Coverstory

Das nächste Kapitel

mit

Phoebe Dynevor

Phoebe Dynevor über Bridgerton, Niederlagen & die Herausforderungen Hollywoods

Als Daphne in Bridgerton eroberte sie zahlreiche Herzen im Sturm – doch PHOEBE DYNEVOR macht auch längst außerhalb der königlichen Ballsäle, die sie einst ins Rampenlicht katapultierten, von sich reden. Von packenden Weltklasse-Thrillern bis hin zum düsteren 90er-Jahre-Nostalgiestreifen mit Zac Efron scheut die Schauspielerin keineswegs vor vielseitigen und facettenreichen Rollen zurück. Mit ALESSANDRA CODINHA spricht sie über ihren Umgang mit den Herausforderungen Hollywoods, ihre Vorliebe für komplexe Charaktere und erzählt, was sie aus Niederlagen gelernt hat

Foto Jeff HenriksonStyling Kristen Neillie
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Auf diesem Foto & Titelbild: Jacke und Jeans von Loewe; T-Shirt von Slvrlake; Pumps von Jil Sander; Ringe von By Pariah

Es wäre nur allzu leicht anzunehmen, Phoebe Dynevor habe ihren blitzartigen Ruhm einzig und allein ihrer Darstellung der Debütantin mit rehbraunen Augen im Netflix-Megahit Bridgerton (2020) zu verdanken. Weit gefehlt. Bei unserem Treffen in einem Café in Los Angeles erscheint die 29-Jährige in zugeknöpfter Wachsjacke, einem Cardigan von Dôen und mit einem solch strahlenden Teint, dass man ihr kaum glauben mag, dass sie bis in die frühen Morgenstunden an ihrem neuen Projekt mit Zac Efron gearbeitet hat. Und während unseres Gesprächs stellt sie richtig, dass sie bereits seit ihren Teenagerjahren mit dem Schauspielern beschäftigt sei.

„Ich glaube, das passiert Schauspielern ziemlich häufig“, erklärt sie. „Vor kurzem habe ich gelesen, was Paul Mescal über [seinen Durchbruch in] Normal People gesagt hat. Die meisten [arbeiten bereits seit Ewigkeiten] in der Industrie. Es sei denn, man wird als Kinderstar plötzlich berühmt und das geschieht dann wortwörtlich über Nacht.“ Doch alle anderen machen Jahre an Training, Ausbildung, Höhen und Tiefen durch und erleben hin und wieder eine Erfolgsgeschichte. So wie Phoebe Dynevor, die ihre Chance ergriff, als sie die Rolle in dem historisch angehauchten Drama mit zahlreichen Liebesszenen und vielfältiger Besetzung annahm und somit ihren beruflichen Triumph landete.

„Ich bin davon überzeugt, dass berufliche Niederlagen absolut hilfreich sein können“, sagt sie über die Anfänge ihrer Karriere. „Ich glaube, man muss für etwas kämpfen, um wirklich dafür bereit zu sein… und ich denke, ich war so gut es ging bereit für dieses Chaos.“

„Ich möchte die FRAUEN sehen, die wie meine Freundinnen sind, die wie meine Mutter sind, wie die Frauen im echten LEBEN. Ich möchte keine eindimensionalen, IDEALISIERTEN Frauenrollen spielen“

Unterstützung erhielt sie stets von Ihrer Familie; immerhin steht ihre Mutter Sally Dynevor seit beinahe 40 Jahren vor der Kamera, unter anderem für die britische Seifenoper Coronation Street, während ihr Onkel als Produzent und ihre Großmutter als Regieassistentin tätig waren. „Sie war ein ‚Runner‘ sozusagen“, so Dynevor, „in ihren Fünfzigern, und sie war auch eine Schauspielerin. Jeder in meiner Familie ist in irgendeiner Form Teil der Branche und mir war immer klar, dass ich auch dazu gehören möchte.“ Dies ist ihr mit ihrem schlagartigen Megaerfolg in Bridgerton, auf den nun zahlreiche neue Projekte folgen, mehr als gelungen.

Auf beiden Fotos: Jacke von Acne Studios; Body von Khaite; Jeans von Agolde; Sneakers von adidas Originals; Ohrringe von Completedworks

Ende Januar läuft ihr neuester Film Inheritance an ein mitreißender, fesselnder Spionage-Thriller rund um den Globus von Neil Burger. An der Seite von Rhys Ifans spielt sie die Rolle der Maya, die nach dem Tod ihrer Mutter außer Kontrolle gerät und folglich versucht, die entzweite Beziehung mit ihrem lang verschollenen Vater (Ifans) wiederzubeleben. Doch dieser entpuppt sich als Spion, der für einen letzten Auftrag die Hilfe seiner Tochter benötigt. Gedreht wurde über zwei Monate an Schauplätzen in New York, Kairo, Delhi und Seoul – und das Ganze auf iPhones, um den immensen Zeitdruck sowie das Gefühl der Echtheit und die impulsive Dynamik der Handlung zu intensivieren. Der Zuschauer erlebt hautnah mit, wie Dynevor eine Flasche Tequila in einem Geschäft am Times Square stiehlt und diese dann an einer Straßenecke zerschlägt, wie sie Verfolgern auf einem Motorradtaxi in Delhi entkommt, die Grenzkontrolle am Flughafen durchläuft oder ungeduldig auf das Boarding des Flugzeugs wartet.

„Ich hatte wirklich Angst, wegen der Flasche in New York verhaftet zu werden“, betont sie und fügt hinzu, dass der Dreh tatsächlich in einem echten Flugzeug, an einem echten Flughafen durchgeführt wurde. Mit echten Passagieren beim Boarding und echten Sitzplätzen im Flieger. „Es gab kein Kamerateam, keine Beleuchtung. Es hieß einfach ‚OK, wir filmen jetzt, los, los, renn und klaue diese Sonnenbrille.‘ Es war verdammt real. Ich habe mich die ganze Zeit sowas von lebendig gefühlt.“

Für ihren neuesten A24-Film Famous mit Zac Efron muss die 29-Jährige sich erst wieder an konventionellere Dreharbeiten gewöhnen, einschließlich stundenlangen Kameraeinstellungen für eine einzige Szene, die sich nur an einem Esstisch abspielt. Das nostalgische Flair der 1990er-Jahre, in dem die Handlung des Thrillers über die dunkle Seite der Stars und Sternchen stattfindet, hat es der Schauspielerin besonders angetan. „Ich höre ständig Musik aus den 90ern. Und die Klamotten sind auch sowas von cool. Ich trage diese Jeans mit niedriger Taille, die mir gerade bis unter die Hüftknochen reicht. Jetzt verstehe ich auch, weshalb alle damals so ein Schmetterlings-Tattoo auf dem Unterrücken haben wollten“, lacht sie.

Es scheinen Welten zu liegen zwischen den Korsetts in Bridgerton und Dynevors darauffolgenden Rollen und Projekten: Von der erfolgreichen Investment-Bankerin mit vertracktem Privatleben im von Kritikern hoch gelobten Film Fair Play (2023) über die erschöpfte Mittzwanzigerin außer Rand und Band in Inheritance bis hin zu ihrer Rolle im bevorstehenden Haifisch-Thriller Beneath the Storm von Tommy Wirkola. Doch all diese Rollen hätten mehr gemeinsam, als man denken möge, bekräftigt sie. „Also alles begann immerhin mit der Rolle der Daphne [in Bridgerton]. Ich habe ihren Charakter so sehr geliebt, weil sie eben auch etwas kompliziert war. Sie war nicht dieses junge, unschuldige Mauerblümchen. Sie hat ebenso falsche Sachen abgezogen und war ein durchaus komplexer Charakter. Das gefällt mir am meisten an meinen Rollen, es ist richtig aufregend.“

Pullover von Sacai; Jeans von Agolde; Sneakers von adidas Originals; Armreif von The Ysso; Ringe von By Pariah
Tank-Top von The Row; Rocks und Stiefel von Khaite; Armreif von The Ysso; Ringe von By Pariah

„Mir ist klar, dass dies eine sehr pauschale Aussage ist, aber besonders für Frauen in der Industrie sind solche Rollen sehr wichtig. Ich möchte die Frauen sehen, die wie meine Freundinnen sind, die wie meine Mutter sind, wie die Frauen im echten Leben. Ich möchte keine eindimensionalen, idealisierten Frauenrollen spielen.“

Rollen wie diese sind allerdings nicht gerade dicht gesät. Dynevor betont, dass Frauen selbst in der Welt der digitalen Content Creator in der Regel in zwei sehr beschränkte Identitäten eingeordnet seien. „Diese Frauen stellen sich selbst auf TikTok entweder als diese idealisierte, perfekte, allzeit kochende Mutter zuhause dar oder als diese, du weißt schon, eher Chaotische… Ist doch komisch, dass sich diese polarisierende Personifizierung auch in der Content-Welt durchgesetzt hat“, meint sie. „Wir sind doch alle etwas von beidem.“

„Als Teenagerin habe ich ROMANTISCHE Filme und Schnulzen geradezu VERSCHLUNGEN. Irgendwie machen wir diesbezüglich gerade eine ziemliche DURSTSTRECKE durch“

Jacke von Nili Lotan; Hose von Lemaire; Ring von By Pariah

Sie selbst bevorzugt es, klassische Filme anzuschauen, in denen die Darsteller noch mutige, schwerwiegende Entscheidungen treffen. Heutzutage fühle es sich so an, also würden die Darsteller ständig die exakt gleichen Dinge tun, bedauert sie. „Ich finde es sehr wichtig, auch die alten Filme zu kennen, Musik von früher zu hören und so den eigenen Horizont und die Weltansicht zu erweitern.“ Sie hält kurz inne. Es war eine seltsame, turbulente Zeit – vor allem global – die es wahrzunehmen gilt. „Ich mache mir Sorgen um unsere Welt heute und die Richtung, in der wir sie, so glaube ich, lenken“, gesteht sie. „Doch gleichzeitig entstehen so die besten Kunstwerke.“

Welcher Kunstrichtung würde sie sich als nächstes gerne widmen? Dynevor liebt das Theater und wartet noch auf ihre Chance in diesem Genre. Dies wird wahrscheinlich im Vereinigten Königreich sein, wo es deutlich mehr Bühnenmöglichkeiten gibt als in LA und wo sie und ihr Verlobter, der Produzent Cameron Fuller, sowieso mehr Zeit zu verbringen planen. Außerdem hat sie vor, mehr Projekte im Vereinigten Königreich anzunehmen. „Ich liebe die britische Filmindustrie. Sie ist ein wichtiger Teil meines Lebens geworden und ich möchte gerne ein Teil davon bleiben.“

Was ihre Zukunft in der Filmbranche angeht, so zieht die 29-Jährige die Produzentenrolle dem Schreiben und Regieführen vor. „Ich habe gerne die Kontrolle über alle Elemente“, gibt sie zu. „Außerdem gibt es bessere Autoren als mich, weshalb ich mich momentan mehr für das Produzieren begeistern kann. Solange sich die Industrie in eine positive Richtung weiterentwickelt, werde ich der Schauspielerei treu bleiben.“ Was das Genre angeht, so steht vielleicht als nächstes eine Liebeskomödie an. „Als Teenagerin habe ich romantische Filme und Schnulzen geradezu verschlungen. Irgendwie machen wir diesbezüglich gerade eine ziemliche Durststrecke durch.“ Oder vielleicht auch ein Action-Film, für den man einen bombenfesten Sicherheitsgurt und einen wilden Adrenalinkick benötigt. „Sowas würde ich liebend gerne mal machen!“

Jacke von Givenchy
Jacke und Jeans von Givenchy; Tank-Top von Rabanne; Pumps von Khaite

In der Tat konnte sich Dynevor in Sachen Fashion bereits von einer wilderen, temperamentvollen Seite zeigen. Während sie in ihrer Freizeit den sogenannten „Quiet Luxury“ – sprich dezenten Luxus – sowie neue, aufstrebende Brands bevorzugt („Die Brand Dôen habe ich in einem Post von Sophia Richie entdeckt“), entscheidet sie sich auf dem roten Teppich durchaus für coolere, extravagante Looks: „Sobald ich ein Kleid trage, [ist das] dann alles andere als schlicht und zurückhaltend.“

„GANZ EHRLICH, ich glaube, ich bin kein WORKAHOLIC mehr“

Die Schauspielerin verrät, dass sie und ihr Verlobter einen ziemlich entspannten Lifestyle pflegen und lieber Freunde zum gemeinsamen Grillen und Spieleabenden nach Hause einladen, anstatt das Nachtleben unsicher zu machen. „Ich habe da auch diese neue Sache für mich entdeckt“, erzählt sie: „Und zwar um 17.30 Uhr Abendessen zu gehen.“ Dies mache sie zu einer waschechten „Los Angelean“ (Einwohnerin von LA), versichere ich ihr. Niemand schätzt gesunden Schlaf und Ernährung so sehr wie die Einwohner von LA (ob Einheimische oder Zugezogene). Als sich unsere Wege an diesem Tag trennen, verrät sie mir noch, dass sie die Käseauswahl des Restaurants probieren möchte, um ein paar für das Dinner am Abend mitzunehmen. „Ganz ehrlich, ich glaube, ich bin kein Workaholic mehr“, sagt sie über ihre Work-Life-Balance. „Ich war mal einer. Aber das Leben ist einfach viel zu wertvoll.“

Inheritance erscheint am 24. Januar in den Kinos