Everybody´s darling
mit
Dakota Johnson

Hollywood-Adel, Shooting-Star mit einem der größten Filme des Jahrzehnts, temperamentvoll, sensibel, aufmüpfig – DAKOTA JOHNSON ist facettenreich.Von NATALIE EVANS-HARDING
Wer Dakota Johnson in Fifty Shades of Grey gesehen hat, könnte behaupten, jeden Zentimeter ihres Körpers zu kennen. Doch als sie den Ärmel ihres Pullovers von The Row etwas hochschiebt, kommt ein Tattoo zum Vorschein. Es ist ein Zitat aus Aldous Huxleys Roman Island (deutscher Titel: Eiland): „Lightly, my darling“. Ihre Schwester, Stella Banderas, hat das gleiche.
„Auf andere Tattoos bin ich nicht so stolz“, gibt Johnson zu und rückt den Pullover wieder zurecht. „Es gab mal eine Phase, in der ich Tattoos und das Gefühl beim Stechen toll fand, aber aus der bin ich jetzt weitestgehend raus, auch weil ich die Tattoos beim Drehen immer abdecken muss. Jetzt sind sie ziemlich nervig!“ lacht sie, dabei kommt die entzückende kleine Lücke zwischen ihren Schneidezähnen zum Vorschein. „Ich hätte auf die anderen hören sollen, aber dieses Problem zieht sich durch mein Leben!“
Jegliche Annahme, Johnson könne auch im wahren Leben ein Mauerblümchen sein, gilt es schnellsten zu revidieren. Denn der Sensibilität der 28-Jährigen („Während der Golden Globes musste ich viermal weinen, davon einmal in der Werbepause… ich bin teilweise viel zu emotional.“) stehen Scharfsinn, Humor und Authentizität gegenüber.
„Ich bin eine stille Beobachterin. Als Kind war ich manchmal schüchtern, aber dann wieder ziemlich unverblümt“, verrät sie. „Meistens habe ich mich nicht an Regeln gehalten. Ich war ein ungezähmter kleiner Wildfang.“
Bei der Verleihung der ELLE Women in Hollywood Awards 2015 scherzte Leslie Mann, die mit Johnson in der Komödie How to be Single zu sehen ist: „In Wirklichkeit würde Dakota Christian Grey verspeisen, von der Decken hängen lassen und wie auf eine Piñata auf ihn eindreschen.“ Als ich Johnson darauf anspreche, überlegt sie schmunzelnd, wie sie Manns Bemerkung wohl am besten relativieren kann, bevor sie sich für die diplomatische Antwort „Ich weiß ja nicht!“ entscheidet.
Christian Grey, gespielt von Jamie Dornan, ist – sollte es jemandem entgangen sein – der Liebhaber von Anastasia Steele, Johnsons Rolle in der Verfilmung der BDSM-
Romantrilogie Shades of Grey. Bevor Sam Taylor-Johnson den ersten Teil der Reihe auf die Leinwand brachte, wurden zu Spitzenzeiten zwei Ausgaben des Buches pro Sekunde verkauft. Die Entscheidung der Regisseurin, die Hauptrolle mit der bis dato relativ unbekannten Dakota Johnson zu besetzen, brachte der jungen Schauspielerin weltweite Aufmerksamkeit ein – vielleicht nicht immer gern gesehen.
„Heute scheint sich jeder einfach bedienen zu können; Stil und Spannung kommen da viel zu kurz“, lamentiert sie. „Früher waren die Golden Globes etwas Besonderes. Man ging hin, umseine Lieblingsfilmemacher zu treffen, sich angeregt zu unterhalten und einen netten Abend zu verbringen. Schauspieler wurden nur selten in der Öffentlichkeit fotografiert, wenn sie nicht gerade über den roten Teppich liefen. Heute kann jeder Fotos von mir machen, andersherum genauso.“ Johnson sieht aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. „Der Zauber scheint irgendwie verflogen zu sein, aber warum?“ Eine moderne Begleiterscheinung ihres Berufs… murmele ich, in der Hoffnung, einen Tränenausbruch damit nicht noch zu begünstigen. „Ich weiß“, gibt sie zu. „Aber es gefällt mir einfach nicht.“
Wer sich noch nicht auf der Leinwand von ihrem Talent überzeugen konnte, würde es aus einer bloßen Begegnung nicht erahnen. Denn während sie sich bemüht, lästige Fragen umsichtig zu beantworten, spricht ihr Gesicht Bände. Da ist das Konzept ,Prominenz’, das ihr sichtlich unangenehm ist. Sie ist aus LA weggezogen, um dem Ganzen zu entfliehen. Mehr noch, sie lässt keinen Zweifel daran, wie… billig sie das alles findet.
„Heute scheint sich in Hollywood jeder bedienen zu können. Stil und Spannung kommen da zu kurz“
„Ich wusste, dass meine Familie berühmt war ihre Mutter ist Melanie Griffith”, sagt sie. „Ich habe früh mitbekommen, wie sich das anfühlt, und es hat mich davon abgehalten, andere aufgrund ihrer Berühmtheit anzuhimmeln.“
Für uns Normalsterbliche ist es eine faszinierende Vorstellung: die kleine Dakota in den glitzernden Oscar-Schuhen ihrer Mutter; ein Styling-Team, das in der Küche den Glamour auspackt… „Ich habe tatsächlich vorher jedes ihrer Kleider anprobiert“, gibt Johnson zu. „Und vor den Oscars und Golden Globes habe ich ihr immer beim Schickmachen zugesehen.“
Griffith war mit ,Miami Vice’-Star Don Johnson, Dakotas Vater, und später mit Schauspieler Antonio Banderas verheiratet. Johnsons Großmutter war Hitchcocks Muse Tippi Hedren. Johnson reiste mit ihren Eltern von Set zu Set. Dabei hatte sie die Chance, das Handwerk quasi mit der Muttermilch aufzusaugen. „Ich habe sehr viel mitbekommen, zu viel. Zum Beispiel wie meine Eltern Sex mit anderen Leuten hatten. Einmal bekam meine Mutter eine Ohrfeige verpasst – ich war außer mir! Das war zu viel.“ Johnson lacht, so besorgniserregend die Vorstellung auch ist.
„Ich habe an Filmsets viel gesehen, zu viel. Zum Beispiel wie meine Eltern Sex mit anderen Leuten hatten“
Abgeschreckt hat es sie nicht. Im Gegenteil. Wieder und wieder sah sie sich Filme an; Mary Poppins, Kevin – Allein zu Haus, auch drei Mal am Tag. Videokassetten gaben vom vielen Zurückspulen den Geist auf. „Ich wollte stets wissen, was die Schauspieler taten, um in mir diese Gefühle auszulösen.“
Vielleicht findet Johnson die Fragen nach ihren Reisepartnern (sie verbringt jedes Thanksgiving mit der besten Freundin ihrer Mutter, Goldie Hawn, und deren Tochter, Kate Hudson, in Aspen) und Freundinnen (Jaime King und Riley Keough unter anderem) lästig, da sie nie von ihren Beziehungen in der Branche Gebrauch gemacht hat. Vor ihrem Durchbruch mit Fifty Shades of Grey hatte sie kleine, wenn auch hervorragend geschauspielerte Rollen in The Social Network und Fast verheiratet. Die Beharrlichkeit, ihren eigenen Weg zu gehen, hat sich ausgezahlt. Johnson hat sich völlig unabhängig von ihrer Familie einen Platz in der nächsten Hollywoodgeneration erarbeitet.
Später recherchiere ich Huxley und das Tattoo im Internet: Befrei dich von allem Ballast und sieh nach vorn, sonst zieht dich der Treibsand unter deinen Füßen tiefer und tiefer in die Angst, das Selbstmitleid und die Verzweiflung. Lass los, mein Liebling, lass los – Lightly, my darling.
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