Coverstory

Parallelen

mit

Rosamund Pike

Rosamund Pike über ihre romantische Ader, die TV-Serie The Wheel Of Time & ihre Rückkehr auf die Bühne

Nach ihrer fulminanten Darbietung in Saltburn und ihrer bevorstehenden Rückkehr in der TV-Serie The Wheel of Time – ganz zu schweigen von Aufführungen auf der Londoner Theaterbühne im kommenden Sommer – hat ROSAMUND PIKE diverse spannende Projekte in der Pipeline und ein äußerst ereignisreiches Jahr vor sich. Mit BILLIE BHATIA spricht die britische Schauspielerin über ihre romantische Ader, den Kampf gegen Selbstverurteilung und die Kraft der Erzählkunst

Foto Ina LevyStyling Charlotte Blazeby
Coverstorys
Auf diesem Bild: Pullover, Body und Schuhe von Khaite; Titelbild: Jacke, Body und Stiefel von Khaite

Es hat etwas regelrecht Beruhigendes, wenn Stars und berühmte Persönlichkeiten ganz alltägliche Dinge tun. Es ist gerade mal 10 Uhr und Rosamund Pike sitzt nach einem Morgen voller Multitasking vor mir im Londoner Langham Hotel. „Ich habe das Gefühl, dass ich heute schon jede Menge erledigt habe“, sagt sie. „Nach Central London kommen, die beiden Kinder in die Schule bringen, ein Schreiner war auch schon bei uns, um ein paar Baustellen im Haus zu reparieren, dann einen Parkplatz finden… Du meine Güte, Gott sei Dank habe ich das gesagt!“

Sie entschuldigt sich für die kleine Unterbrechung, als sie einen kurzen Anruf tätigt und in einer Park-App herumtippt, um ein drohendes Knöllchen zu vermeiden. Natürlich ist es keine Neuigkeit, dass Hollywood-Schauspieler auch nur „normale“ Menschen mit den gleichen bürokratischen Verpflichtungen wie wir alle sind. Doch zu schnell vergisst man all dies, sobald man sich in der zauberhaften Aura von Rosamund Pike aufhält – einem Zauber, der sie jenseits unserer Welt erscheinen lässt, ganz wie ihre Rolle der Zauberin Moiraine in der Amazon Prime-Serie The Wheel of Time. „All die Aufgaben, die wir als Frauen haben, sind eine einzige endlos lange Liste“, sinniert sie, während sie auf ihrem Telefon tippt und einen Termin mit dem Schreiner organisiert. „Die ganzen Probleme mit Altbauhäusern. Ich liebe es, Dinge zu erkunden und hinter die Fassaden zu blicken, und manchmal ist das, was man entdeckt, wunderschön, und manchmal ist es ein verdammtes Chaos.“

Zudem überrascht Pike mich mit ihrem aufrichtigen Interesse und ihren Fragen danach, wie mein Morgen war, wie mein Leben läuft, welche Meinung ich zu hormonverändernden Disruptoren hege und darüber, wie wir unser Leben „unsmarten“ können. Wir stimmen vollkommen überein, dass Letzteres sich wie ein Knöllchen am frühen Morgen anfühlt.

Kleid von Khaite

„Ich sehne mich gerade sehr nach ZEIT zum Nichtstun… Meine NEUGIER stürzt mich oftmals in mehr PROJEKTE, als ich bewältigen kann“

In der Tat geschieht so einiges in der Welt von Rosamund Pike, und zwar weit über ihre ausgefüllte To-Do-Liste am Mittwochmorgen hinaus. Die TV-Adaption von Robert Jordans Bestseller-Fantasy-Serie The Wheel of Time kehrt in diesem Monat mit einer dritten Staffel zurück. Gleichzeitig hat Pike erst die rebellisch romantische Komödie Ladies First abgedreht, startet in Kürze mit den Dreharbeiten zu dem Projekt In The Grey von Guy Ritchie und wird im Juli ihr Debüt am National Theatre mit Inter Alia geben – einem aufregenden neuen Stück von Suzie Miller (bekannt für Prima Facie).

„Ich sehne mich gerade sehr nach Zeit zum Nichtstun. Aber ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem beide Berufsmusiker waren – und jeder Selbstständige weiß nur zu gut: Es ist eine wunderbare Sache, Arbeit zu haben; und es vergeht kein Tag, an dem ich das nicht wertschätze. Meine Neugier stürzt mich oftmals in mehr Projekte, als ich bewältigen kann.“ Ich nicke bei dieser nachvollziehbaren Aussage und den erkennbaren Parallelen mit der Schauspielerin, und frage, ob sie sich als „Ja-Sagerin“ bezeichnen würde.

Kleid von Acne Studios
Jacke und Body von Khaite

„Wenn ich das Gefühl habe, dass ich wirklich gebraucht werde, dann bin ich es“, erklärt Pike, die nicht nur in The Wheel of Time mitspielt, sondern auch die Hörbucherzählung übernommen hat. „Als sie mir das [Hörbuch]-Projekt in der ersten Staffel anboten, sagte ich Nein. Doch dann lehnten alle anderen aus dem Cast dieses Projekt ebenfalls ab und der Start der ersten Staffel rückte immer näher. Da dachte ich mir: ‚Mist, die brauchen mich dafür.‘ Aber es ist wirklich nicht einfach, 144 Stimmen zu imitieren und den immensen Umfang dieser Fantasiewelt zu vermitteln.“

Mittlerweile hat sie vier der Hörbücher abgeschlossen, was eine beeindruckende Leistung für ein Solo-Projekt ist. Dennoch hat sie sich ein wenig Unterstützung geholt. „Ich mache [die Aufnahmen] mit meiner Mutter“, verrät sie. „Sie war Sängerin und hat in ihren Siebzigern ihr Talent auf brillante Weise auf die Produktion von Hörbüchern übertragen – weil es die gleiche Fähigkeit ist, genau hinzuhören, ein Gespür für Rhythmus, Wortbedeutung, Musikalität, Intonation zu entwickeln, die Erzählweise zu verstehen, das Tempo. Und wir verbringen eine wirklich kreative, erfüllende Zeit zusammen.“

Kleid von Acne Studios; Stiefel von Khaite

„Ich bin selbst so ROMANTISCH. Ich bin begeisterungsfähig und liebe es zu lachen, aber ich scheine in DRAMATISCHEN, ernsten Rollen am überzeugendsten zu sein. Die meisten sehen nicht das MÄDCHENHAFTE in mir“

The Wheel of Time ist ein einzigartiger Beitrag im Fantasy-Genre, in dem eine Welt erschaffen wurde, in der ausschließlich Frauen Zugang zu Magie haben, weil Männer diese Macht in der Vergangenheit stets missbraucht hatten. Pike fühlte sich von Anfang an von diesem Genre angezogen, weil „Fantasy wie eine Flucht sein kann, und ich wollte entfliehen“. Moiraine unterscheidet sich zudem vollkommen von ihren bisherigen Rollen. „Ich habe viele reale Menschen gespielt, und das kann traumatisch sein – tief in die Seele von Menschen einzutauchen, um diese authentisch darzustellen und deren Leben mehr zu leben als dein eigenes.“

„Die Macht, die diese Charaktere erleben, kann manchmal auch unangenehm sein, und um seine Rolle überzeugend zu spielen, muss man diese wirklich leben. Unsere Vorstellungskraft ist dermaßen gewaltig, dass wir damit unsere gesamte Chemie und Realität beeinflussen können. Wenn du also deinen Körper dazu bringst, Angst zu empfinden, weiß der Körper nicht, dass er eigentlich nicht in Gefahr ist und überschwemmt dich mit Kortisol und Adrenalin. Du schwindelst deinen Körper an und lässt ihn glauben, dass dies dein reales Trauma sei, und hinterher bleibt immer etwas davon bestehen – und du weißt nicht, was das sein wird, bis du mittendrin steckst“, reflektiert die 46-Jährige. Wenngleich sie den Eskapismus, den die Fantasy-Welt mit sich bringt, schätzt, fühle sie jetzt den Wunsch, „vom Hexenkessel zurückzutreten, sozusagen. Ich muss wieder zurück in die Realität“.

Als nächstes geht es für die britische Schauspielerin in eine andere Realität mit Ihrer Rolle in der Netflix-Romanze Ladies First. Darin kämpft sie gegen ihren ehemals gemeinsamen Oscar-Nominierten Sacha Baron Cohen in einer Parallelwelt, in der Frauen an der Macht sind (ein scheinbar durchgängiges Leitmotiv in Pikes aktuellen Projekten). Sie registriert meine spürbare Freude diesbezüglich. „Welches sind deine liebsten romantischen Komödien?“, fragt sie mich. Ich antworte, dass ich alle mit Julia Roberts liebe. „Oh mein Gott, sie ist die Beste“, sagt sie mit einem breiten Lächeln. „Ich liebe Julia Roberts so sehr. Sie dreht gerade in London – mein Double Kaia ist einen Tag früher abgereist, weil sie ab jetzt Julias Double ist!“

Mit einem Aufgebot an Rollen, das von schwarzem Humor und psychologischen Thrillern geprägt ist – man denke nur an die spannungsgeladene Filmadaptation von Gillian Flynns Gone Girl, dem Kriminalfilm I Care a Lot, bis hin zu Emerald Fennells elektrisierender schwarzen Komödie Saltburn sowie der Exekutivproduktion der gefeierten Wissenschafts-Fiction-Serie 3 Body Problem auf Netflix – war es da eine Erleichterung, in ein seichteres Genre einzutauchen? „Ich habe mir so lange gewünscht, in einer romantischen Komödie mitzuwirken, weil ich selbst so unsagbar romantisch bin. Ich bin begeisterungsfähig und liebe es zu lachen, aber ich scheine in dramatischen, ernsten Rollen am überzeugendsten zu sein. Die meisten sehen nicht das Mädchenhafte in mir“, bedauert sie. „Ladies First ist dennoch kompliziert“, fährt Pike fort. „Der Film fällt ein bisschen aus dem Rahmen, weil er diese ziemlich radikalen Ideen enthält. Er ist provokativ und witzig – und die Romanze erscheint regelrecht unerwartet.“

Jacke und Kleid von Tove; Stiefel von Paris Texas

„Ich habe seit 14 Jahren nicht mehr auf der Theaterbühne GESTANDEN, das ist echt eine RIESIGE Sache“

Mantel von Dries Van Noten
Kleid von Róhe; Jacke von Toteme

Als nächstes Projekt steht im Sommer Pikes Debütaufführung am National Theatre in London an. Nach einer sagenhaft erfolgreichen, preisgekrönten Aufführung des berührenden Solo-Stücks Prima Facie mit Jodie Comer in der Hauptrolle, kehrt die Dramatikerin Suzie Miller mit Inter Alia zurück. Rosamund Pike wird eine bedeutende Richterin am Crown Court darstellen, die bei der Arbeit „das System Fall für Fall verändert und herausfordert“, während sie gleichzeitig die Anforderungen des Elternseins und des Familienlebens bewältigt.

„Ich habe seit 14 Jahren nicht mehr auf der Theaterbühne gestanden, das ist echt eine riesige Sache“, gibt Pike zu. Es sei ihr besonders wichtig, dieser Rolle gerecht zu werden, nicht zuletzt aufgrund der bedeutsamen Parallelen, die sie zu ihrem eigenen Leben zieht. „Es geht auch darum, Mutter eines Sohnes zu sein, und ich habe ja zwei Söhne. Diese Selbstverurteilung, die wir Mütter uns auferlegen, die Angst, nicht gut genug zu sein, damit bin ich nur allzu vertraut. Und dann werden die Kinder älter, und wissen, wie sehr du dich innerlich zerrissen fühlst, und das können sie dann gegen dich verwenden: ‚Warum bist du immer am Arbeiten?‘ Es ist eine universell geführte Diskussion unter Frauen: Wie schaffe ich das alles? Und insbesondere: Wie schaffe ich das alles richtig gut?“

Blazer und Kleid von Tove; Stiefel von Khaite

Es erfordert eine enorme Hingabe, all die verschiedenen Aspekte von Pikes aufregendem, ausgefülltem Leben unter einen Hut zu bringen. Von der Hingabe an ihr Handwerk und die Kunst bis hin zum Streben, jede Rolle mit Integrität zu spielen, ihrem persönlichen Engagement – sie ist langjährige Botschafterin der Mines Advisory Group (MAG) und unternahm kürzlich eine Exkursion, um Minenräumerinnen in Kambodscha und im Libanon zu besuchen – und die Hingabe daran, für ihre Familie da zu sein und im Privatleben präsent zu bleiben.

Daraufhin erzählt sie enthusiastisch, wie sie mit allen „Wheel of Time“-Kollegen einen spontanen „Bob Dylan“-Karaokeabend in ihrem Wohnzimmer veranstaltet habe, nachdem sie zusammen den Film A Complete Unknown angesehen hatten. Außerdem liebe sie es, ihre freien Tage in Hampstead Heath im Norden Londons zu verbringen, habe sogar angefangen, wieder Cello zu spielen, und fühle eine tiefe Wertschätzung dafür, wie kostbar die Zeit mit ihren Liebsten ist. Den vergangenen Abend habe sie mit ihrem Vater, dem Musiker, verbracht, der nun leider an Parkinson erkrankt ist. Schwärmend erzählt sie von ihrem gemeinsamen Klavierspiel – sie mit der linken Hand, er mit der rechten.

Während sich unser Gespräch langsam dem Ende zuneigt, reflektiere ich, wie sehr Rosamund Pike jeder Rolle eine immense Sensibilität und Aufrichtigkeit verleiht, ganz gleich, ob sie eine reale Person oder eine mächtige Zauberin verkörpert. Und als sie sich ihren Mantel und ihre Tasche schnappt, sich hastig, aber herzlich verabschiedet und verspricht, in den von mir empfohlenen Podcast reinzuhören, wird mir schlagartig bewusst: Ihre größte Stärke liegt darin, dass sie wirklich sehr Mensch ist.

Die dritte Staffel von The Wheel of Time ist ab dem 13. März 2025 auf Prime Video verfügbar; Tickets für Inter Alia sind ab sofort erhältlich