In Höchstform
mit
Joan Smalls

Das puerto-ricanische Supermodel JOAN SMALLS strahlt geradezu diese innere Stärke aus, die ihr als Teil ihrer Identität zu einer bemerkenswert steilen Karriere verholfen hat. Mit Gillian Brett spricht die 31-Jährige über ethnische Vielfältigkeit auf den Laufstegen, persönliche Rückschläge und die Vorteile der sozialen Medien als Sprachrohr
Ambitioniert und zielstrebig, so könnte man Joan Smalls beschreiben, die als Model of the Year 2012 und eine der New Supers bei models.com auf eine zehnjährige Karriere zurückblickt. Aber wie würden ihre Freunde sie beschreiben? Sie überlegt. „Lustig“, antwortet sie. „Dynamisch, authentisch, temperamentvoll und manchmal etwas verrückt, aber im positiven Sinne. Ich bin einfach ich selbst“, sagt sie. Es gibt ein spanisches Sprichwort, das besagt: ‚No soy un billete de cien para caerle bien a todo el mundo‘, was so viel heißt wie, man kann nicht von jedem gemocht werden.“
Schwer vorstellbar, dass jemand Smalls nicht mögen könnte, denn sie ist genauso, wie ihre Freunde sie beschreiben: Ein bildschönes Model mit atemberaubenden Augen und hohen Wangenknochen, das auf Werbeplakaten weltweit alle Blicke auf sich zieht. Ihren Durchbruch feierte sie im Alter von 21 Jahren. Damals lief sie exklusiv bei der Frühling/Sommer 2010 Haute Couture Show von Riccardo Tisci für Givenchy in Paris. Mittlerweile war Smalls bei über 400 Schauen, auf zahlreichen Magazin-Cover sowie in Kampagnen für Tom Ford, Bottega Veneta und Gucci zu sehen und wurde als erste Latina zum Gesicht des Kosmetikgiganten Estée Lauder ernannt. Im vergangenen Jahr erhielt sie neben Bella Hadid den Status als eine der am bestbezahlten Models der Welt mit einem geschätzten Einkommen von 8,5 Millionen US-Dollar zwischen Juni 2017 und Juni 2018 – und ihre Erfolgswelle ebbt nicht ab.
Die MODEBRANCHE ist mittlerweile offener, was INKLUSIVITÄT angeht. Man sieht nicht mehr nur EIN dunkelhäutiges Mädchen auf dem LAUFSTEG
Doch das war nicht immer so, Smalls Anfänge in der Branche entsprechen nicht denen einer klassischen Bilderbuchkarriere. Sie wurde nicht einfach entdeckt und über Nacht berühmt. Ihr Ehrgeiz zeichnete sich schon in Kindertagen ab, als sie mit ihren zwei älteren Schwestern imaginäre Schönheitswettbewerbe zu Hause in Puerto Rico veranstaltete. Mit 13 Jahren nahm sie an einem Modelwettbewerb an ihrer Schule teil und ging leer aus. Unbeirrt schickte sie Fotos an Modelagenturen in New York und Los Angeles, während sie ihren Bachelor in Psychologie an der Universidad Interamericana de Puerto Rico absolvierte. Ihr Studium schloss sie mit magna cum laude ab. Schließlich unterschrieb sie 2007 einen Vertrag mit Elite Model Management in New York, zwei Jahre später wechselte sie zu IMG. Die Agentur brachte ihre Karriere mit einem Casting bei Givenchy erst richtig in Gang.
Trotzdem lief für Smalls nicht immer alles glatt. Bei einem Podiumsgespräch von The Business of Fashion im Jahr 2016 zum Thema Vielfalt und Inklusivität sprach sie offen über ihre negativen Erfahrungen in der Modebranche, die teilweise mit ihrer Ethnizität einhergingen. „Eine Haar-Kampagne zu bekommen, war schon immer schwierig für mich“, sagt sie. „Es ist unfassbar. Erst wurde ich genommen und dann sagte man mir in letzter Minute wieder ab mit der Begründung, dass sie ungerne etwas Neues ausprobieren möchten, und damit spielten sie auf meine dunkle Haut an. Nichtsdestotrotz stellt sie drei Jahre später erste Veränderungen in der Modeindustrie fest. „Die Branche ist mittlerweile offener, was das angeht. Man sieht nicht mehr nur ein dunkelhäutiges Mädchen oder eine ethnische Minderheit auf dem Laufsteg“, sagt sie. „Damals, als ich anfing, war ich oft die Einzige oder wir waren Zwei an der Zahl. Heute wird es akzeptiert, ich möchte eine Weiterentwicklung sehen, denn es handelt sich hierbei nicht um einen Trend, nach dem Motto: ‚Inklusivität ist jetzt in. Wir müssen die Verschiedenartigkeit der Welt besser repräsentieren, also lasst uns mitmachen‘, wissen Sie, was ich meine? Ich will, dass die immense Wichtigkeit anerkannt wird.“
Ich wollte die WELT entdecken und mit Hilfe der ERFAHRUNGEN unterschiedlicher Menschen WACHSEN
Als Tochter eines afro-irischen Buchhalters und einer puerto-ricanischen Sozialarbeiterin sowie mit spanischer, taínoischer und südasiatischer Abstammung stand die Diversität immer im Mittelpunkt ihrer Identität. „Ich bin in einem multikulturellen Haushalt aufgewachsen“, sagt sie über ihre Erziehung auf einer sechs Hektar großen Farm in Hatillo, im Norden von Puerto Rico. „Ich wollte die Welt sehen und an den Erfahrungen anderer Menschen wachsen. Das ist deshalb so wichtig, weil es nicht nur um Bildung geht, sondern um die Gemeinschaft gleichgesinnter Menschen; Menschen, die den Willen und Ehrgeiz haben.“
Trotz ihrer geselligen und temperamentvollen Art gibt Smalls zu, dass sie sich nach fast zehn Jahren auf dem Laufsteg während der Fashion Week nach Ruhe sehnt. Die Anforderungen sind durch Social Media gewachsen. „Unter vielen Menschen fühle ich mich nicht wohl. Deshalb halte ich mich lieber im Backstage-Bereich auf“, erklärt sie. „Social Media hat eine neue Welt geschaffen, in der die Menschen immer mehr Inhalte verlangen. Früher gab es hinter dem Laufsteg Fotografen, die Aufnahmen für Webseiten, Magazine und andere Medien machten. Heute gibt es dort ein oder zwei Personen – für Videos und Fotos, auch für Social Media. Man ist meistens so präsent, dass man sich in kurzer Zeit völlig ausgelaugt fühlt. Es geht nicht um die Bilder vom Laufsteg, sondern darum, zehn verschiedene Dinge gleichzeitig ablichten zu müssen. Neben Haare und Make-up will nun auch jedes Magazin Fotos für deren Social Media-Account haben. Man arbeitet auf so vielen Ebenen gleichzeitig und deswegen brauche ich einen Rückzugsort.“
Die Leute bekommen einen Eindruck von meinem HUMOR und meinem CHARAKTER. Ich kann mich frei zu allem äußern, was mich bewegt. Das ist das Tolle an SOCIAL MEDIA
Smalls nutzt ihren persönlichen Instagram-Account mit 3,1 Millionen Fans, um Selfies und Backstage-Bilder zu teilen. Zudem gibt sie Einblicke in das Leben in ihrem Heimatland und berichtet von Organisationen, die sie unterstützt. Auch ihr Hund, der Rottweiler Karma, ist regelmäßig zu sehen. „Die Leute bekommen so einen Eindruck von meinem Humor und meinem Charakter. Ich kann mich zu den Dingen äußern, die mich bewegen. Das ist das Tolle an Social Media“, sagt sie. „Man muss seine Botschaft nicht über Dritte vermitteln, wie zum Beispiel eine PR-Agentur. Es motiviert, wenn man seine Meinung kundtun kann. Besonders als Model wird einem oft auferlegt, dass die Optik wichtiger als der Charakter ist.“ Eine Initiative, für die sich Smalls besonders einsetzt, ist die Girl Up-Kampagne der Vereinten Nationen. Die globale Bewegung zielt darauf ab, „junge Frauen und Männer zur Stärkung ihrer Gemeinschaft zu inspirieren und über Themen zu sprechen, die von gesellschaftlicher Bedeutung sind.“ Im vergangenen Jahr war sie auf der ganzen Welt als Rednerin für die Girl Up-Gipfeltreffen unterwegs. Das Treffen mit leidenschaftlichen, jungen Aktivisten hat sie bewegt. „Es war einfach unglaublich zu sehen, wie motiviert sich die Jugend für eine bessere Zukunft einsetzt.“
Wenn etwas nicht FUNKTIONIERT, muss man das AKZEPTIEREN und WEITERMACHEN, anstelle daran festzuhalten
Smalls kann sich mit deren Ambition sehr gut identifizieren. Während des Girl Up-Gipfeltreffens 2018 erzählte sie vom Umgang mit ihrer Skoliose, einer Deformität der Wirbelsäure. Die Diagnose hielt sie nicht davon ab, ihren Traum vom Modeln zu verwirklichen. Nachdem man ihr eine baldige Wirbelsäulenoperation voraussagte, reagierte sie mit einem entsprechenden Trainingsprogramm zur Rückenstärkung. „Ich muss sicherstellen, dass meine Gesäß- und untere Rückenmuskulatur stark genug sind, um meine Körperhaltung zu unterstützen. Manchmal halte ich mich ziemlich krumm. Ich reise viel und stehe die ganze Zeit. Mit dem richtigen Training versuche ich, meinen Rücken zu stärken.“ Für Small ist ihr Rückgrat wortwörtlich von zentraler Bedeutung. „Wenn etwas nicht funktioniert, muss man es akzeptieren und weitermachen, statt daran festzuhalten. Der Mensch wächst mit seinen Niederlagen. Erfolg ergibt sich daraus, dass man es immer wieder versucht.“
Das in diesem Artikel dargestellte Model steht nicht in Verbindung mit NET-A-PORTER und unterstützt weder die Inhalte noch die gezeigten Produkte.