Coverstory

Ein starker Wille

mit

Danai Gurira

Danai Gurira über Black Panther, The Walking Dead & ihre Avengers-Familie

Bekannt für ihre kriegerischen Rollen in The Walking Dead und Black Panther, geht die Karriere von DANAI GURIRA steil bergauf. Als Drehbuchautorin und eine der am besten bezahlten Schauspielerinnen im größten Blockbuster des Jahres, Avengers: Endgame, spricht sie mit CHRISTINE LENNON über ihre Marvel-Familie, ihre kulturelle Identität und das Erschaffen von Magie

Foto Claire RothsteinStyling Tracy Taylor
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Unbemerkt zu bleiben, gehört nicht zu Danai Guriras Stärken. Die 41-jährige Schauspielerin strahlt mit dem Morgenlicht um die Wette, als sie das Restaurant auf dem Dach des Dream Hollywood Hotels betritt. Sie trägt eine ausgeblichene Jeans, eine cremefarbene Seidenbluse und dazu eine verspiegelte Pilotensonnenbrille. Es ist schwer zu sagen, ob die anderen Gästen sie erkennen – ob als Okoye, die mutige Beschützerin der Wakanda-Königsfamilie in Black Panther oder Michonne aus der Zombie-Apokalypse The Walking Dead. Ihre Ausstrahlung ist in jedem Fall mitreißend und alle Augen sind auf sie gerichtet.

„Ich betreibe hier in der Nähe einen Writers Room“, sagt Gurira, setzt sich hin und blickt über das Geländer auf die umliegenden Büros und Studios. Sie spricht über die neueste Zeile in ihrem Lebenslauf: Head Writer für eine Mini-Serie im Fernsehen. Die meisten Leute kennen Gurira durch ihre beeindruckenden Performances auf der Leinwand. Sie ist aber auch eine gefeierte Autorin, deren Theaterstücke mehrere Auszeichnungen abgeräumt haben, darunter eine Tony-Nominierung. Derzeit adaptieren Gurira und ihre langjährige Freundin Lupita Nyong’o den berühmten Roman Americanah von Chimamanda Ngozi Adichie, eine Liebesgeschichte, die ein nigerianisches Paar durch sein kompliziertes Leben begleitet. Die Freundinnen stehen sich seit 2015 nahe, als Nyong’o in Guriras ausschließlich weiblich besetzten Stück Eclipsed über den liberianischen Bürgerkrieg spielte.

„Es geht darum, zusammenzuarbeiten ANSTATT zu kooperieren. Ich spreche GERNE darüber, was meiner Meinung nach FUNKTIONIEREN kann und was nicht, und warum“

Es ist das erste Mal, dass Gurira die Leitung eines Autorenteams dieser Größenordnung übernommen hat, und sie ist begeistert. „Jeder hat den anderen im Blick“, schwärmt sie. „Ich habe uns als Menschen definiert, die etwas bewegen, schon bevor wir das erste Mal zusammengearbeitet haben. Ich habe schnell bemerkt, wie gut wir alle miteinander harmonierten. Wir haben Spaß, aber wir arbeiten auch hart. Neulich waren wir 12,5 Stunden dort.“

Sie erzählt mir von einer geheimen Recherchereise nach Nigeria, die sie gemeinsam mit Adichie und Nyong’o unternommen hat. „Black Panther war gerade herausgekommen“, sagt sie und nippt dabei an ihrem Pfefferminztee. Aufgrund der Popularität des Films und ihres Bekanntheitsgrades entschieden sie, dass sie besser verdeckt reisen sollten. Niemand wusste, dass sie in Nigeria waren, bis sie anschließend auf Instagram darüber berichteten. „Wir waren bemüht darum, die Aufmerksamkeit nicht auf uns zu ziehen“, sagt sie. „Wir hatten eine großartige Zeit. Chimamanda stellte uns viele ihrer Freunde in der Modeszene vor, die alle tolle Dinge machen. Ich sehe mich selbst als Afrikanistin und liebe die Vielfalt und Spezifität der unterschiedlichen Teile des Kontinents. Oft wird dieser zu einem Konzept zusammengefasst, was absolut nicht den Tatsachen entspricht.“

Guriras Stimme erregt Aufmerksamkeit – sowohl im Writers Room als auch in der Öffentlichkeit. „Ich weiß, was für mich Sinn macht und was nicht“, sagt sie wie aus der Pistole geschossen. Diese Einstellung pflegt sie seit ihrer Zeit als Schauspielstudentin an der New Yorker Tisch School of the Arts. „Das Schöne an dem Programm, zusätzlich zu wunderbaren Absolventen wie Sterling K. Brown und Mahershala Ali, ist das Training“, sagt sie. „Wir genossen alle die gleiche Ausbildung, bei der man sein Ego draußen lässt. Es geht darum, zusammenzuarbeiten anstatt zu kooperieren. Das hat uns einer unserer Lehrer immer gesagt. Ich spreche gerne darüber, was meiner Meinung nach funktionieren kann und was nicht, und warum. Bei der Arbeit geht es immer um Respekt. Man will die Magie finden. Wie kreierst du das beste Umfeld, damit sich diese Magie entfalten kann?“

Diese Magie durchzog ihre Leistung in Black Panther ganz deutlich. Und sie verschaffte Gurira so viele Sympathien, dass sie jetzt an der Seite von Scarlett Johansson und Brie Larson in einer der Hauptrollen des großen Fantasy-Finales Avengers: Endgame zu sehen ist. „Ich liebe die Marvel-Familie. Die Zusammenarbeit ist toll und ich liebe unsere Fans“, sagt sie.

„Ich sehe mich selbst als AFRIKANISTIN und liebe die Vielfalt und Spezifität der unterschiedlichen TEILE des Kontinents. Oft wird dieser zu einem Konzept zusammengefasst, was ABSOLUT nicht den Tatsachen entspricht“

Was ihren bevorstehenden Abschied von The Walking Dead betrifft, gibt sich Gurira wortkarg. In der zehnten Staffel soll sie in einer Reihe von Episoden Gastauftritte absolvieren. „Wir fangen bald an zu drehen, also muss ich mich jetzt schon vorbereiten“, sagt sie über die Facetime-Sessions mit ihrem Trainer. In einem Monat wird sie nach Atlanta zurückkehren, wo sowohl The Walking Dead als auch die Marvel-Drehs stattfinden. Es ist mittlerweile fast ihr drittes Zuhause neben einer Wohnung in Brooklyn und in Hollywood. „Ich habe ein tolles Team bei The Walking Dead“, erzählt sie mir. „Wir veranstalten gemeinsame Abendessen, besuchen uns gegenseitig zu Hause und kümmern uns umeinander. Ich spreche auch viel mit meinem Showrunner Scott Gimple, der so etwas wie mein ,Batphone’ ist während ich den Writers Room leite.“

Die Adaption von Americanah ist wie für Gurira gemacht. „Chimamanda und ich haben lustigerweise einige interessante Parallelen“, sagt sie. „Wir wurden beide von Akademikern aufgezogen, entweder in der Nähe oder an einer afrikanischen Universität. Während unserer Kindheit und Jugend haben wir gesehen, was unsere Länder durchmachen mussten. Und wir kamen zurück nach Amerika, um dort zur Schule zu gehen, so wie Lupita.“

Gurira wurde als Tochter afrikanischer Eltern in den USA geboren. Mit fünf Jahren kehrte sie in die Heimat ihrer Familie nach Simbabwe zurück. Nach der Highschool kam sie wieder in die Staaten und besuchte das College in Minnesota. „Ich bin die perfekte Mischung aus beiden Welten“, sagt sie und erklärt, dass sie sich sowohl amerikanisch als auch simbabwisch fühlt. Ihr multikultureller Hintergrund wurde ihr zum ersten Mal als Studentin am Macalester College in Saint Paul, Minnesota, bewusst. „Als ich hierher kam, wusste ich, dass ich aufpassen musste. Wenn man in einem Land lebt, in dem die Menschen im Überfluss Zugang zu bestimmten Dingen haben, muss man sich über sein Handeln im Klaren sein. Man muss wissen, was man tut und warum und wie man als US-Amerikaner verantwortungsvoll mit seinen Möglichkeiten umgeht. Für mich stand von Anfang an fest, dass ich auch meine enge Verbindung zu Simbabwe beibehalten würde. Als ich als Mädchen nach Afrika zog, dachte ich, ich sei Amerikanerin. Als ich zurückkam, merkte ich, wie afrikanisch ich war.“

„Ich bin die perfekte Mischung aus BEIDEN Welten. Als ich als Mädchen nach Afrika zog, dachte ich, ich sei AMERIKANERIN. Als ich zurückkam, merkte ich, wie AFRIKANISCH ich war“

Gespräche über die komplizierte politische Geschichte des Kontinents standen in Guriras Haus an der Tagesordnung. Ihre Mutter ist Bibliothekarin und ihr Vater Chemieprofessor. Angeregte Diskussionen zwischen den drei Töchtern und dem Sohn der Familie (Gurira ist die Jüngste) wurden unterstützt. Gurira spielte als junges Mädchen Tennis und Hockey, bevor sie sich in das Theater verliebte. Die mögliche Existenz eines weiblichen Generals wie Okoye in Afrika dürfte sie also nicht schockiert haben.

„Ich bin froh, mit einem Vater aufgewachsen zu sein, der sich nie in den Vordergrund drängen wollte“, sagt sie. „Er lehnte sich zurück und gab uns Raum zur freien Meinungsäußerung. Dass ein Mann fähiger, intelligenter oder würdiger für eine Position sein sollte als ich oder jede andere Frau, war für uns ein absurdes Konzept. Für mich war Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit.“

Als frisch gebackene Goodwill-Botschafterin für die Vereinten Nationen und Gründerin der „Love Our Girls“-Bewegung, die Organisationen unterstützt, die sich der Chancengleichheit widmen, setzt sie ihre feministische Leidenschaft heute in die Tat um.

„Dass ein Mann fähiger, intelligenter oder WÜRDIGER für eine Position sein sollte als ich oder jede andere Frau, war für uns ein absurdes KONZEPT. Für mich war GLEICHBERECHTIGUNG eine Selbstverständlichkeit“

Gurira hatte bereits einen Bachelorabschluss in Psychologie in der Tasche, als sie ihr Studium an der Tisch School of the Arts begann. Ihre neuen Kommilitonen beeindruckte sie, indem sie ihre eigenen Monologe niederschrieb und auf die Bühne brachte. Später entwickelten sich daraus ihre Theaterstücke. Ihr erstes Off-Broadway-Schauspiel (gemeinsam geschrieben mit Nikkole Salter) feierte 2006 Premiere. In the Continuum handelt von zwei Frauen aus Simbabwe und Los Angeles, die an HIV leiden.

In der Theaterwelt wurde Gurira von Kritikern gelobt, gewann Obie und Whiting Awards und kletterte die Karriereleiter weiter nach oben. Wie für Schauspieler in New York üblich, absolvierte sie Gastauftritte in Serien wie Law & Order und übernahm Nebenrollen in kleinen Filmen, bevor sie 2012 als Michonne in The Walking Dead engagiert wurde. Black Panther folgte 2016. „Wir wussten, dass wir etwas völlig Neues produzierten“, sagt sie über die Besetzung und Crew des Films. „Niemand kam für den Job. Wir kamen, weil es eine Berufung und ein Ziel war.“

Jetzt sei es ihre Berufung, so sagt sie, eine ehrgeizige Content-Produzentin zu sein, die in die Fußstapfen von Shonda Rhimes oder Reese Witherspoon tritt. „Es gibt viele Leute, die Geschichten über ihre jeweilige Plattform hinaus entwickeln. Mir gefällt der Gedanke, etwas Neues auszuprobieren, das sich beängstigend und aufregend anfühlt.“ Gurira ist überzeugt, dass man den Wert und die Intensität eines Projekts am besten beurteilen kann, indem man es dem sogenannten Weihnachtstest unterzieht. „Es ist der Kind-am-Weihnachtsabend-Test“, lacht sie. „Fühle ich mich genauso? Wenn sich dieses Gefühl einstellt, weiß man, dass man am richtigen Ort ist.“

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