen. Mir wurde klar, wie schmerzhaft die Erfahrung für einige von Marie Colvins FREUNDEN war. Ich denke, Leute sind jetzt froh, dass ich nicht aufgegeben habe…. sie waren sehr BEWEGT“

Blazer, Hemd, Armreif und Armreif von Chloé.
Kleid und Hemd von Chloé. Schuhe von Salvatore Ferragamo.
Hemd von Valentino. Rollkragenpullover von Hanro. Hose von Gucci. Schuhe von Salvatore Ferragamo. Sonnenbrille von Fendi.

„Man wird mit dem SCHMERZ anderer Menschen konfrontiert. Es sind nicht die eigenen Gefühle. Man selbst FÜHLT, dass man nicht das Recht hat, Emotionen zu zeigen, obwohl es einen BEWEGT… wohin also damit?“

Aber die Wirkung hält an. Pike leitete kürzlich eine Filmvorführung in den Hamptons, an der Colvins Schwester teilnahm. In der anschließenden Fragerunde wurde Pike nach ihrem Eindruck von Colvin gefragt: „Ich sagte: ‚Es ist sehr schwer. Ich glaube, dass ich ein sehr inniges Verständnis ihres Wesens habe, und doch sitze ich hier mit ihrer Schwester, die ich bis heute noch nie getroffen habe…‘ Und dann musste ich anfangen zu weinen.“ Es klingt so, als wären ihre Emotionen eine Reaktion, die aus Schuld hervorgeht, weil sie jemand anderem zu nahe gekommen ist. Pike besteht jedoch darauf, dass sie ihre Gefühle wie Ärzte in der Notfallaufnahme unter Kontrolle hat. „Man wird mit dem Schmerz anderer Menschen konfrontiert. Es sind nicht die eigenen Gefühle. Man selbst fühlt, dass man nicht das Recht hat, Emotionen zu zeigen, obwohl es einen bewegt – und trotzdem hat man keinen Einfluss darauf. Wohin also mit den Gefühlen?“

In einer Szene trauert ein syrischer Vater um seinen toten Sohn. Der Mann, der den Vater spielt, war ein syrischer Flüchtling, dessen eigenes Kind erschossen wurde – sein Leid war also nicht gespielt. „Es war ein unglaublicher Ausbruch von Trauer und es fühlte sich so schmerzhaft an, dabei zu sein“, sagt Pike. Ich war so verwirrt. Ich dachte: ‚Das ist so intim. Was zum Teufel machen wir hier eigentlich?‘ Der Regisseur sagte mir danach, dass das eine Herausforderung für jeden Journalisten ist. Dein Instinkt sagt dir, zu gehen und jemandem Privatsphäre zu geben, aber deine Pflicht ist es, hinzuschauen.“

Obwohl Colvins Berichterstattung „eine Pause von mir selbst“ war, sind die beiden Frauen sich ähnlich. Pike versteht die Schauspielerei als eine „Befreiung des Ichs“ und wird nervös, wenn man sich zu sehr auf sie konzentriert. Sie wird nicht viele Freunde zu der Premiere von A Private War einladen. „Ich will sie nicht in eine Situation bringen, in der ich im Mittelpunkt stehe. Ich glaube, deshalb will ich nicht unbedingt heiraten.“

„Ich will sie nicht in eine SITUATION bringen, in der ich im MITTELPUNKT stehe. Ich glaube, deshalb will ich nicht unbedingt HEIRATEN“

Pullover von Khaite. Rock von Rejina Pyo. Boots von Gianvito Rossi. Kette von Chloé. Uhr von IWC Schaffhausen. Handtasche von J.W. Anderson.
Mantel von Altuzarra. Rollkragenpullover von Goldsign. Boots von Gianvito Rossi.

Für eine Schauspielerin wirkt es paradox, aber das macht Pike so liebenswert. Charmant gibt sie zu, dass sie sich für unser Interview um 11 Uhr morgens extra schick gemacht hat. In ihrem schwarz-weißen Rock von Proenza Schouler, schwarzen Stiefeln von Givenchy, einem schwarzen Rollkragenpullover und Leder-Trenchcoat sieht sie ziemlich abendfein aus, doch ihr Outfit scheint die Aufmerksamkeit von ihr wegzulenken. Als ich jedoch frage, was sie trägt, ist ihre erste Antwort: „Müssen Sie das fragen?“ Sie scheint sich für ihren Rock, der ein paar Jahre alt ist und nicht aus der neuen Saison stammt, zu entschuldigen.

Wir sprechen darüber, wieso „ehrgeizig“ und „wetteifernd“ „schmutzige Wörter für Frauen“ sind und weshalb sie es nicht sein sollten. Ich frage, ob sie zögern würde, sich mit diesen Eigenschaften zu beschreiben? „Ja, wahrscheinlich“, sagt sie und gibt sofort wieder auf. „Es klingt nicht sehr schön, oder? Aber ich würde es dennoch so sagen“, sagt sie, nachdem sie ihre Antwort überdacht hat. Sie fügt hinzu: „Warum sollte mich das eigentlich kümmern?“ Man kann ihre Gefühle leicht nachvollziehen.

Was sie einzigartig macht, ist ihr exzentrischer Sinn für Humor und ihre Sicht der Welt. Möglicherweise ist das auf ihre Vergangenheit zurückzuführen: Ihre Eltern waren beide Opernsänger und ihre Kindheit wurde von Leidenschaft und Phantasie getragen. Sie sagt, dass Uniacke gut zu ihr passt – nicht, weil er mit ihrer Abenteuerlust Schritt hält, sondern weil sie mit seiner Schritt hält. Vor kurzem reisten sie gemeinsam mit ihren beiden Söhnen nach Jordanien. Das Paar buchte dort ein Beduinenzelt in der Wüste des Wadi Rum. „Wir haben uns in Decken unter einem Felsüberhang geschützt eingekuschelt“. Sie ließen ihre Söhne bei dem Reiseleiter zurück, bevor sie sich auf einen langen Spaziergang über die Dünen machten. „Im Mondlicht sehen Wüsten alle ziemlich gleich aus“, sagt Pike. „Wir haben uns gefragt, was passiert, wenn wir den Weg zurück nicht finden? Dann hatte ich eine Idee. Unsere Kinder sprechen Chinesisch; natürlich wären wir am Boden zerstört gewesen, sie nicht wiederzufinden. Aber ich hatte mir eine Geschichte ausgemalt, in der die Beduinen merken, dass diese zwei kleinen Jungen Chinesisch sprechen und sich mit ihnen gemeinsam um den chinesischen Tourismusmarkt in Wadi Rum kümmern. In der Zukunft würden die zwei kleinen blonden Jungs, die nicht einmal 10 Jahre alt sind, dann chinesische Touristen herumführen.“ Wir haben über die Vorstellung gelacht. Es wäre perfekt für die Oper gewesen.

A Private War erscheint am 16. November (US); Anfang 2019 (UK)

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