Coverstory

Im Bann

mit

Gillian Anderson

Gillian Anderson über Akte X und David Duchovny

GILLIAN ANDERSON spricht mit JENNIFER DICKINSON über Scully, die Chemie zwischen ihr und Filmpartner David Duchovny und darüber, wie sie Frauen und Männer für sich gewinnt.

Foto Nico BustosStyling Charlotte Blazeby
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Was würde FBI-Agentin Dana Scully tragen? Wichtiger noch, was würde sie nicht tragen? Gillian Anderson legt Wert auf Details und Authentizität, wenn es um ihre Arbeit geht. Kompromisse kommen für sie nicht in Frage. So war sie ausgesprochen pedantisch, als im Juni 2015 die Dreharbeiten für die langersehnte neue Staffel der 90er-Jahre-Kultserie Akte X – Die unheimlichen Fä__lle des FBI begannen, die ab Januar 2016 bei Fox ausgestrahlt wurde.

„Die Kostümdesignerin kam mit Outfits an, die Scully zwar einen gewissen Kick verpasst hätten“, so die Schauspielerin, „die aber einfach nicht ihrem schlichten, altmodischen Stil entsprachen. Mit dem Leder sind wir am Ende etwas zu weit gegangen. Wenn sie Hosenanzüge trägt, sind die sehr, sehr simpel. In einer Folge sieht man sie fast nur im Freizeitlook. Sie trägt nicht gerne Jeans; bequeme Hosen und Pullover mit V-Ausschnitt von Banana Republic sind eher ihr Ding.“

Scullys STIL ist ALTMODISCH. Die Lederhosen waren zu gewagt. Bequemlichkeit geht bei ihr VOR“

Die Akribie, mit der sie Scullys Garderobe analysiert, ist typisch für die in Chicago geborene und in Großbritannien und den USA aufgewachsene 49-Jährige. Jede Frage, die man an sie richtet, wird genauestens beantwortet. Sie ist hochintelligent – so sehr, dass man sich in ihrer Gegenwart schnell unterlegen vorkommt. Und trotz ihrer unumwundenen Art behält sie stets die Kontrolle.

Pullover von Donna Karan New York. Rock von Chloé.

Es ist ihre Intelligenz, so meine Vermutung, die sie zu einer Schauspielerin macht, zu der andere Frauen aufsehen. Dieser Tage sieht man sie selten auf Magazincovern, doch nur wenige Namen lösen bei weiblichen Fans einen derartigen Hype aus. Sie hat das gewisse Etwas. Doch was genau bringt ihr diese Bewunderung ein? „Ich schätze und unterstütze Frauen“, sagt sie. „Wenn ich eine Frau schön finde, sage ich ihr das; ebenso, wenn ich die Arbeit einer Schauspielerin bewundere. Ich glaube, Frauen fühlen sich in meiner Gegenwart wohl. Ich bin nicht perfekt: Meine Oberschenkel schwabbeln, ich bin nur 1,60 Meter groß und nicht mehr die Jüngste. Ich gebe offen zu, dass ich den gesellschaftlichen Erwartungen unserer Zeit, was Fitness oder Ernährungstrends betrifft, nicht gerecht werde. Das scheint mir stille Bewunderung einzubringen.“

Die Geschlechterverteilung ihrer Fangemeinde hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Das habe sie nur einer Rolle zu verdanken: Detective Stella Gibson in The Fall Tod in Belfast, so Anderson. „Kurz nach der zweiten Staffel war ich auf der Comic Con. Die Schlange voller Männer für ein Foto ging aus der Tür raus, das habe ich vorher so noch nicht gesehen. Bei Frauen scheint es die Mischung aus mir und meinen Rollen zu sein, während Männer, zumindest an jenem Tag, an einer bestimmten Rolle und Eigenschaft – Sexappeal – interessiert sind.“

Derart starke weibliche Hauptfiguren wie Stella Gibson gibt es nur selten. Die BBC-Serie selbst ist messerscharf inszeniert und mitreißend erzählt. Die Staffeln eins und zwei sind online gratis verfügbar. Anderson spielt darin eine Kriminalagentin, die nach Belfast entsendet wird, um einen Serienmörder, gespielt von Jamie Dornan, zu finden (der als Mörder beunruhigender Weise weitaus mehr Anziehungskraft besitzt). Das wahre Sexsymbol der Show jedoch ist Gibson – forsch, scharfsinnig, unnachgiebig und durchsetzungsfähig. Bereits in der ersten Folge sorgt sie für Aufruhr, indem sie einem rangniedrigen Polizeibeamten an einem Tatort ein unmoralisches Angebot macht Früheren Interviews ist zu entnehmen, dass Anderson beim Erscheinen der ersten Folgen ausgiebig zu dem „kontroversen“ Drehbuch befragt wurde. „Die Fragen verraten ja schon, dass die Serie das Anzüglichste ist, was uns seit langem untergekommen ist. Ich habe damit ein Problem. Jeder sollte damit ein Problem haben. Wir sehen vermutlich tagtäglich zehn Filme, in denen die Rollen anders verteilt sind. In Zeiten von Tinder scheint es uns am meisten zu schockieren, dass das Ganze nicht per E-Mail oder Telefon stattgefunden hat, sondern dass sie ihm direkt ins Gesicht gesagthat: ,Lass uns f***en.‘“

„Meine Oberschenkel SCHWABBELN, ich bin 1,60 Meter groß, nicht mehr die JÜNGSTE und ich stehe dazu“

Top von Roland Mouret.
Kleid von Victoria Beckham.

„Es SCHOCKIERT uns, dass Stella ihm einfach DIREKT insGESICHT sagt: ,LASS uns f***en!‘“

Anderson bezeichnet die Rolle, die sie mit 44 Jahren anfing zu spielen, als eine der besten ihrer Karriere. „Ich habe in ihr von Anfang an eine einzigartige Frau gesehen, die verstanden wird und von der die Frauenwelt profitiert.“

Kein Vergleich zu Scully, mit der Anderson vor über 20 Jahren berühmt wurde. „Ich habe nicht vor, Scully genau so zu spielen wie Stella oder Blanche DuBois in A Streetcar Named Desire, für deren Darstellung im Londoner West End 2014 sie mehrfach ausgezeichnet wurde, auch weil sie einfach nicht besonders komplex ist. Die Zuschauer wissen das zu schätzen und als Schauspielerin gehe ich nicht mit der gleichen Leidenschaft an eine solche Rolle heran. Sie ist aber eine großartige Figur. Ich kann mich glücklich schätzen, an einem so großartigen TV-Moment beteiligt gewesen zu sein. Akte X hat eine ganz besondere DNA, die auf diese Weise noch nirgendwo aufgegriffen wurden.“

Wie erwartet wurde die Rückkehr der Serie mit Begeisterung begrüßt. Pläne für eine Fortsetzung habe es schon länger gegeben, so Anderson, doch sie und der Rest der Besetzung, einschließlich Filmpartner David Duchovny, hätten schlichtweg nicht die Zeit beziehungsweise die Muße für einen weiteren Film (jüngere Fortsetzungen sind 1998 und 2008 erschienen) oder eine weitere Staffel gehabt. Mit nur sechs Folgen ließen sich auch die Filmarbeiten am Originaldrehort Vancouver einfacher realisieren.

Kleid von T by Alexander Wang.
Kleid von Narciso Rodriguez.

„Mit Akte X geht eine gewisse Nostalgie einher. Trotz aller Herausforderungen war es spannend, sich noch einmal als Erwachsene und mit frischer Perspektive auf die Serie einzulassen. Déjà-vus sind nicht ausgeblieben … die Gerüchte, die Locations.“

Dennoch hat es etwas gedauert, bis sie wieder zu Scully „gefunden“ hatte. „In der ersten Woche habe ich mich an die Scully aus der Vergangenheit geklammert, statt zu akzeptieren, dass sich die Zeiten geändert haben.“

Kleid von Tibi.

„„ZWISCHEN David und mir wird es BESTIMMTIMMER eine gewisse Anziehungskraft geben“

Mulder und Scully, Duchovny und Anderson, haben nach Meinung vieler eines der überzeugendsten Filmpaare abgegeben; So blieben Mutmaßungen über eine Beziehung hinter den Kulissen nicht aus. Anderson gibt sich unbesorgt über diese Gerüchte, wenngleich sie eine gewisse Chemie zwischen den beiden nicht leugnet. „Jeder weiß, dass wir gut befreundet sind. Aber wenn wir zusammen in einem Raum sind, ist immer auch eine Anziehungskraft zu spüren. Die Leute interpretieren da gerne etwas hinein, egal ob ich bei einem seiner Konzerte bin oder ob wir etwas essen gehen.“

Gillian Anderson ist Single, und ihr Terminplan ist genauso durchgetaktet, wie alles, was sie sagt. Nicht, dass sie das langweilig oder mürrisch erscheinen ließe. Im Gegenteil: Anderson ist scharfsinnig, ehrlich, faszinierend; eine Frau, wie sie großartiger nicht sein könnte.

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