Das Designer-Interview: Tibi
Nach 20 Jahren in der Modebranche, avanciert das Label Tibi nun mit seinem jüngsten Makeover zur Must-have-Brand für Ihre Garderobe. EMMA SELLS spricht mit Gründerin AMY SMILOVIC über diese neue Evolution
Model Anna Mila Guyenz kommt uns am Set in einem Jeanskleid entgegen und bringt die Faszination des New Yorker Labels Tibi auf den Punkt. „Als ich das Kleid sah, dachte ich: ‚Sieht ganz nett aus‘“, sagt Guyenz. „Jetzt, da ich es trage und immer mehr Details entdecke, verstehe ich, dass es ein wirklich fantastisches Kleid ist.“
Sie liegt genau richtig. Es ist diese Kombination aus subtil interessanten Schnitten, legerer Non-chalance und den besten Stoffen, die die Marke auszeichnen: Tibi steht für coolen, femininen Chic.
„Man bewegt sich auf einem schmalen Grat, den es zu meistern gilt“, sagt Amy Smilovic, Gründerin des Labels, während wir in SoHo Kaffee trinken. „Die Designs müssen modern, aber nicht zu simpel sein. Wir haben viele Frauen im Büro und probieren immer alles an. Es geht um die Körpersprache: Wenn ich anfange etwas zurecht zu zupfen oder viel Zeit zum Binden benötige, dann ist es ein No-go.“
Tibi wurde vor 20 Jahren gegründet und obwohl die Marke schon lange Erfolge feierte, ist der gegenwärtige Hype und die Anerkennung des Labels in der Modebranche ein relativ neues Phänomen, das aus einem vollständigen Makeover resultiert. Vor sechs Jahren hatte Smilovic eine Offenbarung: Das zeitgenössische Label, das sie nur drei Tage nach ihrem Umzug mit ihrem Ehemann nach Hongkong gründete, beruhte plötzlich mehr auf Analytik als kreativer Inspiration. Es machte ihr keinen Spaß mehr und sie erkannte auch, dass dieser klinische Ansatz im emotional aufgeladenen Zeitalter von Social Media nicht nachhaltig war.
„Alles, was ich liebe hat klare Linien, ist feminin und entspannt; steife Designs kann ich nicht ausstehen
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„Plötzlich war es, als ob du eine Stimme hättest und du dir Gehör verschaffen könntest“, sagt sie. „Aber, wenn diese Stimme 20 verschiedene Sprachen spricht, wird dich niemand verstehen. Um in der Welt, die ich mir vorstellte, erfolgreich zu sein, müssen wir eine klare Stimme und Identität haben, sodass Menschen zu uns kommen.“
Smilovic wagte den Sprung zurück zu den Basics und setzte sich selbst, anstelle von Daten, ins Zentrum ihrer Entwürfe. Sie orientierte sich an ihrer Lieblingskleidung aus der Vergangenheit: Designs, die sie bei ersten Dates oder einem Bewerbungsgespräch trug. „Ich erkannte, dass alles, was ich liebe, klare Linien hat und feminin ist“, sagt sie. „Ich bevorzuge entspannte, moderne Designs und kann es nicht ausstehen, wenn Kleidung zu preziös oder steif ist: Ich liebe neue Dinge, deshalb bin ich in dieses Business eingestiegen. Wenn ich Vintage wollte, würde ich einen Vintage-Laden eröffnen.
Sie engagierte die schwedische Stilikone Elin Kling für das Styling der Runway-Shows und diese neue frische und authentische Richtung hatte sofort Erfolg. Der grobe Strick, die schlichten Kleider und fersenfreien Loafers avancierten schnell zu Lieblingen der Mode-Insider. Als sich das herumsprach, begeisterten sich Frauen weltweit für ihre geradlinige Kleidung.
Fertigkeiten erwarb sie sich im Job. „Leute fragen immer: ,Wie hast du eine Fashionfirma ohne Designabschluss gegründet?‘“, sagt sie. „Ich erwidere dann: ,Wie würde man jemals ein Modeunternehmen nur mit Designabschluss starten?‘“
Ihr Ziel ist es nicht, ein seelenloses Großunternehmen aufzubauen. Das Label ist immer noch im alleinigen Besitz von Smilovic und ihrem Ehemann Frank und sie sind entschlossen, es so zu belassen: „Wo immer wir können, nehmenwir die Dinge selbst in die Hand. Wenn ich ein Element der Kollektion von Hand malen kann, dann mache ich das. Wir fordern uns ständig heraus, klein zu denken – denn das wird Großes bewirken.“
Hätte sie jemals gedacht, dass sie nach zwei Jahrzehnten noch im Geschäft sein würde? „Im ersten Jahr dachte ich, ich wäre wie Donna Karan und würde die Welt regieren. Man hat einen lächerlichen, blinden Übermut, wenn man anfängt“, sagt sie. „In meinem zweiten Jahr, wusste ich nicht, ob ich die nächsten Monate überleben würde und dieses Gefühl ist über die letzten 18 Jahre geblieben.“
„Wenn ich in der Kollektion etwas von Hand malen kann, tue ich das. Klein zu denken, kann Großes bewirken
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Ihre geerdete Herangehensweise schreibt sie ihrer Familie und einer entspannten Erziehung zu. Ihr Vater, ein Künstler und Psychologe und ihre Mutter, eine Lehrerin, zogen sie auf einer winzigen Insel in Georgia, USA, zusammen mit ihrer Schwester groß. Diese leitet nun die Personalabteilung bei Tibi, auch ihre Teenager-Söhne helfen mit. „Kinder holen einen immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück – ohne Kinder muss das schwieriger sein“, lacht Smilovic. „Sie sind meine ständige Generation-Z-Fokusgruppe und ich liebe es zu sehen, wofür sie sich interessieren. Wenn sie ausziehen, muss ich mir Teenager ausleihen.“
Unerwarteterweise, besteht Smilovics Garderobe nicht nur aus Tibi-Designs. Gerade trägt sie ein Top von Tibi mit passendem Rock zu Turnschuhen, die sie in China entdeckt hat und verleiht Ihrem Outfit mit Styles von Stella McCartney, Balenciaga, J.W. Anderson einen interessanten Twist. „Ich trage immer andere Labels“, sagt sie. „Ich glaube nicht, dass Frauen nur Tibi in ihrer Garderobe haben würden. Wenn ich Designs kreiere, überlege ich mir, wie diese zu anderen Kleidungsstücken passen, die ich trage.“ Ein typisches Beispiel: Als alle die verkürzten „Vetements“-Jeans kauften, entwarf Smilovic bereits deren perfekte Begleiter: kürzere, voluminöse Tops.
„Jede Frau möchte sich wohl, fit und stark in ihrer Haut fühlen. bei jeglichen Körpermaßen. Das ist sehr wichtig
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Sie selbst trägt viel Männerkleidung, wie Raf Simons Sportswear und Anzüge von Dries Van Noten zu einem Gürtel um die Taille. Aber, egal was sie trägt oder designt, sie konzentriert sich auf Details und nutzt ihren feinen Instinkt, um herauszufinden, was wirklich gut aussieht.
„Jede Frau möchte sich fit und stark fühlen, bei jeglichen Körper-maßen“, sagt sie. „Deshalb denken wir immer über den richtigen Schnitt nach. Frauen sollen sich gut fühlen, das ist sehr wichtig.“ Probieren Sie ein „Tibi“-Design an; dann erkennen Sie, dass sie mit diesem Instinkt goldrichtig liegt.
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